Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerüberlassung im Flurbereinigungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

  • Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG setzt zumindest das Vorliegen einer – wenn auch konkludenten – Vereinbarung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten voraus, nach der der Arbeitnehmer für den Dritten tätig werden soll.
  • Das Bestehen von Weisungsrechten des Dritten und die Eingliederung des Arbeitnehmers in dessen Betriebsorganisation werden erst für die Frage erheblich, ob die Vereinbarung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder als eine sonstige Vertragsform des drittbezogenen Personaleinsatzes (insbesondere als Werkvertrag) anzusehen ist (im Anschluß an Senatsurteil vom 22. Juni 1994 – 7 AZR 286/93 – AP Nr. 16 zu § 1 AÜG).
 

Normenkette

AÜG Art. 1 §§ 1, 13; Flurbereinigungsgesetz §§ 1-2, 10, 16

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 23.06.1994; Aktenzeichen 6 Sa 21/94)

ArbG Aachen (Urteil vom 29.07.1993; Aktenzeichen 7 Ca 3202/92)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 23. Juni 1994 – 6 Sa 21/94 – aufgehoben.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 29. Juli 1993 – 7 Ca 3202/92 – wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen auch die Kosten der Berufung und der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein gesetzliches Arbeitsverhältnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zustande gekommen ist.

Die Kläger sind Meßgehilfen im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren und haben Arbeitsverträge mit den jeweiligen Teilnehmergemeinschaften abgeschlossen. Der Kläger zu 1) übt diese Tätigkeit seit 1962 aus, der Kläger zu 2) seit 1966, der Kläger zu 3) seit 1979 und der Kläger zu 4) seit 1983. Die Teilnehmergemeinschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts für die Zeitdauer eines Flurbereinigungsverfahrens. Sie werden aus den Eigentümern der zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücke sowie den diesen gleichstehenden Erbbauberechtigten gebildet (§ 10 Ziff. 1 FlurbG). Als Träger des Flurbereinigungsverfahrens entstehen sie kraft Gesetzes mit dem Flurbereinigungsbeschluß (§ 16 Satz 2 FlurbG). Historisch bedingt bezweckt die Einrichtung von Teilnehmergemeinschaften, daß die Eigentümer ihre Flurbereinigung selbst regeln. Aufgabe der Teilnehmergemeinschaften ist es, die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer wahrzunehmen, die gemeinschaftlichen Anlagen des Flurbereinigungsgebietes herzustellen und zu unterhalten sowie die erforderlichen Bodenverbesserungen auszuführen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Das behördlich geleitete Verfahren beginnt mit der Wertermittlung des Bodens durch einen freiberuflichen Sachverständigen, der von Meßgehilfen und Vorstandsmitgliedern der Teilnehmergemeinschaft unterstützt wird. Danach werden Meß- und Absteckarbeiten durch Meßtrupps durchgeführt, die aus Vermessungsingenieuren der Beklagten bzw. freiberuflich tätigen Vermessungsingenieuren und Meßgehilfen der Teilnehmergemeinschaften bzw. eigenen Meßgehilfen der freiberuflich tätigen Vermessungsingenieure bestehen.

Im Rahmen ihrer Aufgabenstellung – der tatsächlichen Durchführung der Flurbereinigung – schließen die Teilnehmergemeinschaften Verträge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Da die Teilnehmergemeinschaften aus Laien zusammengesetzt sind, stehen sie unter der Rechts- und Zweckmäßigkeitsaufsicht der Flurbereinigungsbehörde, des zuständigen Amtes für Agrarordnung, um sicherzustellen, daß die Teilnehmergemeinschaften im Einklang mit dem Zweck des Flurbereinigungsgesetzes handeln (§ 17 Abs. 1 FlurbG). Die Teilnehmergemeinschaft handelt durch einen Vorstand (§ 21 FlurbG), dessen Mitglieder (§ 24 FlurbG) die Geschäfte der Teilnehmergemeinschaft ehrenamtlich führen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Von den Teilnehmergemeinschaften geschlossene Verträge bedürfen ebenso wie die Arbeitsverträge der Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde (§ 17 Abs. 2 Satz 1 FlurbG). Diese Zustimmung ist im Falle der Kläger erteilt worden.

