Leitsatz

Die Lebensführung des Steuerpflichtigen am Beschäftigungsort ist einkommensteuerrechtlich grundsätzlich unerheblich. Die doppelte Haushaltsführung ist deshalb auch dann beruflich veranlasst, wenn der Steuerpflichtige den Zweithaushalt am Beschäftigungsort in einer Wohngemeinschaft einrichtet. Erst wenn sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen an den Beschäftigungsort verlagert und die Wohnung dort zum Ort der eigentlichen Haushaltsführung wird, entfällt deren berufliche Veranlassung als Wohnung am Beschäftigungsort.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG

 

Sachverhalt

K, zusammenveranlagte, seit 2009 allerdings geschiedene Eheleute, wohnten in den Streitjahren 2001 – 2003 mit ihren gemeinsamen Kindern und deren Großeltern in F. Sie machten eine doppelte Haushaltsführung für den im 120 km entfernt in D gelegenen Arbeitsplatz des Herrn K bei der P GmbH geltend. Er wohnte dort in einer Dreizimmerwohnung gemeinsam mit einer Arbeitskollegin, Frau E, mit der er freundschaftlich verbunden war; Frau E wohnte dort mit ihren beiden Kindern. Teilweise hat Herr K die Miete ganz getragen, teilweise hatte Frau E sich daran beteiligt. Im Juli 2001 bezogen Herr K und Frau E ein jeweils zur Hälfte erworbenes Haus in ländlicher Umgebung 24 km von D entfernt. Das FA berücksichtigte die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht. Das FG wies die Klage ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.11.2010, 5 K 1285/07, Haufe-Index 2689916, EFG 2011, 1968), weil eine nicht untergeordnete private Mitveranlassung sowohl für die Anmietung der Wohnung als auch den Kauf der Immobilie gegeben sei.

 

Entscheidung

Der BFH hob aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Hinweis

Der Besprechungsfall betrifft die Abgrenzung zwischen beruflich veranlasster doppelter Haushaltsführung einerseits und privat veranlasstem Zweitwohnsitz andererseits.

1. Der BFH entnimmt aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG, dass die Errichtung des Zweithaushalts am Beschäftigungsort schon dann beruflich veranlasst ist, wenn der Arbeitnehmer den Zweithaushalt begründet, um von dort aus seinen Arbeitsplatz schnell und unmittelbar aufsuchen zu können. Ob der Arbeitnehmer diesen Zweithaushalt allein führt oder wohngemeinschaftsähnlich zusammen mit Freunden oder Arbeitskollegen ist unerheblich. Motivforschung ist insoweit nicht zu betreiben. Deshalb ist der Zweithaushalt unabhängig davon beruflich veranlasst, ob eine Wohngemeinschaft reine Zweckgemeinschaft bleibt oder persönliche, freundschaftliche oder auch darüber hinaus gehende Beziehungen zwischen den Mitbewohnern be- oder entstehen. Die Finanzämter werden insoweit also auch künftig keine Details zum Lebenswandel am Beschäftigungsort abfragen müssen. Die Lebensführung des Steuerpflichtigen am Beschäftigungsort bleibt grundsätzlich unerheblich. Beachten Sie aber: Dies gilt nur, solange – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur doppelten Haushaltsführung – der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht an den Beschäftigungsort verlagert und die Wohnung dort nicht zum eigentlichen Lebensmittelpunkt wird. Der BFH erinnert daran, dass Wohnen – auch das am Beschäftigungsort – ohnehin (natürlich) immer auch privat ist. Dies gilt für die Grundentscheidung doppelte Haushaltsführung statt Pendeln, aber auch für die (Aus‐)Wahl der Wohnung am Beschäftigungsort hinsichtlich Lage, Zuschnitt und Ausstattung. Deshalb sind Fahrtkosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG) und Unterkunftskosten am Beschäftigungsort auf den notwendigen Mehraufwand beschränkt.

2. K hatten zwar vorgebracht, am Familienwohnsitz in F gewohnt und dort den Haupthausstand unterhalten und die Wohnungen in D und in K als solche am Beschäftigungsort i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG genutzt zu haben. Sie erläuterten dies damit, dass Herr K von dort aus seine Arbeitsstätte in D schnell und unmittelbar hatte aufsuchen können, statt von seinem 120 km entfernt gelegenen Haupthausstand in F täglich nach D pendeln zu müssen. Ausdrücklich festgestellt war dies aber ebenso wenig wie ihre Kosten (höchstens für 60 qm Wohnung, vgl. BFH, Urteil vom 9.8.2007, VI R 10/06, Haufe-Index 1785652, BFH/NV 2007, 1996, BFH/PR 2007, 422). Deshalb verwies der BFH zurück.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.3.2012 – VI R 25/11

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