Leitsatz

1. Wird ein Steuerbescheid mit dem Einspruch angefochten, so wird hierdurch seine Vollziehung grundsätzlich nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung der Abgaben nicht aufgehalten (§ 361 Abs. 1 Satz 1 AO 1977).

2. Auf Antrag kann jedoch das FA bzw. das FG nach § 361 Abs. 5 AO i.V.m. § 69 Abs. 3 FGO unter bestimmten, im Gesetz näher bezeichneten Voraussetzungen – insbesondere bei ernstlichen Zweifeln an seiner Rechtmäßigkeit – die Vollziehung des Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen.

3. Die Aussetzung der Vollziehung (vgl. auch Gruppe 4/47: "Aussetzung der Vollziehung") ist jedoch durch § 361 Abs. 2 Satz 4 AO und §69 Abs. 2 Satz 8 FGO i. d. F. des Jahressteuergesetzes 1997 auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge – wie z. B. die Lohnsteuer oder die Kapitalertragsteuer -, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt.

4. Eine einstweilige Erstattung dieser vorstehenden Minderungsbeträge kann nur erreicht werden, wenn die Aussetzung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

5. Diese Einschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes ist mit dem verfassungsrechtlichen Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) vereinbar.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 02.11.1999, I B 49/99

Anmerkung:

Nachdem der Große Senat des BFH zuvor noch die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer auch in Höhe einbehaltener Steuerabzugsbeträge für zulässig erachtet hatte, hat der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 1997 die Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich auf Abschlusszahlungen beschränkt.

Dies ist vorwiegend aus fiskalischen Gründen und zwecks Arbeitserleichterung der Finanzämter geschehen. Einbehaltene Beträge und Vorauszahlungen können im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nur sehr erschwert zur Abwendung wesentlicher Nachteile – wie z. B. einer Existenzbedrohung – vorläufig erstattet werden. Dem Bürger bleibt nur der schwache Trost, im Falle seines Obsiegens Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge ab Rechtshängigkeit beim FG nach § 236 AO 1977 verlangen zu können.

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