Die Arbeitsverhältnisse der Kläger gestalten sich wie folgt: Nach den §§ 2 und 3 der auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsverträge ergibt sich die Vergütung aus dem Lohngruppenverzeichnis zum MTL II. Nach § 4 des jeweiligen Arbeitsvertrages erklärt sich der Arbeitnehmer bereit, “bei dringender dienstlicher Notwendigkeit auch bei anderen Teilnehmergemeinschaften zu arbeiten”.

Aufgabe der Meßgehilfen ist bei der Wertermittlung des Bodens das Vorbereiten von Löchern für Bodenproben und das Setzen von Stangen nach den Vorgaben des sachverständigen Schätzers. Im weiteren Verlauf der Vermessungsarbeiten erhalten sie ihre Arbeitsanweisungen von dem Meßtruppführer, in der Regel einem Vermessungsingenieur des beklagten Landes. Der Einsatz des Meßtrupps wird durch das Amt für Agrarordnung des beklagten Landes mangels eines eigenen Verwaltungsapparats der Teilnehmergemeinschaft organisiert. Das beklagte Land führt Listen über Meßgehilfen. Es teilt den Meßgehilfen Arbeitsort und Uhrzeit für die Arbeitsaufnahme mit. Die Kläger geben ihre Steuerkarte und Arbeitspapiere bei dem Amt für Agrarordnung ab, das sie dann an den Kassenverwalter der Teilnehmergemeinschaft weiterleitet. Auch die Urlaubsanträge und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen reichen die Meßgehilfen beim Amt für Agrarordnung ein. Bei Betriebsveranstaltungen und Ausflügen werden die Meßgehilfen vom Amt für Agrarordnung eingeladen. Einer der Kläger erhielt von dem Amt für Agrarordnung im Namen der Teilnehmergemeinschaft eine Jubiläumsurkunde “für treue Pflichterfüllung während 25-jähriger Tätigkeit”, während der er für verschiedene Teilnehmergemeinschaften tätig gewesen war. Die Auszahlung der Löhne erfolgt zu Lasten der Flurbereinigungskasse der Teilnehmergemeinschaft, die durch Beiträge der Mitglieder der Teilnehmergemeinschaft finanziert wird (§ 19 Abs. 1 FlurbG). Kassenverwalter der Teilnehmergemeinschaften ist in der Regel ein ortsansässiges Kreditinstitut. Der Kassenverwalter erstellt nicht nur die Lohnabrechnung, sondern führt auch die Steuern und die Sozialversicherungsbeiträge der Meßgehilfen der Teilnehmergemeinschaften ab. Im Falle einer Lohnerhöhung oder Höhergruppierung erfolgt sowohl an die Kläger als auch an den Kassenverwalter eine Mitteilung durch das Amt für Agrarordnung. Nach Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens wird die Teilnehnmergemeinschaft durch die Flurbereinigungsbehörde aufgelöst (§ 153 Abs. 1 Satz 1, § 151 FlurbG). Die Arbeitsverträge mit den Meßgehilfen werden dann von der Teilnehmergemeinschaft gekündigt.

Im vorliegenden Rechtsstreit machen die Kläger geltend, sie seien nach den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes Arbeitnehmer des beklagten Landes, nicht aber der jeweiligen Teilnehmergemeinschaft. Sie haben im wesentlichen vorgetragen, es bestehe keine persönliche oder sachliche Beziehung zu den Teilnehmergemeinschaften. Dagegen seien sie vollständig in die Betriebsorganisation des beklagten Landes eingegliedert gewesen.

Das Amt für Agrarordnung führe den Schriftverkehr, bei ihm seien die Arbeitspapiere abzugeben und die Urlaubsanträge zu stellen; dort werde auch der Urlaub genehmigt, erfolge die Festsetzung der Lohnansprüche und die selbständige Bearbeitung der Fahrtkostenabrechnungen. Sie hätten auch nur der Weisungsbefugnis des beklagten Landes, nicht der der Teilnehmergemeinschaft unterstanden. Das beklagte Land habe die Arbeitsverhältnisse aus rein haushaltstechnischen Gründen auf die Teilnehmergemeinschaft übertragen, um eine Kostenerstattung durch die Teilnehmergemeinschaften zu erreichen.

