Entscheidungsstichwort (Thema)

Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (NV)

Zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde

 

Normenkette

FGO §§ 56, 115 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, da sie verspätet begründet worden ist und der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist nicht gewährt werden kann.

Die Klägerin hat zwar innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat (§ 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), die am 2. März 1987 ablief (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 und 3, § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), mit Schriftsatz vom 19. Februar 1987 gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie hat diese aber nicht - wie in § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO vorgeschrieben - ,,in der Beschwerdeschrift" begründet. Die Begründung ist vielmehr erst mit Schriftsatz vom 10. April 1987, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 13. April 1987, erfolgt. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unter Darlegung des Zulassungsgrundes muß aber, wenn auch nicht unbedingt in der Beschwerdeschrift, so doch innerhalb der Beschwerdefrist erfolgen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO, Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 115 FGO Tz. 83, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die für die Beschwerde und ihre Begründung vorgeschriebene Monatsfrist ist nicht verlängerungsfähig (Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 84).

Die Klägerin hat auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Begründung der Beschwerde nicht rechtzeitig gestellt. Ihr Prozeßbevollmächtigter wurde vom Vorsitzenden des Senats mit Schreiben vom 12. März 1987, zugestellt am 17. März 1987, unter Hinweis auf § 56 FGO darauf aufmerksam gemacht, daß die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der am 2. März 1987 abgelaufenen Monatsfrist vorgelegt worden war. Der für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erforderliche Antrag (§ 56 Abs. 1 FGO) hätte - soweit der Klägerin die Fristversäumung nicht bereits vorher bekannt war - nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO spätestens binnen zwei Wochen nach Zustellung der Mitteilung des Senatsvorsitzenden über die Versäumung der Begründungsfrist gestellt werden müssen (Tipke/Kruse, a.a.O., § 56 FGO Tz. 5; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 56 Anm. 9). Die Antragsfrist lief demnach am 31. März 1987 ab (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB), während der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erst mit Schriftsatz vom 10. April 1987, beim BFH eingegangen am 13. April 1987, gestellt worden ist. Die Klägerin hat die Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht schuldlos versäumt, da ihr Prozeßbevollmächtigter auf die Versäumung der Begründungsfrist und auf die Regelung des § 56 FGO hingewiesen worden war. Ihr kann deshalb auch hinsichtlich dieser Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.

Im Hinblick auf die Versäumung der Antragsfrist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist es unerheblich, ob die Klägerin - wie es § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO vorschreibt - in der Lage gewesen wäre, auch die versäumte Rechtshandlung - Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde - innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (vgl. Beschluß des Senats vom 3. Februar 1976 VII B 55/74, BFHE 118, 147, BStBl II 1976, 429). An der rechtzeitigen Stellung des Wiedereinsetzungsantrags war sie jedenfalls trotz der noch ausstehenden, von ihr beantragten Akteneinsicht nicht gehindert. Für die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es ferner unerheblich, daß die Klägerin bereits mit ihrer Beschwerdeschrift vom 19. Februar 1987 beantragt hat, ihr zum Zwecke der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Akteneinsicht zu gewähren, und daß sie mit Schriftsatz vom 4. März 1987 den Antrag gestellt hat, die Begründungsfrist bis zur Akteneinsicht zu verlängern. Ihr Prozeßbevollmächtigter, ein Rechtsanwalt, hätte sich aufgrund der Gesetzeslage darüber informieren können, daß die Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht verlängert werden kann und daß die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einen formellen, innerhalb einer bestimmten Frist zu stellenden Antrag voraussetzt (vgl. § 224 Abs. 2 ZPO, § 115 Abs. 3, § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Von dieser Informationspflicht konnte den Prozeßbevollmächtigten auch eine falsche Auskunft eines Richters am FG über die Begründungsfrist nicht entbinden.

Schließlich wäre die Nichtzulassungsbeschwerde, wenn man ihre nachgereichte Begründung verwerten dürfte, auch deshalb unzulässig, weil die Klägerin den als Zulassungsgrund bezeichneten Verfahrensmangel der mangelnden Sachaufklärung nicht in der durch § 115 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO gebotenen Form gerügt hat. Sie hat weder vorgetragen, daß das FG von ihr angebotenen Beweismitteln nicht nachgegangen sei, noch daß es Beweismittel nicht erhoben habe, deren Erhebung sich ihm auch ohne besonderen Antrag als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Tz. 164, 170, 171, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415259

BFH/NV 1988, 242

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge