Leitsatz

1. Bei einer durch Unterlassen der Anzeige begangenen Hinterziehung von Schenkungsteuer beginnt der Lauf der Hinterziehungszinsen zu dem Zeitpunkt, zu dem das FA bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte.

2. Der Zeitpunkt für den Beginn des Zinslaufs kann unter Berücksichtigung der beim zuständigen FA durchschnittlich erforderlichen Zeit für die Bearbeitung eingegangener Schenkungsteuererklärungen bestimmt werden.

 

Normenkette

§ 235 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, Abs. 7 ErbStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erhielt von ihrer Mutter schenkweise zum Stichtag 17.4.2007 bzw. 19.12.2007 Kontogut­haben bei Schweizer Banken und am 17.7.2008 ein schweizerisches Grundstück. Dies teilte sie dem FA erst im März 2010 in Form einer steuerbefreienden Selbstanzeige mit. Am 11.4.2013 erließ das FA ge­genüber der Klägerin für die Schenkungen vom 19.12.2007 und vom 17.7.2008 jeweils unter Berücksichtigung der Vorschenkungen zwei Schenkungsteuerbescheide.

Das FA setzte für diese Schenkungen Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO fest. Den Zinslauf berechnete es mit während des finanzgerichtlichen Verfahrens ergangenen Änderungsbescheiden für die Schenkung vom 19.12.2007 ab 20.11.2008 und für die Schenkung vom 17.7.2008 ab 18.6.2009. Dabei ging es von einer Anzeigefrist nach § 30 Abs. 1 ErbStG von drei Monaten sowie einer auf acht Monate aufgerundeten Bearbeitungszeit aus.

Das FG kam zu dem Ergebnis, dass der Zinslauf einen weiteren Monat später beginne und die Klage im Übrigen unbegründet sei (FG Münster, Urteil vom 24.11.2016, 3 K 1627/15 Erb, Haufe-Index 10395980, EFG 2017, 628).

Das FA setzte das Urteil des FG mit geänderten Zinsbescheiden um (Zinslaufbeginn für die Schenkung vom 19.12.2007 am 20.12.2008 und für die Schenkung vom 17.7.2008 am 18.7.2009). Später fügte es noch einen Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat hinzu.

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Nach Ansicht des BFH ist das FG rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Zinslauf jedenfalls nicht später als zwölf Monate nach der jeweiligen Schenkung begonnen hat.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit dem Beginn des Laufs der Hinterziehungszinsen, wenn bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) kein Steuerbescheid ergeht.

1. Der Lauf der Hinterziehungszinsen (§ 235 Abs. 1 Satz 1 AO) beginnt grundsätzlich u.a. mit dem Eintritt der Verkürzung (§ 235 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 AO), also mit der Tatvollendung.

a) Bei kontinuierlich abschnittsweise zu veranlagenden Steuern wie der Einkommensteuer ist die Tat (§ 370 AO) erst vollendet und mithin die Steuer verkürzt, wenn das zuständige FA die Veranlagungsarbeiten für den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung auch der unterlassende Täter spätestens veranlagt worden wäre.

b) Für den Eintritt der Steuerverkürzung ist bei der Schenkungsteuer als stichtagsbezogener Steuerder Zeitpunkt maßgebend, zu dem das FA bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte. Wann dies der Fall ist, ist eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Tatfrage. Dabei sind die Anzeigefrist beim FA gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG von drei Monaten, eine – nach § 31 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 7 ErbStG mindestens vom FA zu gewährende – Erklärungsfrist von einem Monat und die beim zuständigen FA durchschnittlich erforderliche Zeit für die Bearbeitung eingegangener Schenkungsteuererklärungen zu berücksichtigen.

Auf die tatsächliche Dauer der Festsetzung der hinterzogenen Schenkungsteuer kann nicht abgestellt werden, insbesondere wenn diese – wie im Streitfall – durch steuerstrafrechtliche Untersuchungen oder andere hinterziehungsbedingte Umstände beeinflusst ist. Maßgebend für den Beginn des Zinslaufs ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem nach Überzeugung des Tatsachengerichts bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Schenkungsteuer gegen den unterlassenden Täter festgesetzt worden wäre. Bestehen hinsichtlich des Zeitpunkts der Tatvollendung keine Zweifel, ist für die Anwendung des Grundsatzes "im Zweifel für den Angeklagten" kein Raum.

2. Hinterzogene Steuern sind auch bei einer steuerbefreienden Selbstanzeige zu verzinsen. Die wirksame Selbstanzeige beseitigt als persönlicher Strafaufhebungsgrund nur die Straf- und damit Verfolgbarkeit der Tat. Hinterziehungszinsen stellen keine Strafe dar.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.08.2019, II R 7/17

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