Die Kläger haben beantragt

festzustellen, daß zwischen ihnen und dem beklagten Land ein Arbeitsverhältnis besteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die Besonderheiten des Flurbereinigungsverfahrens seien der alleinige Grund dafür, daß die Arbeitsanweisungen durch die Meßtruppführer des Amtes für Agrarordnung erfolgten, daß im Falle einer Lohnerhöhung oder Höhergruppierung eine Mitteilung des Amtes für Agrarordnung ergehe und daß sich die Meßgehilfen auch im Krankheits- und Urlaubsfall an das Amt wenden müßten, da die Teilnehmergemeinschaften über keinen eigenen Verwaltungsapparat verfügen. Das beklagte Land nehme auch keine Rechte eines Arbeitgebers in Anspruch, da sämtliche Schreiben einen Hinweis auf das mit der Teilnehmergemeinschaft bestehende Arbeitsverhältnis enthielten. Die Lohnabrechnung und die Fahrtkostenabrechnung würden durch die Flurbereinigungskasse der jeweiligen Teilnehmergemeinschaften selbst durchgeführt. Das beklagte Land habe keine eigene Weisungsbefugnis, sondern erteile den Meßgehilfen nur Weisungen in der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben für die Teilnehmergemeinschaften.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Kläger das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils, denn die Kläger stehen nicht in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, zwischen den Klägern und dem beklagten Land sei nach Art. 1 § 1 Abs. 2 in Verb. mit § 13 AÜG ein Arbeitsverhältnis begründet worden.

I. Das Landesarbeitsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß nach diesen Vorschriften ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten, dem er zur Arbeitsleistung überlassen wird, entstehen kann. Gemäß Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG wird vermutet, daß derjenige, der Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überläßt, Arbeitsvermittlung betreibt, wenn er nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko übernimmt (Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AÜG) oder wenn die Dauer der Überlassung im Einzelfall drei bzw. ab 1. Mai 1985 sechs bzw. nunmehr neun Monate (Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG) übersteigt. Die im Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung unwiderlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 23. November 1988 – 7 AZR 34/88 – BAGE 60, 205 = AP Nr. 14 zu § 1 AÜG) ist allerdings im Bereich der nicht gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung als widerlegbar anzusehen (Senatsurteile vom 21. März 1990 – 7 AZR 198/89 – BAGE 65, 43 = AP Nr. 15 zu § 1 AÜG und vom 1. Juni 1994 – 7 AZR 7/93 –, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Diese Vermutung bedeutet, daß unter den genannten Voraussetzungen die Überlassung des Arbeitnehmers an einen Dritten als Zusammenführung des Arbeitnehmers mit dem Dritten zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses (Arbeitsvermittlung im Sinne der Legaldefinition des § 13 Abs. 1 AFG) anzusehen ist. Ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten gilt deshalb als zustande gekommen, weil nach Art. 1 § 13 AÜG die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber dieses Arbeitsverhältnisses nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden können, wenn das Arbeitverhältnis auf einer entgegen § 4 AFG ausgeübten Arbeitsvermittlung beruht. Diese Regelung dient nicht nur dem Arbeitsentgeltschutz, sondern führt im Zusammenhang mit Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG auch zur Annahme eines gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnisses mit dem beschäftigenden Arbeitgeber und ergänzt insoweit die Regelung des Art. 1 § 10 AÜG (vgl. BAG Beschluß vom 10. Februar 1977 – 2 ABR 80/76 – AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972; Senatsurteil vom 21. März 1990, aaO; Schüren, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 1994, § 13 Rz 3).

II. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, im Entscheidungsfalle greife die Vermutung des Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG ein. Denn entgegen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts liegt hier schon das Tatbestandsmerkmal der Arbeitnehmerüberlassung nicht vor.

1. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit im wesentlichen ausgeführt, die Vermutung des Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG greife ein, weil die Teilnehmergemeinschaften die Kläger für eine Beschäftigungsdauer von mehreren Jahren dem beklagten Land zur Arbeitsleistung überlassen hätten. Das Tatbestandsmerkmal der Arbeitnehmerüberlassung sei erfüllt, weil die Kläger ihre Arbeitsleistungen in einer Dienststelle des beklagten Landes, dem Amt für Agrarordnung, erbringen und dabei den fachlichen Weisungen der Repräsentanten des beklagten Landes unterliegen würden. Dem stehe nicht entgegen, daß die Arbeitsverträge formal mit den Teilnehmergemeinschaften geschlossen worden seien, da nach der Gesamtgestaltung und Durchführung der vertraglichen Beziehungen nicht zweifelhaft sein könne, daß der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses beim Entleiher und nicht beim überlassenden Arbeitgeber liege. Dies ergebe sich insbesondere aus § 4 des Arbeitsvertrages, der rechtlich zu einer erweiterten Verfügungsbefugnis des den Arbeitseinsatz der Kläger steuernden Amtes für Agrarordnung führe. Die Kläger seien in die Dienststelle des beklagten Landes eingegliedert. Sie unterstünden den Weisungen der staatlichen Vermessungsingenieure des beklagten Landes. Dessen Arbeitgeberstellung komme auch durch die organisatorische Betreuung der Arbeitsverhältnisse der Kläger, angefangen von Fragen der Lohnabrechnung bis hin zu Urlaubsgenehmigungen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, erfolgten Höhergruppierungsmitteilungen sowie Einladungen zu internen Betriebsveranstaltungen und Ausflügen zum Ausdruck.

Gerade wegen des Wechsels der Teilnehmergemeinschaften einerseits und der kontinuierlichen Betreuung der Arbeitsverhältnisse durch das Amt für Agrarordnung andererseits werde deutlich, daß die Kläger Daueraufgaben bei dem beklagten Land wahrnehmen. Die Widerlegung der damit zu vermutenden unerlaubten Arbeitsvermittlung sei dem beklagten Land nicht gelungen, da sich nicht feststellen lasse, daß aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung nach Ablauf der Überlassungsfrist der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses beim überlassenden Arbeitgeber verbleibe. Die Kostenverteilung nach dem Flurbereinigungsgesetz sei für die Frage, zwischen welchen Parteien nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis besteht, unerheblich. Da die Arbeitseinsätze umfassend vom Amt für Agrarordnung gesteuert würden, in das die Meßgehilfen organisatorisch eingegliedert seien, liege der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses beim beklagten Land.

2. Dieser Würdigung des Landesarbeitsgerichts kann sich der Senat nicht anschließen. Im Entscheidungsfalle liegt das Tatbestandsmerkmal der Arbeitnehmerüberlassung schon deshalb nicht vor, weil es an einer Vereinbarung zwischen der jeweiligen Teilnehmergemeinschaft als dem Vertragsarbeitgeber und dem beklagten Land fehlt, nach der der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht mehr unmittelbar für den Vertragsarbeitgeber, sondern für das beklagte Land erbringen soll. Ohne eine solche (auch konkludent zu schließende) Vereinbarung können auch die Unterstellung des Arbeitnehmers unter das Weisungsrecht eines Dritten und die Eingliederung in dessen Betriebsorganisation den Tatbestand der Arbeitnehmerüberlassung nicht erfüllen.

a) Nach der Gesetzessystematik des AÜG beruht die Arbeitnehmerüberlassung auf einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als einer besonderen Gestaltung der Vertragsformen des drittbezogenen Personaleinsatzes, aufgrund derer ein Arbeitnehmer im Betrieb eines anderen für diesen tätig wird (vgl. statt aller z.B. Schüren, aaO, § 1 Rz 25, 65 f., 80 f.). Die Merkmale des Weisungsrechts des Dritten und der Eingliederung des Arbeitnehmers in dessen Betriebsorganisation haben lediglich die Funktion, den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag von sonstigen Vertragsformen des drittbezogenen Personaleinsatzes, insbesondere dem Werkvertrag, abzugrenzen (vgl. Schüren, aaO, § 1 Rz 100 f.). Dementsprechend hat der Senat im Urteil vom 22. Juni 1994 (– 7 AZR 286/93 – AP Nr. 16 zu § 1 AÜG, zu IV 2b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) entschieden, für die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung sei zumindest erforderlich, daß der Arbeitnehmer aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung seines Arbeitgebers gegenüber dem Dritten zur Förderung von dessen Betriebszwecken tätig wird. Erst für die weitere Frage, ob dieses Tätigwerden als Erfüllung werk- bzw. dienstvertraglicher Verpflichtungen des vertraglichen Arbeitgebers gegenüber dem Dritten oder im Vollzug eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages anzusehen sei, komme es auf die Weisungsrechte des Dritten gegenüber dem Arbeitnehmer an. Hieran hält der Senat fest. Nachdem im Entscheidungsfall keine Anhaltspunkte selbst für einen konkludenten Vertragsabschluß zwischen der Teilnehmergemeinschaft und dem beklagten Land ersichtlich sind, scheidet mithin bereits aus diesem Grunde eine Arbeitnehmerüberlassung aus.

