Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen die Ablehnung einer Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO

 

Leitsatz (NV)

1. Die Ablehnung einer (einfachen) Beiladung ist auch dann mit der Beschwerde anfechtbar, wenn die Ablehnung in den Gründen des (noch nicht rechtskräftigen) finanzgerichtlichen Urteils ausgesprochen worden ist.

2. Läßt die Formulierung des Finanzgerichts nicht erkennen, ob und wie es sein Ermessen gemäß § 60 Abs. 1 FGO ausgeübt hat, so kann auch der Bundesfinanzhof als Beschwerdegericht die Ermessensentscheidung treffen.

3. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO abgelehnt werden kann.

 

Normenkette

FGO § 60 Abs. 1, § 128

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Für den Kläger und Beschwerdegegner (Kläger), einen eingetragenen Sportverein, hatte Herr A. vom 1. Juli 1976 bis zum Mai 1980 das Training der Fußballmannschaft übernommen. Anläßlich einer im Jahre 1980 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, daß der Kläger für das Trainerentgelt weder Lohnsteuer einbehalten noch an den Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA -) abgeführt hatte. Das FA nahm den Kläger durch Lohnsteuerhaftungsbescheid auf Zahlung der Lohnsteuer in Höhe von . . . DM in Anspruch.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG), nachdem es u. a. den Trainer A. vernommen hatte, den Lohnsteuerhaftungsbescheid auf. In seinem Urteil ging es davon aus, daß zwischen dem Kläger und dem Trainer zwar ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, nicht hingegen eine Nettolohnvereinbarung getroffen worden sei. Es hielt die Inanspruchnahme des Klägers aber für ermessensfehlerhaft, da die Lohnsteuer ebenso schnell und einfach von dem Trainer A. als dem Steuerschuldner hätte hereingeholt werden können. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 1986 (Bl. 60 FG-Akten) hatte das FA angeregt, den Trainer A. zum Verfahren beizuladen. Das FG ist dieser Anregung nicht gefolgt und hat dazu im Urteil vom 6. November 1986, das dem FA am 20. Januar 1987 zugestellt worden ist, ausgeführt:

,,Das beklagte FA hat zwar mit Schreiben vom 15. 7. 1986 angeregt, den Trainer gem. § 60 FGO zum Verfahren beizuladen, womit es mittelbar zum Ausdruck gebracht hat, daß die steuerlichen Interessen des Trainers vom Ausgang des Verfahrens berührt sein können. Der Senat ist dieser Anregung jedoch nicht gefolgt, da es sich nicht um einen Fall einer notwendigen Beiladung handelt (s. Hübschmann-Hepp-Spitaler, § 60 FGO, Anm. 4 und BFH-Beschluß vom 7. 2. 1980 VI B 97/79, BStBl II 1980 S. 210) und die einfache Beiladung im Ermessen des Finanzgerichts steht."

Mit am 6. Februar 1987 beim FG eingegangenen Schriftsatz erhob das FA gegen die Ablehnung der Beiladung Beschwerde. Ferner legte es gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde ein (VI B 36/87); diese stützt es auf einen Verfahrensmangel, den es in der unterlassenen Beiladung des Trainers A. sieht.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig.

Gegen die Statthaftigkeit der Beschwerde bestehen nicht etwa deshalb Bedenken, weil das FG die Beiladung in den Urteilsgründen abgelehnt hat. Dadurch wurde der ablehnende Ausspruch nicht etwa Teil des Urteils. Es handelt sich vielmehr um einen nur äußerlich mit dem Urteil verbundenen Beiladungsbeschluß, gegen den gemäß § 128 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beschwerde gegeben ist.

Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen auch nicht etwa deshalb Bedenken, weil das Urteil des FG bereits ergangen ist. Ebenso wie eine notwendige Beiladung noch nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils vorgenommen werden kann (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. August 1983 IV R 222/80, BFHE 139, 134, BStBl II 1983, 762), kann bis zur Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils auch ein Beiladungsbeschluß des FG mit der Beschwerde angefochten werden. Im vorliegenden Streitfall ist infolge der vom FA erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtskraft des Urteils des FG noch nicht eingetreten. Der Senat sieht insoweit auch eine Parallele zum Beschluß des Großen Senats des BFH vom 30. November 1981 GrS 1/80 (BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217), wonach eine Beschwerde gegen einen Richterablehnungsbeschluß auch dann noch zulässig bleibt, wenn das FG die Entscheidung zur Hauptsache unter Mitwirkung des erfolglos abgelehnten Richters erlassen hat.

Gemäß § 129 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Diese Frist ist im Streitfall zwar überschritten. Diese Fristüberschreitung ist aber unschädlich, da dem ablehnenden Beiladungsbeschluß keine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war (§ 113 Abs. 1, § 105 Abs. 2 Nr. 6, § 55 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 FGO).

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG kann nach § 60 Abs. 1 FGO auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Im Streitfall geht es nicht um die Beiladung des Haftungsschuldners, sondern um die Beiladung des Steuerschuldners im Klageverfahren des Haftungsschuldners. Auch insoweit bestehen aber keine Bedenken, eine Beiladung des Steuerschuldners als zulässig anzusehen. Ob das Gericht die einfache Beiladung beschließt oder einen darauf gerichteten Antrag ablehnt, hat es nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Im Streitfall läßt die Formulierung am Schluß des Urteils nicht erkennen, ob und wie das FG sein Ermessen ausgeübt hat. Das FG hat lediglich darauf hingewiesen, daß die einfache Beiladung in seinem Ermessen liege.

Dieser Mangel führt aber nicht zur Aufhebung des in dem Urteil enthaltenden Beiladungsbeschlusses. Zwar könnte der Senat von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Beiladung an das FG zurückverweisen (entsprechend BFH-Beschluß vom 8. Juli 1980 VII B 18/80, BFHE 131, 12, BStBl II 1980, 657, m.w.N.). Er sieht hiervon aber aus Gründen der Prozeßökonomie ab und entscheidet in der Sache selbst.

Der Senat hält eine Beiladung des Trainers A. nicht für geboten.

Die Beiladung dient einmal den Interessen des Beizuladenden. Dieser soll durch die Beiladung die Möglichkeit erhalten, auf das Verfahren Einfluß zu nehmen, um dadurch zu verhindern, daß die Entscheidung seine Rechtsstellung nachteilig berührt. In diesem Zusammenhang ist erheblich, daß der betroffene Steuerschuldner, der Trainer A., seine Beiladung nicht beantragt hat. Dann muß es auch nicht als geboten erscheinen, ihn beizuladen.

Die Beiladung soll ferner der Prozeßökonomie und der Rechtssicherheit dienen. Sie soll verhindern, daß widersprechende Entscheidungen über denselben Gegenstand getroffen werden. Das Gesetz gibt in § 60 Abs. 1 FGO selbst zu erkennen, daß die Gefahr widersprechender Entscheidungen eine Beiladung rechtfertigen kann, dies aber allein die Beiladung noch nicht als geboten erscheinen lassen muß. Im Streitfall ist zu bedenken, daß der Steuerschuldner A. als Zeuge vernommen worden ist und damit der zur Beurteilung stehende Sachverhalt auch für das Veranlagungsverfahren des Trainers A. feststeht, so daß damit die Gefahr widersprechender Entscheidungen gering ist. Der Hinweis des FA auf § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Insbesondere ist die Auffassung des FA unzutreffend, der Trainer A. könne erst dann in Anspruch genommen werden, wenn er in dem den Haftungsbescheid betreffenden Klageverfahren beigeladen worden ist. Unabhängig vom Ausgang des Haftungsverfahrens kann das Wohnsitz-FA das Trainerentgelt in die Einkommensteuerveranlagung des Steuerschuldners A. einbeziehen. Dafür ist ohne Bedeutung, ob eine Beiladung des Steuerschuldners erfolgt ist oder nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415772

BFH/NV 1989, 113

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