Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Abfärbewirkung bei Beteiligung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der IV. Senat des BFH stimmt der Auffassung des IX. Senats zu, wonach die Einkünfte einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (Obergesellschaft) aus der Beteiligung an einer anderen, gewerblich tätigen Personengesellschaft (Untergesellschaft) nicht zur Gewerblichkeit der gesamten Einkünfte der Obergesellschaft führen (Antwort auf den Anfragebeschluss vom 22. Juli 2003 IX R 53/01).

2. Mit dieser Zustimmung gibt der IV. Senat des BFH seine bisherige Rechtsprechung nicht auf, wonach die Beteiligung einer betrieblichen, im Urteilsfall landwirtschaftlichen Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer gewerblich tätigen anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) zur Folge hat, dass die gesamten Einkünfte der Obergesellschaft zu Einkünften aus Gewerbebetrieb werden (Senatsurteil vom 8. Dezember 1994 IV R 7/92, BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264).

 

Normenkette

EStG §§ 13, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1

 

Gründe

1. Obwohl das Senatsurteil vom 8. Dezember 1994 IV R 7/92 (BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264) die Beteiligung einer landwirtschaftlich tätigen Personengesellschaft an einer gewerblich tätigen anderen Personengesellschaft betraf, beziehen die Entscheidungsgründe ausdrücklich auch die vermögensverwaltende Obergesellschaft in die Erwägungen zur Umqualifizierung nicht gewerblicher Einkünfte durch die gewerblichen Beteiligungseinkünfte ein. Der Senat hält dies angesichts der zwischenzeitlichen Entwicklung der Rechtsprechung nicht mehr für zwingend und stimmt dem IX. Senat daher in dessen Beurteilung zu, wonach eine vermögensverwaltende Personengesellschaft außer ihren originären Einkünften auch gewerbliche Beteiligungseinkünfte erzielen und diese ohne Auswirkung auf ihre übrigen Einkünfte an ihre Gesellschafter weiterleiten kann.

2. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kommt eine Abfärbung nur dann in Betracht, wenn die Personengesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt. Es genügt nach dem Gesetzeswortlaut nicht, wenn sie lediglich Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt. Darüber hat sich der Senat in seinem Urteil in BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264 bewusst hinweggesetzt, weil er meinte, andernfalls der systematischen Struktur des § 15 EStG nicht gerecht zu werden. Er meinte, eine vermögensverwaltende Obergesellschaft könne ―wenn man die Abfärbewirkung verneine― die Einkünfte aus der Beteiligung an der Untergesellschaft nicht weiterleiten, weil ihre Gesellschafter an ihr nicht ―wie es § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfordere― mitunternehmerisch beteiligt seien. Dass die Obergesellschafter unmittelbare Mitunternehmer der Untergesellschaft seien, habe der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Beschluss vom 25. Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691) ausgeschlossen.

3. Wäre diese Auslegung des Beschlusses des Großen Senats zwingend, könnte die nunmehr vom IX. Senat befürwortete Lösung nicht auf das Urteil des BFH vom 11. August 1999 XI R 12/98 (BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229) gestützt werden (so aber der Gerichtsbescheid des IX. Senats unter II.2.c). Auch wenn man davon ausgeht, dass aufgrund dieses Urteils die geringfügigen gewerblichen Einkünfte der sowohl gewerblich als auch freiberuflich tätigen Gesellschaft als solche an die Gesellschafter weitergeleitet werden, lässt sich hieraus für die Abfärbewirkung bei der doppelstöckigen Personengesellschaft nichts herleiten. In dem Fall, der dem Urteil in BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229 zugrunde lag, waren die Gesellschafter Mitunternehmer der weiterleitenden (einstöckigen) Gesellschaft, und zwar nicht nur deshalb, weil diese in erster Linie freiberufliche Einkünfte erzielte. Auch wenn eine Hausverwaltungsgesellschaft in geringem Umfang gewerbliche Einkünfte erzielt, sind insoweit ihre Gesellschafter Mitunternehmer.

4. Der Senat hält jedoch die Auslegung des Beschlusses des Großen Senats, wie sie seinem Urteil in BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264 zugrunde liegt, nicht mehr für zutreffend.

a) Der Große Senat rechtfertigt seine Auffassung, dass eine GbR Gesellschafter einer Untergesellschaft sein kann damit, dass der wirtschaftliche Gehalt der Betätigung von Personenhandelsgesellschaften und mitunternehmerisch tätigen GbR keine grundsätzlichen Unterschiede aufweise (C.IV., vierter Absatz BStBl II 1991, 702, re.Sp.). Unter einer "mitunternehmerisch tätigen GbR" ist eine Gesellschaft zu verstehen, die ihrerseits Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt und deren Gesellschafter somit Mitunternehmer sind. So verstanden ließe sich annehmen, dass eine vermögensverwaltende Gesellschaft nicht Obergesellschafterin sein kann mit der Folge, dass ihre Gesellschafter Mitunternehmer der gewerblich tätigen Untergesellschaft sein können.

b) Hiergegen spricht nur, dass sich in der Entscheidung des Großen Senats ―zwei Absätze weiter― folgender missverständliche Satz findet:

"Kann aber eine GbR i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG Gesellschafterin einer anderen Personengesellschaft sein, so ist sie in den Fällen der hier zu beurteilenden Art (GbR als Obergesellschaft einer ―gewerblich tätigen― Personengesellschaft) auch mitunternehmerisch tätig. Das folgt schon aus ihrer Stellung als Mitglied einer gewerblich tätigen Personengesellschaft."

c) Wollte man diesen Satz dahin verstehen, dass auch eine vermögensverwaltende GbR ―wegen ihrer Mitunternehmerstellung― "mitunternehmerisch tätig" sei, enthielte der Satz einen Zirkelschluss. Die Möglichkeit, dass die GbR (unter Ausschluss der Obergesellschafter) Mitunternehmerin der Untergesellschaft sein kann, würde damit begründet, dass sie Mitunternehmerin ist. Der Große Senat hat das nach Auffassung des beschließenden Senats aber nicht gemeint. Das folgt daraus, dass auch in dem vorstehend zitierten Passus vorausgesetzt wird, dass nur eine "GbR i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG"Gesellschafterin einer anderen Personengesellschaft sein kann - also nur eine Gesellschaft, deren Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind. Das ist bei einer vermögensverwaltenden Gesellschaft aber nicht der Fall.

d) Für diese einschränkende Auslegung spricht auch der Umstand, dass es in dem Fall, der der Entscheidung des Großen Senats des BFH in BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691 zugrunde lag, darum ging, ob eine mitunternehmerische GbR Gesellschafterin einer anderen Personengesellschaft sein kann.

e) Es ist nicht feststellbar, dass der BFH bisher einmal der Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden GbR Sperrwirkung zuerkannt hätte. Für die Möglichkeit eines Durchgriffs durch die vermögensverwaltende GbR sprechen dagegen zwei BFH-Urteile. Im Urteil vom 7. März 1996 IV R 2/92 (BFHE 180, 121, BStBl II 1996, 369) hat der beschließende Senat entschieden, dass die Grundstücksaktivitäten zweier personenidentischer vermögensverwaltender Personengesellschaften in einem einzigen Gewinnfeststellungsverfahren zusammengefasst werden dürfen. Im Urteil vom 9. Mai 2000 VIII R 41/99 (BFHE 192, 273, BStBl II 2000, 686) hat der VIII. Senat an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, der zufolge Beteiligungen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft an Kapitalgesellschaften den Gesellschaftern der Personengesellschaft für die Bestimmung des Veräußerungstatbestands nach § 17 EStG anteilig zuzurechnen sind (sog. Bruchteilsbetrachtung).

5. a) Der beschließende Senat sieht derzeit keine Notwendigkeit, seine Rechtsprechung in BFHE 176, 555, BStBl II 1996, 264 aufzugeben, soweit sie die Beteiligung einer mitunternehmerschaftlichen (landwirtschaftlich tätigen) Personengesellschaft an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft betrifft. In jenem Fall führte die gewerbliche Prägung der land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte zwar zu einer Gewerbesteuerbelastung auch der bisherigen landwirtschaftlichen Erträge, nicht aber zu einer neuen Buchführungspflicht oder zu einer Steuerverstrickung der Wirtschaftsgüter der Obergesellschaft, wie dies bei einer vermögensverwaltenden Personen-(ober-)gesellschaft der Fall wäre; die Wirtschaftsgüter der Obergesellschaft gehören auch ohne die Beteiligung bereits zum Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Unternehmers. Wollte man in diesen Fällen die Abfärbewirkung bei der Obergesellschaft verneinen, könnten sich Schwierigkeiten ergeben, wenn die Obergesellschaft ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG oder § 13a EStG ermittelt.

b) Für eine unterschiedliche Behandlung vermögensverwaltender Obergesellschaften einerseits und Obergesellschaften mit Gewinneinkünften andererseits spricht schließlich auch die Entstehungsgeschichte des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Der Gesetzgeber schien zunächst davon auszugehen, dass die gesetzliche Fassung der sog. Abfärberegelung nur betriebliche und nicht auch vermögensverwaltende Personengesellschaften erfassen sollte. Im Entwurf eines Gesetzes zur vordringlichen Regelung von Fragen der Besteuerung von Personengesellschaften heißt es (BTDrucks 10/3663, 8, li.Sp.): "Absatz 3 Nr. 1 entspricht der bisher in § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG enthaltenen, aber auch für die Einkommensteuer geltenden (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 10. November 1983, BStBl 1984 II S. 152) Regelung, wonach bei offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und anderen Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen sind, die gesamte Tätigkeit als Gewerbebetrieb gilt, wenn die Gesellschaft neben anderen Tätigkeiten auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt." Bei diesem eingeschränkten Anwendungsbereich der gesetzlichen Abfärberegelung würde sich die im Fall einer gewerblichen Betätigung (auch) bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften anzunehmende Abfärbung aus der bisherigen Rechtsprechung zu dieser Frage herleiten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1255533

BFH/NV 2005, 102

BStBl II 2005, 376

BFHE 207, 462

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