Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Darlegung von Verfahrensmängeln

 

Leitsatz (NV)

  1. Wird gerügt, das FG habe seine Überzeugung auf der Grundlage eines unvollständig ermittelten Sachverhalts gebildet (§ 76 FGO) bzw. das FG habe für die Beteiligten überraschend eine bestimmte Tatsache zur wesentlichen Grundlage seiner Entscheidung gemacht (Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG), sind derartige Mängel nur dann schlüssig dargelegt, wenn dargetan wird, dass das angegriffene Urteil ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1993 V B 153/92, BFH/NV 1995, 601, sowie vom 27. Dezember 1993 VII B 82/92, BFH/NV 1995, 398, unter 2.).
  2. Zur Darlegung eines Verfahrensverstoßes, wenn das FG-Urteil auf zwei selbstständig tragenden Gesichtspunkten beruht.
 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3 S. 3, § 76; GG Art. 103 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der mit notariellem Vertrag vom 2. Oktober 1991 gegründeten X-GmbH (GmbH). Diese hatte beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) beantragt, bei der Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der GmbH auf den 31. Dezember 1991 und den 31. Dezember 1992 ein zwischen den vom FG beigeladenen Herren A und B aufgrund privatschriftlicher Vereinbarung vom 2. Oktober 1991 bestehendes Treuhandverhältnis zu berücksichtigen. Hierzu wurde von der GmbH vorgetragen, dass A seine Gesellschaftsbeteiligung von 67,5 v.H. zur Hälfte treuhänderisch für seinen Bruder, B, halte.

Das FA lehnte dies ab, weil es die Treuhandvereinbarung zwischen A und dem seinerzeit noch minderjährigen B wegen fehlender notarieller Beurkundung für unwirksam hielt.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH geltend machte, der Abschluss des Treuhandvertrages habe keiner notariellen Beurkundung bedurft, weil dieser bereits vor der Gründung der GmbH abgeschlossen worden sei, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Frage, ob die Treuhandvereinbarung einer notariellen Beurkundung bedurft hätte bzw. ob wegen der Minderjährigkeit des B die Einholung einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung erforderlich gewesen wäre, offen gelassen und die Voraussetzungen für eine von der Zivilrechtslage abweichende steuerliche Zurechnung von 50 v.H. der Anteile des A auf B schon deshalb verneint, weil ein steuerlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis nicht vorgelegen habe. Hierzu führt das FG aus, die Vereinbarung vom 2. Oktober 1991 sei offenbar in Abwesenheit des damals noch minderjährigen B zwischen A und dem Vater des B (und des A) abgeschlossen worden. T.L. habe an den streitigen Stichtagen die Kenntnis von der Möglichkeit gefehlt, über die Hälfte der von A gehaltenen Anteile zu verfügen. Unabhängig davon könne der Vereinbarung vom 2. Oktober 1991 nicht entnommen werden, dass A dem B gegenüber in irgendeiner Weise weisungsgebunden gewesen sei. Ferner sei A an den streitigen Stichtagen nicht verpflichtet gewesen, die Anteile an der GmbH an B herauszugeben. Denn die Herausgabe der Anteile habe erst nach Volljährigkeit des B und damit erst nach den hier zu beurteilenden Stichtagen erfolgen sollen. Schließlich sei die Vereinbarung vom 2. Oktober 1991 auch nicht rechtzeitig nach außen in Erscheinung getreten. Denn die GmbH habe das Treuhandverhältnis nicht schon anlässlich der Abgabe der Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des gemeinen Werts der Anteile im Jahre 1993 offen gelegt, sondern erstmals im Jahre 1995.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Klägerin, mit der sie Verfahrensmängel geltend macht. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Dies beurteilt sich nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), wie sich aus Art. 4 dieses Gesetzes ergibt. Denn die angefochtene Entscheidung des FG ist vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden.

Die Begründung der ausschließlich auf Verfahrensrügen gestützten Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach muss in der Beschwerdeschrift der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Hierzu sind die Tatsachen, die den Mangel ergeben, so vollständig anzugeben, dass es dem Revisionsgericht möglich ist, anhand der Beschwerdeschrift zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die Behauptungen zutreffen.

a) Die Rüge, das FG habe seine Überzeugung auf der Grundlage eines unvollständig ermittelten Sachverhalts gebildet (§ 76 FGO), ist nur dann schlüssig dargelegt, wenn dargetan wird, dass das angegriffene Urteil ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (so Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 9. Februar 1993 V B 153/92, BFH/NV 1995, 601, sowie vom 27. Dezember 1993 V B 82/92, BFH/NV 1995, 398, unter 2.).

Daran fehlt es im Streitfall:

Für die Behauptung, das FG habe die tatsächliche Durchführung des Treuhandverhältnisses zwischen A und B "auf der Grundlage des zwischen A und seinem Vater geschlossenen Vertrages zugunsten Dritter weiter aufklären" müssen, fehlt es sowohl an der Darlegung, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, als auch an Ausführungen dazu, inwiefern die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 1994 I B 109/94, BFH/NV 1995, 788, vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817, und vom 17. Mai 1994 X B 280/93, BFH/NV 1995, 114). Allein der Vortrag, das FG hätte "bei richtiger Sachaufklärung zur Anerkennung des Treuhandverhältnisses kommen müssen", reicht nicht aus. Vielmehr hätte die Klägerin die Rechtserheblichkeit ihrer Verfahrensrüge an der vom FG vertretenen Rechtsauffassung messen müssen, wonach im Streitfall das Treuhandverhältnis wegen Fehlens eines Herausgabeanspruchs nicht anerkannt werden kann.

b) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe nicht darauf hingewiesen, dass es die fehlende Erkennbarkeit maßgeblicher Einwirkungsrechte des Treugebers (B) gegenüber dem Treuhänder (A) zur wesentlichen Grundlage seiner Entscheidung machen werde, fehlt es an einer schlüssigen Darlegung eines Verstoßes gegen das Recht auf Gehör. Denn die Verneinung wirtschaftlichen Eigentums des B durch das FG beruht auf zwei selbstständig tragenden Gesichtspunkten, nämlich auf der (nach Auffassung des FG) fehlenden Kenntnis des B vom Treuhandverhältnis einerseits und andererseits ("unabhängig davon") darauf, dass nach dem Inhalt der Treuhandvereinbarung an den hier maßgeblichen Bewertungsstichtagen A im Verhältnis zu seinem damals noch minderjährigen Bruder B weder weisungsgebunden noch zur Herausgabe der Gesellschaftsanteile verpflichtet war. Selbst wenn in Bezug auf die fehlende Kenntnis des B von der Treuhandvereinbarung eine Verletzung der Hinweispflicht durch das FG vorläge, bliebe immer noch der weitere, nach Auffassung des FG ebenfalls allein tragfähige Gesichtspunkt fehlender Weisungsgebundenheit und Herausgabepflicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 667072

BFH/NV 2002, 510

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