Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO setzt voraus, daß das erkennende Gericht die Vorlage der Urkunden oder Akten angeordnet hat.

2. Lehnt das Gericht die Anordnung der Vorlage ab, so kann diese Entscheidung nicht gesondert mit der Beschwerde angefochten werden.

 

Normenkette

FGO § 86 Abs. 1, 3 Sätze 1, 3, § 71 Abs. 2, § 128 Abs. 2

 

Tatbestand

Das FA (Beklagter und Beschwerdegegner) hatte gegen den Kläger (Beschwerdeführer) auf Grund eines im notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag angegebenen Kaufpreises von 6 418,50 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 449,25 DM festgesetzt. Nach Prüfung durch die Steuerfahndungsstelle wurde die Grunderwerbsteuer auf 2 660 DM festgesetzt. Der gegen diese nachträgliche Steuerfestsetzung eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Im Klageverfahren - in dem eine Sachentscheidung noch nicht ergangen ist - legte das FA dem FG seine Grunderwerbsteuerakte vor, in welcher sich statt Blatt 6 ein Fehlblatt mit folgendem "Aktenvermerk vom 6. März 1970" befindet:

"Über vertrauliche Mitteilung und Namen des Mitteilenden wegen § 22 AO nicht zur Einsichtnahme freigegeben und daher entnommen."

Da das FA der Aufforderung des Klägers zur Vorlage dieser entnommenen Urkunde nicht nachkam, stellte der Kläger vor dem FG den Antrag:

"Gemäß § 86 Abs. 3 FGO durch Beschluß für Recht zu erkennen:

Das verklagte Finanzamt hat nicht glaubhaft gemacht, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verweigerung der Vorlage von Blatt 6 seiner Grunderwerbsteuerakten vorliegen.

Die Vorlage dieser Urkunde zu den Akten des Finanzgerichts über den vorliegenden Rechtsstreit durch das verklagte Finanzamt wird angeordnet. Den Prozeßbevollmächtigten des Herrn Klägers wird Einsicht auch in diese Urkunde gewährt."

Mit Beschluß vom 25. Juli 1972 lehnte das FG den Antrag ab. Es fehle am Rechtsschutzinteresse, weil die Kenntnis des aus der Urkunde hervorgehenden Namens auf die allein zu entscheidende Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids keinen Einfluß habe.

Mit der Beschwerde macht der Kläger weiterhin seinen Antrag geltend.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Klägers ist zum Teil unzulässig, im übrigen ist sie unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung des FG hat drei Begehren des Klägers abgelehnt:

1. Der erste Antrag war auf eine Entscheidung nach § 86 Abs. 3 FGO über die Glaubhaftmachung der Gründe gerichtet, die zu einer Weigerung der Vorlage der fraglichen Urkunde durch das FA geführt haben. Gegen den diesen Antrag ablehnenden Beschluß ist nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 86 Abs. 3 Satz 3 FGO die Beschwerde zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das FG hat diesen Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Voraussetzung für eine Entscheidung nach § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO ist, daß das FG die Vorlage der Urkunde angeordnet hat. Das FA hat die den Streitfall betreffenden Akten gemäß § 71 Abs. 2 FGO bereits nach Empfang der Klage an das Gericht zu übersenden. Hält das FA Unterlagen zurück (vgl. hierzu Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 71 FGO Tz. 3, und zur Änderung der Rechtslage § 268 AO a. F.; v. Wallis/List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 86 FGO Tz. 1), so hat das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 76 FGO) darüber zu befinden, ob der Inhalt in Anbetracht des Streitgegenstandes für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erheblich ist und deshalb die Vorlage im Rahmen der Beweiserhebung anzuordnen ist (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 71 Tz. 3; v. Wallis/List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 71 FGO Tz. 10, Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 86 FGO Tz. 7). Eine solche Anordnung hat das Gericht in dem angefochtenen Beschluß jedoch ausdrücklich abgelehnt.

2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung dieser Anordnung richtet, ist sie nach § 128 Abs. 2 FGO unzulässig. Denn insoweit handelt es sich um die Ablehnung eines Beweisantrages (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 81 FGO Tz. 8, § 86 FGO Tz. 1).

3. Das FG konnte folglich auch dem Antrag auf Einsicht in diese Urkunde nach § 78 Abs. 1 FGO nicht entsprechen, da sie dem Gericht nicht vorgelegt war. Die insoweit zulässige Beschwerde (vgl. v. Wallis/List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 78 FGO Tz. 11, Tipke/Kruse, a. a. O., § 78 FGO Tz. 6) ist damit ebenfalls unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70188

BStBl II 1973, 504

BFHE 1973, 12

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