1 Systematische Einordnung

Die Betriebsstätte dient im Rahmen der Unternehmenstätigkeit als wesentlicher Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht ("Beschränkte Steuerpflicht"). Im deutschen Recht enthält § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG eine entsprechende Regelung. Im Abkommensrecht sieht Art. 7 Abs. 1 OECD-MA vor, dass in einem Staat eine Besteuerung nur erfolgen darf, wenn dort eine Betriebsstätte unterhalten wird. Liegt eine solche nicht vor, scheidet ein Besteuerungsrecht aus. Der Betriebsstätte wird der ständige Vertreter ("Ständiger Vertreter") gleichgestellt. Unterhält ein deutsches Unternehmen im Ausland eine Betriebsstätte, führt dies zu ausländischen Einkünften nach § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG. Die unterschiedlichen Rechtskreise verwenden – mehr oder weniger – unterschiedliche Definitionen für die Betriebsstätte. In den letzten Jahren war eine starke Tendenz vieler Staaten festzustellen, den Betriebsstättenbegriff stark auszuweiten, sodass bereits geringe Kriterien für das Vorliegen einer Betriebsstätte genügen. Diese Tendenz wird durch den BEPS-Aktionsplan weiter verstärkt.

Systematisch ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Betriebsstätte vorliegen. Erst anschließend stellt sich die Frage, welche Einkünfte dem Stammhaus und welche der Betriebsstätte zuzuordnen sind ("Betriebsstätte (Gewinnzuordnung)").

2 Inhalt

2.1 Allgemeines

Unter dem einheitlichen Begriff Betriebsstätte werden unterschiedliche Vorstellungen und Tatbestände verstanden. Bei der Prüfung, ob eine Betriebsstätte vorliegt, ist grundsätzlich zwischen 3 unterschiedlichen Ebenen zu differenzieren. Dies ist zunächst das innerstaatliche deutsche Recht. § 12 AO enthält eine Definition der Betriebsstätte, wobei in den Anwendungsfällen der Zins- und Lizenzrichtlinie die Definition in § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c) EStG anzuwenden ist. Damit bestehen schon nach innerstaatlichem, deutschem Recht 2 Definitionen.[1] Hiervon unabhängig ist zu prüfen, ob die Vorgaben des ausl. Rechts für das Vorliegen einer Betriebsstätte erfüllt sind. Diese können von den Wertungen des deutschen Rechts – sei es aufgrund einer abweichenden gesetzlichen Regelung oder einer unterschiedlichen Auslegung durch die Rechtsprechung differieren. Auf einer dritten Ebene ist schließlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen, die nach Maßgabe der DBA an das Vorliegen einer Betriebsstätte gestellt werden, zutreffen. Hierbei kann es zu unterschiedlichen Qualifikationen kommen. Zugleich zeigt sich, dass mit dem vermeintlich einheitlichen Begriff der Betriebsstätte im Detail sehr unterschiedliche Ausgestaltungsformen und Besteuerungskonsequenzen verbunden sein können. Dies erschwert die praktische Handhabung.

Die Beurteilung als Betriebsstätte innerhalb eines Rechtskreises entfaltet keine Bindungswirkung für den bzw. die anderen Bereich(e). Hieraus entsteht zunächst die Notwendigkeit, eine isolierte Bestimmung des jeweiligen Betriebsstättenbegriffs vorzunehmen. Darauf aufbauend ist zu untersuchen, welche Konsequenzen sich aus möglicherweise unterschiedlichen Qualifikationen nach den jeweiligen Vorgaben ergeben. Liegt keine Betriebsstätte i. S. d. Definition des DBA vor, wird der ausländische Staat an einer Besteuerung der Einkünfte gehindert.

[1] Ursächlich hierfür ist, dass die Zins- und Lizenzrichtlinie in nationales Recht umzusetzen war und damit zwingend auch die darin enthaltene Definition der Betriebsstätte. Wenn der Gesetzgeber ein Auseinanderfallen der Betriebsstättenbegriffe hätte verhindern wollen, hätte er § 12 AO an die Vorgabe der Richtlinie anpassen können. Dies wurde aber offenbar als nicht sachgerecht angesehen.

2.2 § 12 AO

Obwohl die Betriebsstättendefinition des § 12 AO bereits sehr alt ist, geht der BFH davon aus, dass das Verhältnis zwischen dem Grundtatbestand in S. 1 und den in S. 2 aufgeführten Formen der Betriebsstätte noch nicht abschließend geklärt ist.[1] Allerdings müssen auch in den Fällen des S. 2 die Tatbestandsmerkmale des S. 1 erfüllt sein. So begründet z. B. eine Verkaufsstelle nach § 12 S. 2 Nr. 6 AO nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage i. S. v. § 12 S. 1 AO darstellt.[2] Hingegen führt nach dieser Entscheidung ein Verkaufsstand, den ein Unternehmen nur einmal im Jahr für 4 Wochen auf einem Weihnachtsmarkt unterhält, nicht zu einer Betriebsstätte. Außerdem setzt eine Betriebsstätte weder eine ausdrücklich vereinbarte noch auf einen bestimmten Arbeitsplatz bezogene Rechtsposition voraus.[3] Nach diesem Urteil ist es für das Vorliegen einer Betriebsstätte z. B. auch unschädlich, wenn der Unternehmer bzw. seine Arbeitnehmer die Betriebsstätte erst im Anschluss an personenbezogene Kontrollmaßnahmen erreichen können. Im vorliegenden Fall handelte es sich um Sicherheitsmaßnahmen auf militärischem Gelände. Hieraus folgt, dass die Verfügungsmacht über die Betriebsstätte nicht sonderlich ausgeprägt sein muss.

Ferner ist auf die sog. Pipeline-Entscheidung des BFH zu verweisen.[4] Hierbei handelt es sich um ein international sehr beachtetes Urteil, das sich mi...

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