Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wann ein Damnum bei einem Tilgungsdarlehen im Sinne des § 11 Abs. 2 EStG als Ausgabe geleistet wird, richtet sich nach den durchgeführten Vereinbarungen der Vertragsparteien.

2. Wird gemäß den Vereinbarungen der Vertragsparteien bei Auszahlung eines Tilgungsdarlehens ein Damnum einbehalten, so ist dieses in der Regel im Zeitpunkt der Auszahlung des Kapitals beim Schuldner eine Ausgabe im Sinne des § 11 Abs. 2 EStG.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 2

 

Tatbestand

Der VI. Senat hat im Urteil VI 62/63 S vom 8. November 1963 (BStBl 1964 III S. 31, Slg. Bd. 78 S. 82) zu § 9 Ziff. 1, § 11 Abs. 2, § 21 EStG 1960 entschieden: Werden bei einem Darlehen, das zum Erwerb eines nichtbetrieblichen Grundstücks aufgenommen wird, keine Bestimmungen über die Tilgung eines vereinbarten Damnums getroffen, so ist das Damnum in der Regel auf die Laufzeit des Darlehens verteilt in gleichen Teilbeträgen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig. Der IV. Senat ist dagegen der Auffassung, daß der Schuldner berechtigt sei, das vom Gläubiger einbehaltene Damnum im Jahr der Darlehnsauszahlung in vollem Umfange als Werbungskosten abzuziehen. Der IV. Senat hat deshalb durch Beschluß IV 385/58 vom 18. März 1964 die Rechtsfrage an den Großen Senat verwiesen.

In dem vom IV. Senat zu entscheidenden Fall nahm der Bf. im Jahre 1953 bei einer Sparkasse ein privates Hypothekendarlehen im Nennwert von 25 000 DM auf. Ausgezahlt wurden nur 95 v. H. = 23 750 DM. Der Bf. beantragt, den Unterschied von 5 v. H. = 1250 DM voll als Werbungskosten des Jahres 1953 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen. Finanzamt und Finanzgericht haben den Antrag unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs abgelehnt. Es handle sich um Zinsen, die zusätzlich zu der laufenden Verzinsung des Darlehens mit den Rückzahlungsbeträgen an die Sparkasse zu entrichten seien. Nach § 11 Abs. 2 EStG sei das Damnum jeweils zu dem Teil Werbungskosten, der in dem jährlichen Rückzahlungsbetrag enthalten sei. Das Darlehen von 25 000 DM sei mit jährlich 2 v. H. zu tilgen. Folglich seien im Jahr 1953 nur 2 v. H. von 1250 DM = 25 DM Werbungskosten.

 

Entscheidungsgründe

Zu entscheiden ist danach die Rechtsfrage, ob der Schuldner ein Damnum, das der Gläubiger bei der Gewährung eines -- durch Hypothek auf dem Privatgrundstück des Schuldners gesicherten -- Tilgungsdarlehens vereinbarungsgemäß einbehalten hat, voll im Jahr der Darlehnsaufnahme (1953) oder verteilt auf die Laufzeit des Darlehens als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung absetzen kann.

Der Reichsfinanzhof hat es für die steuerliche Betrachtung als bedeutungslos erklärt, ob ein Damnum Zinscharakter hat oder ein besonderes Entgelt darstellt, das neben den Zinsen oder an deren Stelle gewährt wird (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 565/28 vom 10. Januar 1929, RStBl 1929 S. 175). Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs VI 62/63 S vom 8. November 1963 (a. a. O.) -- mit Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 18/57 U vom 13. August 1957, BStBl 1957 III S. 349, Slg. Bd. 65 S. 304, und die Urteile des Bundesgerichtshofs V ZR 153/59 vom 17. Mai 1961, Wertpapier-Mitteilungen (WPM) 1961 Teil IV B S. 980, und V ZR 4/61 vom 6. Februar 1963, Der Betrieb (DB) 1963 S. 514, Der Betriebs-Berater (BB) 1963 S. 410 -- und dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 142/61 U vom 14. Februar 1964 (BStBl 1964 III S. 264, Slg. Bd. 79 S. 85) bedeutet das Damnum in der Regel eine neben der laufenden Verzinsung geleistete zusätzliche Vergütung für die Kapitalnutzung. Es unterscheidet sich nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs VI 19/57 U vom 24. April 1959 (BStBl 1959 III S. 236, Slg. Bd. 68 S. 619) und VI 62/63 S von den Geldbeschaffungskosten (Bereitstellungs-, Schätzungs- und ähnlichen bei Hypotheken erhobenen Gebühren), die üblicherweise gesondert berechnet und alsbald fällig werden. Bei ihnen fehlt ein so enger Zusammenhang mit der Verzinsung und Tilgung des Darlehens, wie er beim Damnum besteht. Der Große Senat tritt der in dieser Rechtsprechung vertretenen Auffassung über das Wesen des Damnums bei.

Der Große Senat folgt auch der bisherigen Rechtsprechung (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 127/29 vom 1. Mai 1929, RStBl 1929 S. 427, und IV 172/38 vom 25. November 1938, RStBl 1939 S. 233; Urteile des Bundesfinanzhofs VI 19/57 U und VI 62/63 S) darin, das Damnum bei Bauhypotheken nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes, sondern zu den Werbungskosten (§ 9 EStG) im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu rechnen.

Im Bereich des Privatvermögens sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (§ 11 Abs. 2 EStG). Danach ist das Damnum für das Kalenderjahr als Werbungskosten zu berücksichtigen, in dem es wirtschaftlich aus dem Vermögen des Schuldners abgeflossen ist. Der Zeitpunkt des Abflusses richtet sich nach dem Sachverhalt im einzelnen Fall.

In der Gestaltung des Sachverhalts sind die Steuerpflichtigen frei. Es steht deshalb im Belieben der Parteien zu bestimmen, wie und wann eine Damnumschuld erfüllt werden soll. Die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen sind grundsätzlich auch für die Besteuerung maßgebend, sofern sie durchgeführt werden. Diese Rechtsgedanken sind bereits in der Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs VI 62/63 S ausgesprochen worden; auf ihnen beruht auch das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 159/59 U vom 1. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 347, Slg. Bd. 71 S. 261); sie sind auch im Urteil des Bundesfinanzhofs VI 1/61 U vom 10. Januar 1964 (BStBl 1964 III S. 157, Slg. Bd. 78 S. 405) maßgebend gewesen. Von diesen Rechtsgrundsätzen ist im einzelnen Fall auszugehen. Es ist also festzustellen, was die Vertragsparteien über die Erfüllung der Damnumsverpflichtung vereinbart haben, wie die Abreden tatsächlich durchgeführt worden und welche wirtschaftlichen Folgen dadurch eingetreten sind. Diese Feststellungen sind weitgehend Gegenstand der Tatsachenwürdigung und unterliegen deshalb der Nachprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur in beschränktem Maße (§§ 288, 296 AO).

Wird z. B. in den Fällen der Tilgungsstreckung das Damnum vereinbarungsgemäß in bestimmten Teilberträgen zu bestimmten Zeitpunkten geleistet, so ist jeder Teilbetrag eine Ausgabe im Jahr seiner Entrichtung und für dieses Jahr als Werbungskosten abzusetzen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs VI 159/59 U und VI 1/61 U).

Einigen sich die Vertragsparteien darüber, daß der Darlehnsgeber bei Auszahlung des zugesagten Darlehens einen Teil als Damnum einbehalten darf (das Darlehen zu einem bestimmten, unter dem Nennwert liegenden Kurs ausgezahlt wird), so ist darin nicht nur die Vereinbarung des Damnums, sondern auch eine Abrede über die Tilgung der Damnumsschuld zu sehen.