b) Überdies läßt sich auch nicht feststellen, daß die Kläger ihre Arbeitsleistung nicht für die Teilnehmergemeinschaften als ihren vertraglichen Arbeitgeber, sondern für das beklagte Land erbringen würden. Entgegen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts nehmen die Kläger keine Daueraufgaben des beklagten Landes wahr, sondern erfüllen die gesetzlichen Aufgaben der Teilnehmer gemeinschaften. Zwar ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 FlurbG die Durchführung der Flurbereinigung von den Ländern als eine besonders vordringliche Maßnahme zu betreiben. Das Flurbereinigungsgesetz regelt aber selbst im einzelnen die Aufgabenverteilung zwischen den Behörden und den Teilnehmergemeinschaften. Die Flurbereinigung ist danach kein behördliches, sondern ein behördlich geleitetes Verfahren, d.h., daß die zuständige Behörde die nötigen Anordnungen und Maßnahmen trifft und durchführt sowie die Aufsicht über das Verfahren ausübt und die Verantwortung für dessen sachgerechte Durchführung trägt (vgl. Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 6. Aufl., § 2 Rz 1). Die Teilnehmergemeinschaft bleibt aber Trägerin des Flurbereinigungsverfahrens. Sie hat nach § 18 Abs. 1 Satz 1 FlurbG das Recht und die Pflicht, die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer (Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigte) wahrzunehmen. Ihr obliegt es, die Flurbereinigung gerade in tatsächlicher Hinsicht durchzuführen (vgl. Seehusen/Schwede, aaO, § 18 Rz 2, m.w.N.). Im Rahmen dieser Aufgabenstellung schließen die Teilnehmergemeinschaften Verträge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, insbesondere auch Arbeitsverträge mit Meßgehilfen wie den Klägern ab.

Die in § 1 FlurbG aufgeführten Zwecke dienen stets primär einem privatnützigen Zweck, wie sich aus § 4 FlurbG ergibt (vgl. auch dazu Seehusen/Schwede, aaO, § 1 Rz 2). Nach § 4 FlurbG muß die obere Flurbereinigungsbehörde das Interesse der Beteiligten im Sinne des § 10 FlurbG feststellen, so daß ein bloßes öffentliches Interesse, das sich z.B. auf Landschaftspflege oder -gestaltung richtet, nicht genügt (vgl. Seehusen/Schwede, aaO, § 1 Rz 2, § 4 Rz 5). Damit korrespondiert auch die Kostentragungspflicht der Teilnehmergemeinschaft. Nach § 105 FlurbG fallen die zur Ausführung der Flurbereinigung erforderlichen Aufwendungen der Teilnehmergemeinschaft zur Last, während die Verfahrenskosten nach § 104 FlurbG das Land trägt. Die bei der Vermessung, Vermarktung und Wertermittlung der Grundstücke entstehenden Betriebskosten, zu denen auch die Arbeitslöhne der Meßgehilfen zählen, sind Ausführungskosten im Sinne des § 105 FlurbG, nicht aber Verfahrenskosten (vgl. Seehusen/Schwede, aaO, § 104 Rz 1 und § 105 Rz 1).

III. Da die Kläger nach alledem nicht in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land stehen, war das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

 

Unterschriften

Steckhan, Schmidt, Bröhl, Stappert, Günther Metzinger

 

Fundstellen

Haufe-Index 870909

BAGE, 46

JR 1996, 176

NZA 1996, 92

AP, 0

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