Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung; einstweilige Anordnung; Anordnungsgrund

 

Leitsatz (NV)

Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung (e. A.) nach § 114 Abs. 1 FGO setzt neben dem Anordnungsanspruch einen Anordnungsgrund voraus. Dabei ist zu beachten, daß die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO genannten Gründe Maßstäbe für die Beurteilung der Frage setzen, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Danach kommt eine e. A. grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen bedroht ist. Die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände müssen über die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei einer Vollstreckung zu erwarten sind.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1; AO 1977 § 258

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) kündigte den Antragstellern und Beschwerdeführern (Beschwerdeführer) mit Schreiben vom 7. Mai 1987 die Vollstreckung wegen rückständiger Einkommensteuer 1984 und 1987 sowie rückständiger Säumniszuschläge in Höhe von 120 624,20 DM an. Das Finanzgericht (FG) wies den dagegen gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung mit der Begründung ab, die Beschwerdeführer hätten einen nach § 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Das Recht auf Berichtigung der festgesetzten Steuern und Säumniszuschläge werde durch die Vollstreckung weder vereitelt noch erschwert. Sachliche Einwendungen der Beschwerdeführer gegen die vom FA als rückständig angesehenen Beträge könnten den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht begründen. Die angekündigte Vollstreckung habe für die Beschwerdeführer keine über die bloße Zahlung der Steuerbeträge hinausgehende Nachteile zur Folge.

Nach außergerichtlichen Verhandlungen der Beteiligten wurde der rückständige, zur Vollstreckung anstehende Betrag auf 42 858,20 DM herabgesetzt.

Mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, wenden sich die Beschwerdeführer ausschließlich gegen ihre sachliche Verpflichtung zur Zahlung der rückständigen Beträge. Nach weiteren außergerichtlichen Verhandlungen erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich eines Betrags von 104 799,93 DM für erledigt.

Die Beschwerdeführer beantragen nunmehr sinngemäß, den Beschluß des FG aufzuheben und die angekündigte Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Beträge in Höhe von 15 824,27 DM einstweilen einzustellen.

Das FA beantragt, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Dem Antrag der Beschwerdeführer auf einstweilige Anordnung kann nicht entsprochen werden, weil es im Streitfall sowohl an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes als Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) fehlt.

1. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehlt es schon an der erforderlichen Darlegung eines auf § 258 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Anspruchs.

Den umfangreichen Ausführungen der Beschwerdeführer über die tatsächliche Verwirklichung der Steuerrückstände und Säumniszuschläge ist zu entnehmen, daß sie einen Anordnungsanspruch aufgrund des § 258 AO 1977 insbesondere deshalb für gegeben halten, weil sie gegen die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Steuerbescheide Einwendungen erhoben haben. Dazu ergibt sich aus § 256 AO 1977, daß Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsakts bei der Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht zu berücksichtigen sind. Die materiell-rechtlichen Einwendungen der Beschwerdeführer sind also für die Beurteilung der Frage, ob die Vollstreckung aus den Steuerbescheiden einstweilen einzustellen ist, ohne Bedeutung. Sachliche Einwendungen können allenfalls bei einer Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung der betroffenen Steuerbescheide berücksichtigt werden.

2. Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 Abs. 1 FGO setzt neben dem Anordnungsanspruch auch einen Anordnungsgrund voraus. Dabei ist zu beachten, daß die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO genannten Gründe Maßstäbe für die Beurteilung der Frage setzen, ob ein Anordnungsgrund vorliegt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1986 VII B 42/86, BFH / NV 1987, 39, und vom 30. Juli 1986 V B 31/86, BFH /NV 1987, 42).

Danach kommt eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen bedroht ist (BFH-Beschlüsse vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492, und vom 17. Januar 1985 IV B 106/84, BFH / NV 1986, 219). In jedem Fall müssen die den Anordnungsgrund rechtfertigenden Umstände über die Nachteile hinausgehen, die im Regelfall bei einer Vollstreckung zu erwarten sind. Derartige Gründe sind im Streitfall nicht einmal vorgetragen.

3. Soweit sich die Beteiligten außergerichtlich auf eine Herabsetzung der noch geschuldeten und durch Vollstreckung beizutreibenden Beträge geeinigt haben, ist der Rechtsstreit aufgrund der beiderseitigen Erledigungserklärungen teilweise erledigt. Auf die umstrittene Frage, ob eine Teilerledigung des Rechtsstreits nur möglich ist, wenn das Klagebegehren selbst teilbar ist, braucht der Senat nicht eingehen, denn die Frage der Teilerledigung stellt sich bei der hier nur noch bedeutsamen Anwendung der Kostenvorschriften nicht (vgl. Senatsbeschluß vom 6. August 1974 VII B 49/73, BFHE 113, 171, 173, BStBl II 1974, 748).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 2, 138 Abs. 1 FGO. Hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreits haben die Kläger ebenfalls die Kosten zu tragen. Nach § 138 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Da der Antrag der Beschwerdeführer aus den eingangs dargestellten Gründen insgesamt keinen Erfolg haben konnte, entspricht es billigem Ermessen, ihnen auch die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils aufzuerlegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416364

BFH/NV 1989, 714

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