Leitsatz

Die Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, ist eine freigebige Zuwendung des künftigen gesetzlichen Erben an den anderen und kann nicht als fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an diesen besteuert werden.

 

Normenkette

§ 3 Abs. 2 Nr. 4, § 7 Abs. 1 Nrn. 1 und 5, § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG, § 311b Abs. 5 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger verzichtete durch notariell beurkundeten Erbschaftsvertrag gegenüber seinen drei Brüdern für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge seiner Mutter (M) ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen eine von den Brüdern zu zahlende Abfindung von je 150.000 EUR. Das FA war der Ansicht, die Zahlung der Abfindungen an den Kläger sei als Schenkung der M an diesen zu besteuern, und setzte dementsprechend gegen den Kläger Schenkungsteuer fest. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG war der Meinung, die von den Brüdern an den Kläger gezahlten Abfindungen könnten nicht als Schenkung der M an den Kläger besteuert werden (FG Münster, Urteil vom 17.2.2011, 3 K 4815/08 Erb, Haufe-Index 2667867, EFG 2011, 1267).

 

Entscheidung

Das sah auch der BFH so und hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen. Die von den Brüdern gezahlten Abfindungen seien als drei getrennt zu besteuernde freigebige Zuwendungen der Brüder als den Kläger zu behandeln. Die dabei im Einzelnen anzuwendenden Besteuerungsgrundsätze konnte der BFH offenlassen.

 

Hinweis

1. Mit einem sog. Erbschaftsvertrag (§ 312 Abs. 5 BGB) können künftige gesetzliche Erben – nur diese können einen Erbschaftsvertrag schließen – eine Vereinbarung über den gesetzlichen Erbteil oder Pflichtteil am Nachlass eines noch lebenden Dritten treffen. Der Vertrag soll – zumeist gegen entsprechende Ausgleichsleistungen – eine vorgezogene Auseinandersetzung der gesetzlichen Erben herbeiführen.

2. Verzichtet ein künftiger gesetzlicher Erbe in einem Erbschaftsvertrag gegen Zahlung eines Geldbetrags auf künftige Pflichtteilsansprüche, ist die Zahlung schenkungsteuerlich als freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zu behandeln. Die aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen Erben geleistete Zahlung ist deshalb freigebig, weil dem auf sein Pflichtteilsrecht Verzichtenden bei Abschluss des Erbschaftsvertrags (noch) gar kein entsprechender Pflichtteilsanspruch zusteht und es sich für ihn insoweit um eine schenkungsteuerrechtlich irrelevante Erwerbschance handelt. Dies hat der BFH bereits mit Urteil vom 25.1.2001, II R 22/98, BFH/NV 2001, 705, BStBl II 2001, 456 entschieden.

In dieser Entscheidung hat der BFH ferner klargestellt, dass sich – trotz der in einem Erbschaftsvertrag vereinbarten Zuwendung zwischen gesetzlichen Erben – die Steuerklasse nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (d.h. des auf das Pflichtteil Verzichtenden) zum künftigen Erblasser bestimmt. Der künftige gesetzliche Erbe kann die von ihm gezahlte Abfindung beim Eintritt des Erbfalls als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG) vom Erwerb abziehen.

3. Da die Zahlung der Abfindung aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen Erben erfolgt, kann auch nur eine freigebige Zuwendung von diesem an den Empfänger der Abfindung vorliegen. Wie der BFH nunmehr klargestellt hat, kann die Abfindungszahlung nicht als fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers behandelt werden. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

4. In der Praxis wird sich der Erbschaftskauf schon wegen der für Abfindungszahlungen anzuwendenden – zumeist – günstigen Steuerklasse als steuergünstige Gestaltung erweisen. Gewisse Detailfragen der Besteuerung des Zuwendungsempfängers, so etwa hinsichtlich der Freibetragsregelungen sowie der Behandlung etwaiger Vorschenkungen, sind allerdings noch nicht abschließend geklärt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.5.2013 – II R 21/11

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