Bürgerlich-rechtlich ist umstritten, ob der Darlehnsvertrag als ein Realvertrag erst mit der Auszahlung des Kepitals und nur in Höhe des ausgezahlten Betrages zustande kommt oder ob die Darlehnsvaluta in Erfüllung eines Kon sensualvertrags ausgezahlt wird (vgl. Staudinger-Riedel, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., 1955, Vorbem. 2 zu § 607; Larenz, Schuldrecht 7. Aufl., 1965, § 47 II). In den Damnumsfällen kann diese Frage für die Befugnis des Gläubigers zur einseitigen Aufrechnung (§ 387 BGB) von Bedeutung sein; außerdem ist, geht man von einem Realvertrag aus, zu prüfen, ob hinsichtlich des Damnums ein Vereinbarungsdarlehen (§ 607 Abs. 2 BGB) vorliegt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 62/63 S). Der Große Senat braucht dazu jedoch keine Stellung zu nehmen. Wie der Bundesfinanzhof im Urteil III 142/61 U bereits hervorgehoben hat, müssen die vertraglichen Bestimmungen über das Darlehnsverhältnis als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden. Das ist auch im Urteil des Bundesfinanzhofs VI 1/61 U, bei einem Fall der Tilgungsstreckung, geschehen. Wird der Sachverhalt demgemäß als ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang gewürdigt, so rechtfertigt die Vereinbarung, daß der Darlehnsbetrag unter Abzug eines Damnums auszuzahlen ist, den folgenden Schluß: Der Darlehnsnehmer hat Anspruch auf das volle Darlehen und muß dieses verzinsen und tilgen; andererseits ist der Darlehnsgeber berechtigt, sich wegen seiner Damnumsforderung bei Auszahlung des Kapitals durch Einbehaltung des Damnumsbetrags zu befriedigen. Bürgerlich-rechtlich handelt es sich nicht um eine einseitige Aufrechnung, sondern um die nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit zulässige vereinbarte Verrechnung der Damnumsschuld bei Hingabe des Darlehnskapitals. Das zeigt sich deutlich, wenn das Kreditinstitut auf dem Konto des Darlehnsnehmers das volle Kapital gutschreibt und anschließend den Damnumsbetrag belastet, so daß sich der Verfügungsbetrag entsprechend verringert. Es ist im wirtschaftlichen Ergebnis nicht anders, wenn das Kreditinstitut statt dessen vereinfacht nur den Saldo auf dem Konto gutschreibt oder auszahlt. Das Damnum ist oft nicht der einzige Schuldposten, der bei der Auszahlung des Darlehens verrechnet wird; bei der Abrechnung pflegen z. B. auch etwa geschuldete Geldbeschaffungskosten abgezogen zu werden, ohne daß daraus zu folgern wäre, der Darlehnsnehmer hätte nur den geminderten Betrag als Darlehen erlangt.

