Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterstützungskasse und Betriebsnachfolge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird eine Unterstützungskasse aus Anlaß einer Betriebsübernahme von dem Betriebserwerber übernommen, so muß die Unterstützungskasse die Versorgungsansprüche der bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer weitererfüllen. Der Betriebsveräußerer bleibt verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Unterstützungskasse ihre Leistungen erbringen kann.

2. Wird über das Vermögen des Betriebserwerbers und späteren Trägers der Unterstützungskasse das Insolvenzverfahren eröffnet, so braucht der Pensions-Sicherungs-Verein keinen Insolvenzschutz für die Ansprüche derjenigen Arbeitnehmer zu übernehmen, die noch Sicherstellungsansprüche gegen den Veräußerer haben.

 

Normenkette

BGB §§ 414-415; BetrAVG § 1; BGB § 613a; BetrAVG § 7 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 13.11.1987; Aktenzeichen 9 Sa 815/87)

ArbG Köln (Entscheidung vom 07.04.1987; Aktenzeichen 17 Ca 4067/87)

 

Tatbestand

Die Streithelferin des Klägers beansprucht vom Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung (PSV) für den Kläger, ihren früheren Arbeitnehmer, ein betriebliches Altersruhegeld, weil ihre Betriebsnachfolgerin insolvent geworden ist und der Unterstützungskasse, der der Kläger angehört hatte, keine Zuwendungen mehr macht.

Der am 4. Juli 1910 geborene Kläger war vom 3. Oktober 1945 bis zum 15. Oktober 1963 als Schlosser im Polstereifertigungsbetrieb der R. H & Co. GmbH in F beschäftigt. Seit November 1963 bezog er eine monatliche Invalidenrente von deren in das Vereinsregister beim Amtsgericht Augsburg eingetragenen Unterstützungswerk.

Mit Schreiben vom 15. Juli 1970 kündigte der Geschäftsführer M B der R. H & Co. GmbH folgende Änderung an:

"An unsere Mitarbeiter]

Um die Möglichkeiten des neuen Umwandlungsgesetzes

nutzen zu können, habe ich mich entschlossen, mein

Unternehmen umzuformen. Das bedingt die Gründung einer

neuen Firma, die den Namen

S GmbH

tragen wird. Unter dieser Firmenbezeichnung wird der

derzeitige Betrieb samt seiner Fertigung voll weiter-

laufen, was zur Folge hat, daß Sie von dieser Änderung

weiter nicht betroffen werden, d. h. Sie werden von

der neuen Firma zu den gleichen Bedingungen und ohne

Einbuße der bisherigen Vorteile, wie Betriebszuge-

hörigkeit, Versorgung aus der Unterstützungskasse

usw., übernommen.

Diese Änderung gilt für das

Werk D ab 1. August 1970

Für die übrigen Betriebe samt den Außenstellen M

, Me , H

ab 1. September 1970"

Durch Gesellschaftsvertrag vom 12. August 1970 wurde die S GmbH - nachstehend S-GmbH - gegründet. Diese Gesellschaft pachtete mit Vertrag vom 30. September 1970 von der R. H & Co. GmbH mit Wirkung ab dem 1. September 1970 deren gesamten Betrieb zur Herstellung von Polstermöbeln und Matratzen. In § 4 dieses Vertrages heißt es u.a.:

" ...

2) Weiterhin übernimmt die Pächterin von der Verpächterin

folgende Schulden:

1. ...

2. Versorgungszusagen (Anwartschaften) an die

Betriebsangehörigen:

H K

A B

J B

A W

und die laufenden Renten für:

A W , Witwe

L S

zum Buchwert 1.9.1970.

3. ...

4. Das Darlehen des Unterstützungswerks R. H & Co.

GmbH e.V. zum Buchwert 1.9.1970."

Die R. H & Co. GmbH wurde in die R. H & Co KG umgewandelt und über die R. H GmbH & Co. KG in die R. H GmbH & Co. KG Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft, die Streithelferin, geändert.

