Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigungszahlungen für freiwillige Aufgabe einer vertraglich gesicherten Position nicht nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigt

 

Leitsatz (NV)

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß keine nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigte Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen (§ 24 Nr. 1 a i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG) vorliegt, wenn der Steuerpflichtige eine vertraglich gesicherte Position freiwillig gegen Zahlung einer Ablösesumme aufgibt.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2; FGO § 69

 

Tatbestand

S vermietete durch Tankstellenmietvertrag vom 16. Mai 1966 sowie zwei Zusatzvereinbarungen jeweils vom 16. Mai/ 7. April 1966 sein Grundstück mit Tankstelleneinrichtung an die D-GmbH für 1 650 DM monatlich. Der Vertrag wurde auf die Dauer von 30 Jahren geschlossen.

Auf diesem Grundstück betrieb A aufgrund eines Tankstellen-Pachtvertrages und eines Tankstellenvertrages jeweils vom 1. September 1969 mit der D-GmbH eine Tankstelle, eine Reparaturwerkstatt sowie einen Handel mit Gebraucht- und Neufahrzeugen.

Durch notariellen Kaufvertrag vom 20. Dezember 1978 erwarb A das Grundstück von S und trat in die Verträge mit der D-GmbH ein.

Mit Schreiben vom 17. August 1982 kündigte die D-GmbH den Tankstellenvertrag und den Tankstellen-Pachtvertrag zum 31. Dezember 1982.

Als A am 16. Februar 1983 verstarb, führte seine Ehefrau und Alleinerbin (die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin - Antragstellerin -) den Betrieb (Fahrzeughandel und Reparaturwerkstatt) fort.

Durch Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der D-GmbH vom 29. April 1983/8. August 1983 wurden der Tankstellenmietvertrag und die Zusatzvereinbarungen dazu mit Wirkung vom 1. April 1983 in gegenseitigem Einvernehmen aufgehoben, weil die D-GmbH die weitere Aufrechterhaltung des Tankstellenbetriebes wirtschaftlich nicht mehr für vertretbar hielt. Als einmalige Entschädigung für die vorzeitige Aufhebung der Verträge zahlte die D-GmbH an die Antragstellerin einen Betrag von . . . DM zuzüglich . . . DM Umsatzsteuer.

Bei einer Außenprüfung hielt der Prüfer die Voraussetzungen eines Teilbetriebs i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht für gegeben. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1983 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und rechnete die Entschädigungszahlung von dem laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb zu.

Hiergegen erhob die Antragstellerin Einspruch. Gleichzeitig beantragte sie, die Vollziehung des geänderten Bescheids auszusetzen. In Höhe von 1 213 DM entsprach das FA diesem Antrag. Soweit sich der Antrag auf die Besteuerung der Entschädigungszahlungen mit einem ermäßigten Steuersatz bezog, lehnte das FA die Aussetzung ab.

Das Finanzgericht (FG) setzte auf Antrag der Antragstellerin die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1983, soweit dies nicht bereits durch das FA geschehen war, bis zur Bestandskraft des Bescheids aus.

Es führte aus, die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 1983 sei nicht deshalb zweifelhaft, weil das FA die Veräußerung oder Aufgabe eines Teilbetriebs verneint habe. Die Zweifel beruhten vielmehr darauf, daß der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 a EStG nicht angewendet worden sei. Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i. S. von § 24 Nr. 1 a EStG lägen nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zumindest dann vor, wenn der Steuerpflichtige unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt habe. Nicht entschieden habe der BFH bisher über Fälle, in denen der Steuerpflichtige nur durch geringen oder überhaupt keinen Zwang zu seinem Handeln veranlaßt worden sei. Die Einschränkung, daß der Steuerpflichtige bei Vereinbarung der Entschädigungsleistung unter erheblichem Druck gehandelt haben müsse, sei nach dem Wortlaut des § 24 Nr. 1 a EStG nicht geboten. Auch eine einverständliche und freiwillig vereinbarte Ersatzleistung könne sprachlich eine ,,Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen" sein. Diese Auslegung entspreche dem Zweck der Vorschrift, nach der Einnahmen mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden sollten, die wirtschaftlich zu einem erheblich längeren Zeitraum als dem des Veranlagungsjahres gehörten und bei denen deshalb die Anwendung des ungemilderten Einkommensteuertarifs zu Härten führen würde. Selbst wenn man dieser Rechtsauffassung nicht folge, sei die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 1983 zweifelhaft, weil sich die D-GmbH wahrscheinlich als starker Vertragspartner auch unter Anwendung von Druck aus dem für sie unwirtschaftlich gewordenen Vertragsverhältnis habe lösen wollen, wobei zu beachten sei, daß die Antragstellerin erst am 16. Februar 1983 als Alleinerbin ihres Ehemannes das Unternehmen übernommen habe.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde führt das FA aus:

Habe der Steuerpflichtige bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis selbst mitgewirkt, könne nach der Rechtsprechung des BFH eine Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 a EStG nur angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt habe. Im Streitfall habe die Mieterin (D-GmbH) der Grundstückseigentümerin (Antragstellerin) aber für die vorzeitige Aufhebung des langjährigen Mietvertrags eine der Mietverpflichtung fast gleichwertige Entschädigung geleistet. Die Antragstellerin habe bisher auch nicht erklärt, unter Zwang gehandelt zu haben. Außerdem widerspreche es der Lebenserfahrung, daß ein durch einen langjährigen Mietvertrag gebundener zahlungsfähiger Mieter auf den Vermieter Druck ausüben könne. Die Abstandszahlung könne folglich nicht als Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 a EStG beurteilt werden.

Das FA beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Der Beschluß des FG war aufzuheben. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung war abzulehnen.

1. Die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 1983 ist nicht deshalb zweifelhaft, weil das FA es unterlassen hat, den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 a EStG anzuwenden.

a) Nach diesen Vorschriften kommen als außerordentliche und daher nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigte Einkünfte Entschädigungen in Betracht, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen geleistet werden. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BFH eine Entschädigung auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige bei dem zum Einnahmeausfall führenden Ereignis mitgewirkt hat. Jedoch muß der Steuerpflichtige zumindest unter einem von einem anderen ausgeübten, nicht unerheblichen, tatsächlichen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Druck gehandelt haben (z. B. BFH-Urteile vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9; vom 27. Juli 1978 IV R 153/77, BFHE 126, 165, BStBl II 1979, 69). Entgegen der Auffassung des FG hat der BFH auch schon Fälle entschieden, in denen der Steuerpflichtige vertraglich gesicherte Positionen freiwillig gegen Zahlung einer Ablösesumme aufgegeben hat (BFHE 126, 165, BStBl II 1979, 69, sowie Urteile vom 26. Juli 1984 IV R 24/82, nicht veröffentlicht, und vom 5. Februar 1987 IV R 121/83, BFH/NV 1987, 571). In diesen Entscheidungen hat der BFH eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz abgelehnt, weil der Steuerpflichtige aus freier Entschließung auf seine Rechte verzichtet und dafür eine Entschädigung erhalten hatte.

b) Im Streitfall ist nicht erkennbar, daß die D-GmbH in irgendeiner Weise Druck auf die Antragstellerin ausgeübt hat. Das FG vermutet dies zwar, die Antragstellerin selbst hat dies jedoch weder vor dem FG noch im Beschwerdeverfahren vorgetragen.

2. Aus den von der Antragstellerin im Aussetzungsverfahren vor dem FG angegebenen Gründen bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 1983. Ein mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuernder Aufgabegewinn nach § 16 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 EStG liegt schon deshalb nicht vor, weil die D-GmbH den Betrag von . . . DM nicht für die Aufgabe des Tankstellenbetriebs gezahlt hat. Sie hat den Tankstellenvertrag sowie den Tankstellen-Pachtvertrag vielmehr fristgemäß zum Ende des Jahres 1982 gekündigt, ohne eine Entschädigungsleistung anzubieten. Die Zahlung von . . . DM gilt vielmehr die vorzeitige Auflösung des Tankstellenmietvertrages ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415988

BFH/NV 1990, 82

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