Für diese Beurteilung sprechen auch folgende Erwägungen: Das Damnum kann darauf zurückzuführen sein, daß den Kreditinstituten bei der eigenen Geldbeschaffung Aufwendungen (Emissionskosten, Provisionen) und Einbußen (Disagio) entstanden sind, die durch den laufenden Zins nicht gedeckt werden und deshalb durch eine einmalige besondere Vergütung des Darlehnsnehmers ausgeglichen werden sollen. Es ist wirtschaftlich verständlich, wenn diese Vergütung sofort bei Auszahlung des vereinbarten Darlehens zu leisten ist. Denn es handelt sich um die Abdeckung von Kosten, die dem Kreditgeber bereits entstanden sind und nicht erst im Laufe der Zeit erwachsen. Aber auch soweit das Damnum wirtschaftlich einen zusätzlichen Zins darstellt, erhält der Darlehnsgeber diese wirtschaftlichen Vorteile bereits bei Hingabe des Darlehens (Urteil des Bundesfinanzhofs III 142/61 U). Der technische Verrechnungsvorgang -- Auszahlung des um das Damnum gekürzten Darlehnsbetrags -- kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß wirtschaftlich die Parteien den zurückzuzahlenden Nennbetrag des Darlehens als gewährt und die besondere Vergütung des Schuldners als aus dem Darlehen geleistet ansehen. Das läßt sich auch aus dem Fall der Tilgungsstreckung erkennen. Das Damnum wird hier nicht einbehalten, sondern im Laufe einiger Jahre -- vor Beginn oder neben der anfänglichen Darlehnstilgung -- bezahlt; es wird also die sonst bei Darlehnsauszahlung fällige Damnumsschuld lediglich einige Zeit gestundet. (Der Bundesfinanzhof hat im Urteil VI 1/61 U zu Recht dazu auch den Fall der Tilgungsstreckung gerechnet, in dem neben dem Hauptdarlehen ausdrücklich ein kurzfristiges zweites Darlehen zur Abtragung der Damnumsschuld vereinbart war. Beide Verträge sind wirtschaftlich als eine Einheit angesehen worden, weil es im Ergebnis nicht anders liege, als wenn das Darlehen voll ausbezahlt worden wäre und das Damnum eine zusätzliche Verzinsung während der ersten Jahre, bei entsprechender Minderung der Darlehnstilgung, dargestellt hätte.) Für die Fälle der Tilgungsstreckung hat der Bundesfinanzhof bereits in seinen Urteilen VI 159/59 U und VI 1/61 U zutreffend entschieden, daß die Tilgung der Damnumsschuld von der Entrichtung der jährlichen Darlehnsrückzahlungsbeträge losgelöst ist und unabhängig davon geschieht. Dann ist es aber auch gerechtfertigt anzunehmen, daß nach dem Willen der Vertragsparteien die Damnumsschuld vorweg erfüllt wird, wenn der Kreditgeber das Damnum bei Auszahlung des Darlehnskapitals einbehält. Es entspräche nicht den von den Parteien gewollten wirtschaftlichen Wirkungen, wenn die Vereinbarungen über das Damnum im Fall der Tilgungsstreckung grundsätzlich anders als im Fall der Kürzung bei der Darlehnsauszahlung beurteilt würden. In der Regel fließt deshalb die Damnumsausgabe in diesem Fall beim Schuldner in dem Zeitpunkt ab, in dem ihm das Darlehnskapital zufließt. Das Damnum stellt Werbungskosten für das Kalenderjahr dar, in das dieser Zeitpunkt fällt.

Die im Urteil des Bundesfinanzhofs VI 62/63 S angeführten Gründe für eine Verteilung des Damnums bei Tilgungshypotheken auf die Laufzeit des Darlehens geben keinen Anlaß zu einer anderen Entscheidung. Der Reichsfinanzhof stellte bei Zeitdarlehen zur Bestimmung des Zuund Abflusses des Damnums auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Damnumsschuld ab (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 565/28, VI A 127/29 und VI A 969/34 vom 5. Dezember 1934, RStBl 1935 S. 337). Der Fälligkeit mißt auch der Große Senat entscheidende Bedeutung zu. Dem sich auf Tilgungshypotheken beziehenden Urteil des Reichsfinanzhofs IV 172/38 kann aber insoweit nicht gefolgt werden, als es, ohne auf die Fälligkeit einzugehen, ausführt, daß mit den jährlichen Tilgungsbeträgen jeweils ein Teil des Damnums beim Schuldner ab- und dem Gläubiger zufließe. Diese Auffassung ist, berücksichtigt man die Maßgeblichkeit der Parteivereinbarungen über die Fälligkeit des Damnums, jedenfalls bei den heutigen Verhältnissen nicht berechtigt. Ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil V ZR 4/61) besteht nicht. Daß der Gläubiger bei vorzeitiger Beendigung des Darlehnsverhältnisses unter Umständen auf das Damnum nur pro rata temporis Anspruch haben kann, schließt nicht unbedingt aus, daß der Damnumsbetrag bereits bei der Auszahlung des Darlehnskapitals einbehalten und steuerrechtlich beim Schuldner abgeflossen ist. Die abweichende Behandlung des Damnums bei bilanzierenden Gewerbetreibenden erfordert keine gleiche Beurteilung bei anderen Darlehnsnehmern. Für diese gilt die Bestimmung des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, für jene finden nach § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG die Vorschriften über die Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) Anwendung. Die Abweichungen sind also durch die Systematik des EStG begründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424593

BStBl III 1966, 144

BFHE 84, 399

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