Leitsatz (amtlich)

Die Aussetzung der Vollziehung eines bestandskräftigen Gewerbesteuermeßbescheids wegen ernstlicher Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit setzt voraus, daß die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für den gleichen Veranlagungszeitraum ausgesetzt wird oder die Möglichkeit der Vollziehungsaussetzung hinsichtlich des Einkommensteuerbescheids nur deshalb nicht besteht, weil infolge Entrichtung der Einkommensteuerschuld eine Aussetzung entfällt.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2 S. 3; GewStG § 35b

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Steuerpflichtiger) ist holländischer Staatsangehöriger. Er betrieb in den Streitjahren 1967 und 1968 den ambulanten Handel mit von ihm importierten Blumen, die er auf Wochenmärkten und an anderen Stellen verkaufte. Steuererklärungen gab er nicht ab. Bei einer Steuerfahndung wurde festgestellt, daß der Steuerpflichtige keine Bücher geführt oder Aufzeichnungen vorgenommen hatte. Aus Kontoauszügen der Spedition X konnte jedoch der Umfang der Importe aus Holland ermittelt werden. Anhand der Notizen des Steuerpflichtigen ergaben sich Aufschläge von 20-60 v. H., so daß der Steuerfahnder den durchschnittlichen Aufschlag auf 40 v. H. schätzte, während die Richtsätze zwischen 67 und 82 v. H. schwankten. Den Reingewinn schätzte er auf 13 v. H., die Richtsätze lagen zwischen 18 und 22 v. H. Es ergab sich danach ein Gewinn im Jahre 1967 von 36 400 DM und im Jahre 1968 von 130 000 DM (Einfuhr 715 129 DM). Der Einspruch des Steuerpflichtigen gegen die entsprechend ergangenen Einkommensteuerbescheide 1967 und 1968 blieb erfolglos. Seine Klage - über die noch nicht entschieden ist - begründete der Steuerpflichtige wie folgt: Die Schätzung sei überhöht, weil er die vom Fahnder unterstellten Aufschläge nicht erzielt habe. Er habe überwiegend Wiederverkäufer beliefert, die gleich ihm die Bezeichnung "billiger Jakob" verdienten, weshalb seine Gewinnspanne äußerst niedrig gewesen sei.

Obwohl der Steuerpflichtige gegen die auf der Schätzung beruhenden Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide für die Jahre 1967 und 1968 keine Rechtsbehelfe eingelegt hatte, beantragte er vor dem FG die Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide und der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide. Das FG hielt den Antrag zwar für zulässig, wies ihn jedoch aus sachlichen Gründen ab, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide beständen. Dem Grunde nach sei die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zulässig und geboten gewesen. Der Höhe nach beständen gegen die Schätzung keine Bedenken, weil alle Eigenarten des Betriebs des Steuerpflichtigen angemessen berücksichtigt seien.

Während der Steuerpflichtige die Zurückweisung seines Antrages für Aussetzung der Vollziehung der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide hinnahm, legte er gegen den die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermeßbescheide ablehnenden Bescheid Beschwerde mit folgender Begründung ein: Trotz guter Umsätze müsse er infolge schlechter Kalkulation und schlechter Mitarbeiter sein Geschäft in A aufgeben. Ein Vermögensvergleich würde erkennen lassen, daß er die vom FA geschätzten Umsätze und Gewinne nie gehabt habe. Die Vollstreckung der auf der Schätzung beruhenden Bescheide zwänge ihn, Konkurs anzumelden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die Vorinstanz hat im Ergebnis mit Recht wegen Fehlens ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Gewerbesteuermeßbescheide der Streitjahre die Aussetzung ihrer Vollziehung abgelehnt.

Eine Aussetzung nach § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO scheidet aus, weil die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllt sind. Hiernach ist die Vollziehung eines auf Grund eines Feststellungsbescheides etwa ergangenen Bescheides auszusetzen, wenn die Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheides ausgesetzt wird. Es ist zwar richtig, daß diese Regelung in sinngemäßer Anwendung auch für das Verhältnis von Einkommensteuerbescheid zu Gewerbesteuermeßbescheid gilt (Beschluß des BFH I B 1/66 vom 23. August 1966, BFH 86, 749, BStBl III 1966, 651). Gleichwohl bleibt Voraussetzung für die Aussetzung der Vollziehung des bestandskräftigen Folgebescheides (hier: Gewerbesteuermeßbescheides), daß die Vollziehung des Grundlagenbescheides (hier: Einkommensteuerbescheides) ausgesetzt ist oder die Möglichkeit seiner Aussetzung nur deshalb nicht besteht, weil infolge Entrichtung der Steuerschuld eine Aussetzung entfällt (BFH-Beschluß I B 49/67 vom 31. Januar 1968, BFH 91, 347, BStBl II 1968, 350). Weder die eine noch die andere Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. So hat das FG die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre durch Beschluß vom 24. Mai 1971 wegen Fehlens ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestandskräftig abgelehnt. Ein Fall, wie ihn der BFH in seinem Beschluß I B 49/67 vom 31. Januar 1968 (a. a. O.) entschieden hat, liegt gleichfalls nicht vor. Eine Aussetzung auf der Rechtsgrundlage des § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO entfällt damit.

Sonstige Gesichtspunkte, welche der Beschwerde zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht zu ersehen. Da die Gewerbesteuer-Meßbescheide unangefochten in Bestandskraft erwachsen sind, sind ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit, die eine Aussetzung ihrer Vollziehung ohne Anwendung des § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO rechtfertigen könnten, zu verneinen.

Die Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69679

BStBl II 1972, 955

BFHE 1973, 92

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