Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheids sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend.

2. Ist das Urteil des FG, mit dem ein Steuerbescheid aufgehoben wurde, mit der Revision angegriffen worden, ist im Abrechnungsbescheid die Steuerschuld noch zu berücksichtigen.

 

Normenkette

AO § 125; FGO § 44 Abs. 2

 

Tatbestand

In einer Mineralölsteuersache war der Steuerbescheid des HZA vom damaligen Verwaltungsgericht (VG) Berlin durch Urteil vom 25. Februar 1964 aufgehoben worden. Das HZA hatte Rechtsbeschwerde eingelegt. In dem auf Antrag des Klägers erteilten Abrechnungsbescheid vom 2. Mai 1967 führte das HZA neben der noch nicht bezahlten Mineralölsteuer weitere 76 DM Säumniszuschläge auf. Der Einspruch des Klägers hatte nur den Erfolg, daß das HZA den Abrechnungsbescheid hinsichtlich der Säumniszuschläge aufhob. Die Klage wurde vom FG abgewiesen.

Mit der Revision machte der Kläger geltend, daß der Sollbetrag in der Kontokarte auf Grund des Urteils des VG Berlin hätte geändert werden müssen, auch wenn dieses noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Für die Sollstellung fehle jede Rechtsgrundlage. Auch könne das HZA keine Vollstreckungshandlungen vornehmen, weil es über keinen Vollstreckungstitel verfüge. Das Urteil des VG sei jedenfalls vorläufig vollstreckbar und daher auch, solange es Bestandskraft habe, bei der Sollstellung und im Abrechnungsbescheid zu berücksichtigen. Im Steuerrecht werde durch die Einlegung eines Rechtsmittels die Wirkung der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt. Die Vollstreckung aus einer vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 151 FGO bedeute, daß das HZA bei Aufhebung des Steuerbescheides das Urteil des VG in der Weise befolge, daß es Steuerund Einspruchsbescheid als nicht existent behandele. Nach § 151 FGO in Verbindung mit §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO seien sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben, wenn durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil eine andere Entscheidung aufgehoben werde. Die Sollstellung in der Kasse erfolge auf Grund eines Vollstreckungstitels und sei auch als Vollstreckungsmaßnahme anzusehen, da die Zwangsvollstreckung auf Grund der Sollstellung erfolge. Durch den Abrechnungsbescheid sei der Kläger nicht nur in seiner Kreditwürdigkeit, sondern auch in der Erlangung öffentlicher Aufträge und einer Güterverkehrskonzession beeinträchtigt.

Nachdem das HZA den Mineralölsteuerbescheid aufgehoben hatte und die Zollkasse das Soll auf 0 DM gestellt hatte, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Der Kläger beantragt, die Kosten dem HZA gemäß § 138 Abs. 2 FGO aufzuerlegen.

Das HZA beantragt, bei der Kostenentscheidung den bisherigen Sach- und Streitstand zugrunde zu legen und zu berücksichtigen, daß der Kläger in der Abrechnungssache bisher unterlegen ist. Ein Fall des § 138 Abs. 2 FGO liege nicht vor, weil nicht der Abrechnungsbescheid, sondern der Steuerbescheid zurückgenommen worden sei, auf Grund dessen der Kläger ursprünglich zur Zahlung von Steuern verpflichtet gewesen sei. Die Sollstellung habe nur durch eine rechtskräftige Entscheidung gelöscht werden können. Im Abrechnungsverfahren müsse aber nicht festgestellt werden, ob eine Zahlungsverpflichtung überhaupt begründet gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger aufzuerlegen.

Ist der Rechtsstreit auf Grund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt, so ist nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß zu entscheiden (§ 138 Abs. 1 Halbsatz 1 FGO).

Die Vorschrift des § 138 Abs. 2 FGO, nach der die Kosten der Behörde aufzuerlegen sind, wenn die Erledigung durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes eingetreten ist, kann im Streitfall nicht zur Anwendung kommen, da nicht der angefochtene Abrechnungsbescheid, sondern der dem Abrechnungsbescheid zugrunde liegende Mineralölsteuerbescheid aufgehoben worden ist. Zwar hätte dies bei der Erteilung eines neuen Abrechnungsbescheides zur Folge, daß auch der Mineralölsteuerbetrag auf 0 DM gestellt werden müßte. Vom Kläger war jedoch nur der Abrechnungsbescheid vom 2. Mai 1967 angegriffen worden. Da dieser weder geändert noch zurückgenommen worden ist, muß über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes gemäß § 138 Abs. 1 FGO entschieden werden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreites im Falle seiner Nichterledigung zugrunde zu legen (siehe Entscheidung des BFH I B 56/67 vom 21. Februar 1968, BFH 91, 521, BStBl II 1968, 414).

Im Falle eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen einen Abrechnungsbescheid sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ergehens des Abrechnungsbescheides bzw. der Einspruchsentscheidung maßgebend. Denn Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat (§ 44 Abs. 2 FGO). Ob eine Zahlungsverpflichtung erloschen ist, kann das FA bei bestehenden Meinungsverschiedenheiten mit dem Steuerpflichtigen nur für einen ganz bestimmten Zeitpunkt entscheiden, so daß dieser Zeitpunkt auch den später ergehenden gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt werden muß (siehe Riewald in Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, § 125 Anm. 3 Abs. 4).

Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß der Erteilung des Abrechnungsbescheides der noch nicht rechtskräftige Abschluß der Entscheidung über die Entstehung der Steuerschuld nicht entgegensteht. Wird ein Abrechnungsbescheid in einem solchen Zeitpunkt beantragt, so darf die Behörde, welche auf Grund des ergangenen Steuerbescheides die Entstehung einer Steuerschuld behauptet, diese Behauptung auch bei der Erteilung des Abrechnungsbescheids für den Fall aufrechterhalten, daß das FG den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben hat. Ist gegen das Urteil des FG Revision eingelegt worden, so liegt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Bestehen der Steuerforderung ein Schwebezustand vor (siehe BFH-Entscheidung VII 142/59 U vom 20. Dezember 1961, BFH 74, 377, BStBl III 1962, 142). Von diesem Schwebezustand wird aber ein daneben laufendes Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Abrechnungsbescheid nicht berührt. Denn der Abrechnungsbescheid ist eine Entscheidung im Erhebungsverfahren, mit der über das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung, nicht aber über die Entstehung des Steueranspruchs zu befinden ist (§ 125 AO).

Entgegen der Meinung des Klägers ist das nicht rechtskräftige Urteil des FG auch nicht vorläufig vollstreckbar. Nach § 151 Abs. 3 FGO können Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen allenfalls wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Infolgedessen können auch nicht die vom Kläger angeführten Vorschriften der ZPO über die Wirkung vorläufig vollstreckbarer Urteile angewendet werden.

Da auch die Ausführungen des FG hinsichtlich einer Verjährung, die im übrigen von der Revision nicht angegriffen worden sind, rechtlich nicht zu beanstanden sind und in der Vorentscheidung dem Kläger zu Recht die Kosten auferlegt worden sind, ist es nur recht und billig, daß der Kläger auch die Kosten nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zu tragen hat (§ 138 Abs. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 69226

BStBl II 1971, 498

BFHE 1971, 7

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