Leitsatz (amtlich)

Die Beschwerde gegen einen Beschluß, durch den der Antrag auf Ablehnung eines Sachverständigen zurückgewiesen wird, kann auch noch nach Beendigung der ersten Instanz zulässig eingelegt werden.

 

Normenkette

FGO § 82; ZPO § 406 Abs. 5

 

Tatbestand

In der Hauptsache geht es um die Frage, ob die Verwendung von Butterfett bei der Herstellung eines als Mayonnaise bezeichneten Erzeugnisses dessen unmittelbare Eignung zum Verbessern des Geschmacks gewisser Speisen beeinträchtigt. Auf Anregung des Beklagten und Beschwerdegegners (HZA) bestellte das FG mit Beschluß vom 30. Oktober 1972 den Küchenmeister S als Sachverständigen für die genannte Frage. Im Beweistermin vom 6. Juni 1973 nahm der Sachverständige zu den ihm vorgelegten Produkten gutachtlich Stellung, und zwar in einem für die Klägerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) im wesentlichen negativen Sinne. Nach Erstattung des Gutachtens erklärte der Sachverständige auf Befragen der Beschwerdeführerin, daß er von einem Herrn der Zollverwaltung gefragt worden sei, ob er sich als Sachverständiger zur Verfügung stellen wolle.

Im selben Termin erklärte die Beschwerdeführerin, sie lehne den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 6. Juli 1973 lehnte das FG den Antrag der Beschwerdeführerin ab.

Gegen diese ihr am 23. Juli 1973 zugestellte Entscheidung legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig.

Nach § 82 FGO i. V. m. § 406 Abs. 5 ZPO findet gegen den Beschluß, durch den die Ablehnung eines Sachverständigen für unbegründet erklärt wird, die Beschwerde nach § 128 Abs. 1 FGO statt. Zwar hat das FG während des Laufes der Beschwerdefrist und vor Einlegung der Beschwerde (30. Juli 1973) bereits das Urteil in der Sache (am 10. Juli 1973) verkündet. Dadurch wird die Einlegung der Beschwerde jedoch nicht unzulässig (vgl. Urteil des BGH vom 1. Februar 1972 VI ZR 134/70, NJW 1972, 1133, mit weiteren Hinweisen). Andernfalls könnte das für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständige Gericht kurz vor oder gleichzeitig mit der Entscheidung der Hauptsache den das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluß erlassen und damit der ablehnenden Partei das gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel nehmen, was nicht Rechtens sein kann (vgl. Beschluß des OLG Zweibrücken vom 15. November 1965 1 W 38/65, Monatsschrift für Deutsches Recht 1966, S. 423 - MDR 1966, 423 -). Auch muß noch die Möglichkeit bestehen, ein Gutachten, das möglicherweise auf unsachlichen Erwägungen beruht, auch nach Erlaß des Urteils des FG noch anzugreifen und ihm für den weiteren Rechtszug den Boden zu entziehen (vgl. OLG-Beschluß Düsseldorf vom 16. Februar 1956 2 U 102/55, MDR 1956, 305).

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es dem BFH offenstünde, im Revisionsverfahren zu überprüfen, ob das FG die Ablehnung des Sachverständigen zu Recht zurückgewiesen hat. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat die Frage, ob ein Ablehnungsgrund gegen einen Sachverständigen vorliegt, rasch und endgültig bereinigt sehen wollen und zu diesem Zweck ein besonderes Verfahren mit einer selbständigen Anfechtbarkeit der Entscheidung eingerichtet (vgl. das zitierte BGH-Urteil VI ZR 134/70 und BGH-Urteil vom 6. November 1958 III ZR 147/57, BGHZ 28, 302, 305). Entscheidungen in diesem besonderen Verfahren unterliegen nicht der Beurteilung des BFH im Revisionsverfahren (§ 155 FGO i. V. m. §§ 512, 548 ZPO). Zwar zählen nach § 548 ZPO zu den Entscheidungen, die nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts unterworfen sind, nur die unanfechtbaren Entscheidungen, nicht auch - wie § 512 ZPO hinsichtlich der vom Berufungsgericht zu beurteilenden Entscheidungen regelt - auch die mit der Beschwerde anfechtbaren Beschlüsse. Das beruht darauf, daß nach § 567 Abs. 3 ZPO gegen OLG-Entscheidungen die Beschwerde ohnehin nicht zulässig ist (vgl. Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 548 Anm. A I b 2). Anders ist es in der zweistufigen Finanzgerichtsbarkeit, wo der BFH zur Entscheidung über Beschwerden gegen FG-Entscheidungen berufen ist (§ 128 FGO). Insoweit ist im Rahmen der sinngemäßen Anwendungen der Vorschriften der ZPO nach § 155 FGO in erster Linie § 512 ZPO heranzuziehen (vgl. auch Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 34. Aufl., § 548 Anm. 1 B). Da also die angefochtene Entscheidung des FG vom BFH im Revisionsverfahren nicht überprüft werden kann, muß die Beschwerde gegen sie noch für zulässig erachtet werden, obwohl das FG das Urteil in der Sache bereits gesprochen hat (vgl. auch Wieczorek, a. a. O., § 406 Anm. C IV b Abs. 2; Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 406 Anm. IV 2; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl., S. 651).

Der erkennende Senat hat im Falle einer Richterablehnung anders entschieden (vgl. Urteil vom 28. September 1972 VII B 70/72, BFHE 107, 100, BStBl II 1973, 18). Es kann hier offenbleiben, ob an dieser Entscheidung festzuhalten ist. Wegen der besonderen Vorschrift des § 47 ZPO - für den abgelehnten Sachverständigen fehlt eine entsprechende Bestimmung - sind die Fälle nicht ohne weiteres vergleichbar.

Das Urteil des BVerwG vom 18. Juni 1964 III C 123/63 (NJW 1964, 1870) steht dieser Entscheidung nicht entgegen, weil ihm ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt. Das BVerwG hatte die Nachprüfbarkeit eines Beschlusses der Vorinstanz im Revisionsverfahren trotz dessen Unanfechtbarkeit bejaht. Es führte aus, nach § 173 der VwGO i. V. m. § 548 ZPO seien der Beurteilung des Revisionsgerichts nur jene Entscheidungen entzogen, die "nach den Vorschriften dieses Gesetzes". d. h. der Zivilprozeßordnung, unanfechtbar seien, während sich die Unanfechtbarkeit in dem dem BVerwG vorliegenden Fall aus § 339 Abs. 3 LAG ergebe, der die Beschwerde gegen alle Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ausschließe. Es kann hier offenbleiben, ob dieser Entscheidung zu folgen ist, da der vorliegende Fall anders liegt. Es handelt sich hier um eine anfechtbare Entscheidung des FG. Zwar spricht der, wie ausgeführt, hier in erster Linie heranzuziehende § 512 ZPO ebenfalls nur von Entscheidungen, die "nach den Vorschriften dieses Gesetzes ... mit der Beschwerde anfechtbar sind". Die Anfechtbarkeit ergibt sich hier aber sowohl aus § 128 FGO als auch aus dem - nach § 155 FGO sinngemäß anzuwendenden - § 406 Abs. 5 ZPO, also - zumindest auch - aus den Vorschriften der ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71608

BStBl II 1976, 387

BFHE 1976, 301

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