Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage

 

Leitsatz (NV)

Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage müssen substantiierte Angaben darüber gemacht werden, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen könne. Die Beschwerdeschrift muß konkrete Ausführungen darüber enthalten, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die in Rede stehende Rechtsfrage umstritten sei.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Grundsätzliche Bedeutung

a) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) halten die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, "ob dann, wenn ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung … stehender Steuerbescheid ausdrücklich aufgrund einer geänderten Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes (sowohl im Betriebsprüfungsbericht wie im Steuerbescheid) entgegen § 176 AO zu Lasten des Steuerbürgers geändert wird, später aufgrund des Einspruchs des Steuerbürgers diese Begründung ausgetauscht werden kann durch eine völlig andere Begründung".

Die Kläger haben die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht schlüssig dargelegt. Hierzu wären substantiierte Angaben darüber erforderlich gewesen, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung dienen könne. Insbesondere hätten die Kläger konkrete Ausführungen darüber machen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die in Rede stehende Rechtsfrage umstritten sei (vgl. z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. Dezember 1986 V B 61/86, BFH/NV 1987, 309, m.w.N.).

Daran fehlt es im Streitfall. Es liegt im übrigen auf der Hand und bedarf deshalb keiner höchstrichterlichen Klärung, daß die fehlerhafte Begründung eines gebundenen, im Ausspruch (Verfügungs- oder Entscheidungssatz) rechtmäßigen Verwaltungsakts (z.B. eines Steuerbescheids oder einer Einspruchsentscheidung) sowohl im außergerichtlichen Rechsbehelfsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren durch die zutreffende Begründung ersetzt werden kann (vgl. z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 126 AO 1977 Tz. 2 b i.V.m. § 118 AO 1977 Tz. 28; für das Anfechtungsklageverfahren vgl. z.B. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 100 Rdnr. 9, m.w.N.; für das Revisionsverfahren s. § 126 Abs. 4 FGO).

b) Auch soweit die Kläger die Rechtsfrage aufgeworfen haben, "ob die Schranke des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO bei Rechtsprechungsänderungen generell zu beachten ist oder ob diese Schranke … sich auf den einzelnen, konkret zu entscheidenden Fall (ggf. mit Besonderheiten des Einzelfalls) auswirkt", wird ihre Beschwerdebegründung den unter 1. a skizzierten Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht gerecht.

Im übrigen fehlen auch Ausführungen der Kläger darüber, daß die betreffende Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sei. Schon von seinem eindeutigen Wortlaut her steht § 176 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) der Änderung eines Steuerbescheids dann nicht entgegen, wenn sich der Änderungsbescheid in seinem Ausspruch (Verfügungs- oder Entscheidungssatz) auch unter Zugrundelegung der ursprünglichen, inzwischen aufgegebenen höchstrichterlichen Rechtsprechung als rechtmäßig erweist. Eine solche Konstellation hat die Vorentscheidung im Streitfall gerade angenommen.

2. Divergenz

Die Kläger haben die von ihnen beanstandete Abweichung der Vorentscheidung von den BFH-Urteilen vom 8. April 1992 I R 128/88 (BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761) und I R 162/90 (BFHE 167, 432, BStBl II 1992, 764) nicht hinreichend erkennbar gemacht. Ihren Ausführungen in der Beschwerdeschrift läßt sich nicht entnehmen, daß das Finanzgericht (FG) den von ihnen zitierten Rechtssatz der genannten BFH-Urteile nicht beachtet habe, die Altanteile an einer Kapitalgesellschaft, die stille Reserven enthielten, verlören durch die Ausgabe neuer Anteile zu pari anläßlich einer Kapitalerhöhung an Substanzwert.

Aus den Gründen der angefochtenen Vorentscheidung ergibt sich denn auch eindeutig, daß das FG diesen Effekt gerade nicht verkannt hat.

In Wahrheit richtet sich die Kritik der Kläger ―im Stil einer Revisionsbegründung― gegen die Ansicht der Vorinstanz, daß die im Zuge der Kapitalerhöhung von den Altanteilen auf die jungen Anteile verlagerten stillen Reserven nicht der Besteuerung (nach § 17 des Einkommensteuergesetzes ―EStG― oder § 23 EStG) entzogen sein könnten.

3. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 302229

BFH/NV 1999, 1622

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