Leitsatz

Ist der pflegebedürftige Sohn aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse in der Lage, die Pflege selber zu organisieren, kann für die pflegenden Eltern der Ansatz des Pflegefreibetrags nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG in Betracht kommen. Die Höhe richtet sich nach allgemeinen Pflegesätzen.

 

Sachverhalt

Der Kläger und seine Ehefrau pflegten den durch einen Unfall schwer verletzten Sohn sowohl während Krankenhausaufenthalten sowie auch nach Entlassung aus dem Krankenhaus in der eigenen Wohnung. Unfallbedingt war der Sohn zuerst in die Pflegeklasse II und später in die Pflegeklasse III eingestuft worden, ein ambulanter Pflegedienst übernahm zeitanteilig die Pflege des Sohnes.

Nachdem der Sohn verstorben war, beantragte der Kläger im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung den Pflegefreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG in Höhe von 20.000 EUR. Das Finanzamt wies dies zurück, da der Freibetrag nur Erwerbern zustehen würde, die nicht gesetzlich zur Leistung von Pflege oder Unterhalt verpflichtet seien. Eltern seien jedoch nach § 1601 BGB zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet. Auf die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten komme es nicht an. Die Klage richtete sich gegen die Versagung des Pflegefreibetrags.

 

Entscheidung

Das Gericht hat der Klage teilweise stattgegeben.

Grundsätzlich stellte das Finanzgericht fest, das es sich bei § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nach der Rechtsprechung (BFH, Urteil v. 28.6.1995, II R 80/94, BStBl 1995 II S. 784) um einen Freibetrag handelt und nicht - trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts - um eine Freigrenze. Allerdings handelt es sich auch nicht um einen Pauschbetrag. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut, wonach ein Erwerb "bis zu" 20.000 EUR steuerfrei bleibt.

Damit kann nicht automatisch der Pflegefreibetrag von 20.000 EUR angesetzt werden, wenn eine Pflegeleistung ausgeführt worden ist. Bei Pflegeleistungen geringeren Umfangs ist deshalb auch nur ein geringerer Freibetrag entsprechend dem Wert der erbrachten Pflegeleistung anzusetzen. Der Steuerpflichtige hat infolgedessen nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen den Umfang und den Wert der von ihm erbrachten Pflegeleistungen nachzuweisen.

Ein Ansatz des Pflegfreibetrags kommt nach Auffassung des Gerichts nur für die Zeit der häuslichen Pflege in Betracht. Soweit die Eltern auch während des Krankenhausaufenthalts durch Besuche zur Pflege und Gesundheit des Sohnes beitragen wollten, kommt eine Berücksichtigung nicht in Betracht. Pflegeleistungen setzen die körperliche Pflege des Kranken voraus, diese Leistungen sind während des Krankenhausaufenthalts durch das dortige Pflegepersonal erbracht worden.

Bei der Höhe des zu berücksichtigenden Pflegefreibetrags orientiert sich das Gericht an den Pflegesätzen bei häuslicher Pflege für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Entsprechend der Tage der häuslichen Pflege (hier 266 Tage) kam das Gericht für den Kläger auf einen anteiligen Pflegefreibetrag von 8.387 EUR. Wegen des Umfangs der Pflege wurde eine Kürzung der Tagessätze trotz der gleichzeitigen Versorgung durch einen Pflegedienst nicht vorgenommen.

Ohne Bedeutung ist es, dass der Kläger als Vater des Erblassers zum Kreis der gem. § 1601 BGB gesetzlich Unterhaltsverpflichteten gehört. Zwar kann der Ansatz eines Freibetrags dann nicht in Betracht kommen, wenn der Steuerpflichtige im konkreten Fall kraft Gesetzes verpflichtet ist, Unterhalts- bzw. Pflegeleistungen zu erbringen bzw. die Kosten dafür zu übernehmen, der verstorbene Sohn wäre aber angesichts seines nicht unerheblichen Vermögens durchaus in der Lage gewesen, die Kosten der Beauftragung eines Pflegedienstes zu tragen; vor diesem Hintergrund war der Kläger nicht verpflichtet gewesen, seinen Sohn im Hause zu pflegen.

 

Hinweis

Das Finanzgericht hat Revision gegen das Urteil zugelassen, da es noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, wie sich die Höhe des Pflegefreibetrags nach § 13 Abs.1 Nr. 9 ErbStG berechnet (Revision unter II R 22/12 beim BFH anhängig).

Wäre der Sohn aufgrund seiner Situation nicht in der Lage gewesen, seine Pflege selber zu finanzieren, wäre nach Auffassung des Gerichts die Berücksichtigung des Pflegefreibetrags nicht in Frage gekommen. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG soll ein freiwilliges finanzielles und/oder ideelles Opfer honorieren, dass der Erbe zugunsten des Erblassers erbracht hat. Ein solches Opfer erbringt nicht, wer ohnehin schon kraft Gesetzes verpflichtet ist, für die Kosten der Pflege aufzukommen.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.04.2012, 3 K 229/11

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