Das Unterstützungswerk der vormaligen R. H & Co. GmbH wurde von der S-GmbH übernommen. In deren Satzung heißt es:

" § 1

Der Verein führt den Namen "Unterstützungswerk der

S GmbH e.V." Sitz Augsburg.

Der Verein ist erstmalig am 26.8.1943 in das Vereins-

register beim Amtsgericht Augsburg eingetragen. Die

Vereinssatzung in der Fassung vom 12.7.1943 wird wie

nachfolgend geändert und gleichzeitig neu gefaßt.

...

§ 2

Ausschließlicher Zweck des Unterstützungswerkes ist

die f r e i w i l l i g e , einmalige, wiederholte

oder laufende Unterstützung von Betriebsangehörigen

und ehemaligen Betriebsangehörigen der Firma S

GmbH, sowie deren Angehörige bei Hilfsbe-

dürftigkeit, Berufsunfähigkeit und im Alter.

..."

Die Unterstützungskasse der S-GmbH zahlte zunächst die Rente des Klägers weiter. Diese wurde in den Jahren 1975 und 1978 um insgesamt 54,-- DM pro Monat erhöht. Im Februar 1985 wurden die Rentenzahlungen an den Kläger eingestellt. Am 30. April 1985 wurde über das Vermögen der S-GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Der beklagte PSV lehnte die Insolvenzsicherung der Versorgungsansprüche ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der beklagte PSV sei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG aufgrund der Insolvenz der S-GmbH einstandspflichtig. Diese sei durch die Übernahme der Rentenzahlungen seitens ihrer Unterstützungskasse zum Trägerunternehmen geworden.

Nach Auffassung der Streithelferin hat die S-GmbH die Versorgungsschuld übernommen. Deren Leistungen habe der Kläger jahrelang widerspruchslos entgegengenommen. Darin liege seine nach § 415 BGB erforderliche Zustimmung zur Schuldübernahme. Da die Schuldübernahme schon vor Inkrafttreten des BetrAVG erfolgt sei, habe der beklagte PSV ihr nicht zustimmen müssen. Jedenfalls aber liege ein Schuldbeitritt der S-GmbH vor, die zudem jahrelang Beiträge nach § 10 BetrAVG geleistet habe. Der Beklagte schulde mithin die rückständigen Beträge für die Zeit vom März 1985 bis Februar 1986 in Höhe von 12 x 54,-- DM = 648,-- DM und fortlaufend ab Februar 1985.

Der Kläger und die Streithelferin haben beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger

648,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem

20. Februar 1986 zu zahlen und

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet

ist, dem Kläger ab Februar 1985 die Versor-

gungsbezüge zu gewähren, die die für den

Kläger zuständige Unterstützungskasse zu er-

bringen hätte, wenn das Konkursverfahren nicht

eröffnet worden wäre.

Der beklagte PSV hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach seiner Auffassung haftet die Streithelferin auch weiterhin. Die S-GmbH sei zu keinem Zeitpunkt Arbeitgeberin des Klägers gewesen. Nur deren Insolvenz löse die Einstandspflicht des Beklagten aus. Der Kläger habe auch zu keinem Zeitpunkt die nach § 415 BGB erforderliche Genehmigung zur Schuldübernahme erteilt; diese liege nicht bereits in der bloßen Entgegennahme von Zahlungen der S-GmbH.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Streithelferin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren zugelassene Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Streithelferin ist nicht begründet. Der Kläger kann sich nicht an den PSV halten. Die Streithelferin, die frühere Arbeitgeberin des Klägers, muß die Betriebsrente selbst zahlen.

I. Der beklagte PSV braucht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG Insolvenzschutz nur zu gewähren, wenn ein Versorgungsempfänger Versorgungsansprüche gegen eine betriebliche Unterstützungskasse hat und diese keine Leistungen mehr erbringt, weil über das Vermögen des Trägerunternehmens das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

1. Die Rechtsvorgängerin der Streithelferin des Klägers hat dem Kläger zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt betriebliche Altersversorgung durch ihre Unterstützungskasse zugesagt. Durch diese Versorgungszusage erwarb der Kläger unter dem Vorbehalt des Widerrufs Versorgungsansprüche gegen die Unterstützungskasse.

