Rz. 1

§ 252 Abs. 1 HGB enthält die folgenden expliziten Bewertungsgrundsätze bzw. -prinzipien:

  • Grundsatz der Bilanzidentität, Nr. 1 (Rz 23 ff.)
  • Grundsatz der Unternehmensfortführung, Nr. 2 (Rz 34 ff.)
  • Grundsatz der Einzelbewertung und Stichtagsprinzip, Nr. 3 (Rz 60 ff.)
  • Vorsichtsprinzip, Nr. 4 1. Halbsatz (Rz 97 ff.)
  • Imparitätsprinzip, Nr. 4 1. Halbsatz (Rz 102 ff.)
  • Realisationsprinzip, Nr. 4 2. Halbsatz (Rz 109 ff.)
  • Grundsatz der Pagatorik und Periodenabgrenzung, Nr. 5 (Rz 134 ff.)
  • Grundsatz der Bewertungsstetigkeit, Nr. 6 (Rz 141 ff.)
 

Rz. 2

§ 252 Abs. 2 HGB beinhaltet darüber hinaus Vorschriften bzgl. einer Abweichung von den Bewertungsgrundsätzen bzw. -prinzipien in begründeten Ausnahmefällen (Rz 155 ff.).

 

Rz. 3

Neben den explizit aufgeführten allgemeinen Bewertungsgrundsätzen enthält § 252 HGB weitere implizite Bewertungsgrundsätze, die sich einerseits aus der nicht abschließenden Aufzählung des Abs. 1 ("insbesondere") und andererseits aus der Ausnahmeregelung des Abs. 2 ergeben.[1] Aus § 252 HGB folgt zunächst keine Pflicht zur Anwendung der nicht explizit geregelten Grundsätze i. R. d. Jahresabschlusserstellung. Da es sich bei den in Abs. 1 normierten Grundsätzen aber um kodifizierte Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (zum Begriff und der Rechtsnatur der GoB s. § 243 Rz 3 ff.) handelt, ergibt sich die Vorgabe zu deren Beachtung aus § 243 Abs. 1 HGB, die jeden Kfm. zur Aufstellung seines Jahresabschlusses nach den GoB verpflichtet (§ 243 Rz 1 ff.).

 

Rz. 4

Die in den Nr. 1–6 normierten Grundsätze sind ihrem GoB-Charakter geschuldet entsprechend als ergänzende und konkretisierende Generalklauseln zu verstehen, die insb. dann greifen, wenn Sachverhalte in den Einzelvorschriften nicht oder nur unzureichend geregelt sind[2], was sich etwa infolge der Markteinführung neuer Finanzprodukte ergeben kann. Auch hier greift der gültige Rechtsgrundsatz "lex specialis derogat legi generali".

 

Rz. 5

Die Vorschriften wirken sich mitunter auf den handelsrechtlichen Ansatz aus. Als Grundsätze mit ansatzrelevantem Charakter sind dabei der Grundsatz der Periodenabgrenzung (Nr. 5), das Imparitätsprinzip (Nr. 4 1. Halbsatz) sowie das Realisationsprinzip zu verstehen.[3] Darüber hinaus ergeben sich infolge des Maßgeblichkeitsprinzips gem. § 5 Abs. 1 EStG direkte Auswirkungen auf die steuerrechtliche Abbildung, solange der Anwendung dieser Grundsätze keine einschränkenden steuerrechtlichen Regelungen gegenüberstehen. Gleichzeitig sind die Regelungen des § 252 HGB häufig Gegenstand der steuerrechtlichen Rechtsprechung, was zu GoB-setzenden bzw. -konkretisierenden Auswirkungen führt.

 

Rz. 6

Die Grundsätze sind von Gleichrangigkeit gekennzeichnet, sodass ihre Anwendung unabhängig von der Anwendung der jeweils anderen Prinzipien erfolgt[4], was sich bereits daraus ergibt, dass den GoB Vorrang- oder Nachrangverhältnisse grds. nicht inhärent sind.[5] Dies bleibt auch von der Klassifizierung der Grundsätze der Unternehmensfortführung, Einzelbewertung und Pagatorik als Systemgrundsätze unberührt.

Wenngleich in der Praxis eher selten vorzufinden, kann sich daraus ein Anwendungsdilemma ergeben, wenn sich zwei Grundsätze in einem konkreten Fall entgegenstehen, d. h. die Anwendung eines Grundsatzes zwangsläufig zur Missachtung eines anderen führt. Abhilfe kann in einem solchen Fall einzig die Regelung des Abs. 2 schaffen, die eine Abweichung eben in begründeten Ausnahmefällen gestattet, wobei ein solcher in dieser Situation wohl stets vorliegen dürfte.

[1] Vgl. Störk/Büssow, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 1.
[2] Vgl. Ballwieser, in Schmidt, MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 252 HGB Rn 2.
[3] Vgl. Baetge/Ziesemer/Schmidt, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 252 HGB Rz 3, Stand: 10/2011.
[4] Vgl. Störk/Büssow, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 252 HGB Rz 2; ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 252 HGB Rz 6.
[5] So etwa auch Baetge/Ziesemer/Schmidt, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 252 HGB Rz 5, Stand: 10/2011.

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