An diesem Versorgungsanspruch hat sich nicht deswegen etwas geändert, weil nach der Unternehmensaufspaltung der R. H & Co. GmbH die Unterstützungskasse durch die S GmbH übernommen wurde. Die "Übernahme" ist dadurch vollzogen worden, daß die S GmbH in den Unterstützungsverein eingetreten ist und die Darlehensschuld der Streithelferin übernommen hat. Dadurch schied der Kläger aber nicht aus dem Kreis der Begünstigten dieser Unterstützungskasse aus. Nichts anderes ergibt sich daraus, daß im Zuge der Übernahme der Versorgungszweck des inzwischen umbenannten Vereins auf die Versorgung der Angehörigen der S GmbH geändert wurde. Dies ist nur für die Neubegründung von Versorgungsverbindlichkeiten von Bedeutung, nicht aber für bereits bestehende Versorgungsverbindlichkeiten. Wenn der Unterstützungsverein in der Folgezeit die Versorgungsansprüche des Klägers nach § 16 BetrAVG angepaßt hat, genügte er damit nur seinen Versorgungsverbindlichkeiten (vgl. Schaub, Die Versorgung der Unterstützungskassen bei Betriebsnachfolge, NZA 1987, 1, 2).

2. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß der Arbeitgeber für die Leistungen seiner Unterstützungskasse einstehen muß, wenn diese die Ansprüche aus finanziellen Gründen nicht befriedigen kann (BAGE 22, 189, 195 = AP Nr. 1 zu § 242 BGB Ruhegehalt - Unterstützungskassen, zu 3 der Gründe; BAGE 25, 194, 201 = AP Nr. 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt - Unterstützungskassen, zu B II 3 a der Gründe; BAG Urteil vom 15. März 1979 - 3 AZR 859/77 - AP Nr. 15 zu § 613 a BGB, zu 2 c der Gründe).

a) Die Streithelferin bzw. deren Rechtsvorgängerin waren vom 3. Oktober 1945 bis zum 15. Oktober 1963 Arbeitgeber des Klägers. Sie waren damit der zuständige Arbeitgeber. Sie hatten Vorsorge zu treffen, daß die Unterstützungskasse auf Dauer in der Lage war, die seit dem Jahre 1963 fällig gewordenen Versorgungsansprüche zu erfüllen.

b) Von dieser Versorgungsverpflichtung wurde die Streithelferin nicht frei, als sie im Jahre 1970 ihre eigene Fertigung einstellte, diese im Wege der Unternehmensaufspaltung an die S GmbH verpachtete und sich darauf beschränkte, ihr Grund- und Sachvermögen zu verwalten. Sie war und blieb Arbeitgeberin und Trägerin der zur Zahlung verpflichteten Unterstützungskasse in dem hier angegebenen Zeitraum. Für die bei Betriebsübergang bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer blieb sie als ehemalige Arbeitgeberin auf die Versorgungsansprüche verhaftet (ständige Rechtsprechung des Senats: BAG Urteil vom 11. November 1986 - 3 AZR 194/85 - AP Nr. 61 zu § 613 a BGB, zu B I 2 a der Gründe, m.w.N.).

II. Die Streithelferin des Klägers ist weder im Wege rechtsgeschäftlicher Schuldübernahme noch kraft Gesetzes von ihren Zahlungsverpflichtungen frei geworden. Dabei kann unentschieden bleiben, ob eine Schuldbefreiung gegenüber dem beklagten PSV überhaupt Wirksamkeit erlangen kann (vgl. BAGE 54, 297, 303 = AP Nr. 4 zu § 4 BetrAVG, zu II 3 b der Gründe).

1. Nach § 414 BGB kann eine Schuld von einem Dritten durch Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, daß der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt.

Mit Schreiben vom 15. Juli 1970 hat die Rechtsvorgängerin der Streithelferin dem Kläger mitgeteilt, daß die Fertigung von der S-GmbH übernommen wird und damit auch alle Arbeitnehmer übernommen werden, ohne daß sie Nachteile erleiden. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Ruhestand. Er war kein Arbeitnehmer der Streithelferin mehr, so daß er von dem Schreiben nicht erfaßt wird.

Zwischen der Rechtsvorgängerin der Streithelferin und dem Kläger ist auch später keine privative Schuldübernahme vereinbart worden. Der Kläger mag davon gewußt haben, daß die S-GmbH die Unterstützungskasse dotierte und damit - indirekt - die Versorgungsleistungen erbrachte. Daraus konnte die Streithelferin aber nicht schließen, der Kläger wolle sie aus der Arbeitgeberhaftung entlassen. Dies konnte die Streithelferin nicht einmal nach Treu und Glauben in den Bereich der rechtlichen Möglichkeiten ziehen.

2. Nach § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB kann die Schuldübernahme auch zwischen dem Dritten und dem Schuldner vereinbart werden. In diesem Falle hängt die Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers ab. Auch insoweit fehlt es an einem ausreichenden Sachvortrag der Streithelferin des Klägers.

In dem Pachtvertrag zwischen der Streithelferin und der S-GmbH wird nur die Altersversorgung von Angehörigen der Gesellschafter erwähnt. Hierzu gehörte der Kläger nicht.

Möglicherweise hat zwischen der Rechtsvorgängerin der Streithelferin und der S-GmbH eine Vereinbarung bestanden, daß notfalls die S-GmbH einspringen sollte, weil sie ab 1970 die Unterstützungskasse dotieren mußte. Eine Zustimmung zur Übernahme der Haftung hat der Kläger jedoch nicht bereits deswegen erteilt, weil er die Leistungen der Unterstützungskasse entgegennahm. Es macht einen Unterschied, ob man die Leistungen der Unterstützungskasse entgegennimmt oder den Arbeitgeber von der Ausfallhaftung freistellt.

3. Auch aufgrund gesetzlicher Vorschriften ist die S-GmbH nicht an die Stelle der weiterhaftenden Streithelferin getreten.

Eine Anwendung von § 613 a BGB scheidet von vornherein aus, weil diese Vorschrift erst im Jahre 1972 in Kraft getreten ist. Die Betriebsnachfolge hat sich aber bereits im Jahre 1970 vollzogen.

Eine Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften über die Haftung bei Firmenfortführung scheidet aus (§ 25 HGB), weil die S-GmbH die Firma nicht fortgeführt hat.

4. Soweit schließlich die Revision geltend macht, daß die S-GmbH zumindest der Schuld der Streithelferin des Klägers beigetreten ist, kann dies unentschieden bleiben. Denn selbst wenn dies der Fall ist, kann das nicht zur Enthaftung der Streithelferin führen. Die Insolvenz der S-GmbH ist für die Ansprüche des Klägers gegen die Streithelferin ohne Belang. Nach § 7 Abs. 4 BetrAVG hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn ein sonstiger Träger die Versorgungsleistungen zu erbringen hat.

Dr. Heither Schaub Griebeling

Oberhofer Dr. Jesse

 

Fundstellen

Haufe-Index 438492

BB 1989, 1557-1558 (LT1-2)

DB 1989, 1679-1680 (LT1-2)

EWiR 1989, 871-871 (L1-2)

JR 1990, 308

JR 1990, 308 (L)

KTS 1989, 694-697 (LT1-2)

NZA 1989, 681-682 (LT1-2)

RdA 1989, 199

ZIP 1989, 793

ZIP 1989, 793-795 (LT1-2)

AP § 1 BetrAVG Unterstützungskassen (LT1-2), Nr 20

AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung III Entsch 4 (LT1-2)

AR-Blattei, ES 460.3 Nr 4 (LT1-2)

EzA § 613a BGB, Nr 84 (LT1-2)

VersR 1989, 869 (LT1-2)

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