Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersteilzeit in der Insolvenz. Altersteilzeit im Blockmodell. Insolvenz. Betriebsübergang. Altersteilzeit. Insolvenzrecht

 

Leitsatz (amtlich)

  • Wird Altersteilzeitarbeit im Blockmodell geleistet, sind die in der Arbeitsphase für die Zeit vor der Insolvenzeröffnung erarbeiteten Ansprüche Insolvenzforderungen. Die für die Zeit danach erarbeiteten Ansprüche sind dagegen Masseforderungen.
  • Zahlungen, die der Arbeitgeber während der Freistellungsphase “spiegelbildlich” zu dem Teil der Arbeitsphase zu leisten hat, für den Masseforderungen entstanden sind, sind ebenfalls Masseforderungen.
  • Die Masseforderungen umfassen sowohl das fortzuzahlende hälftige Arbeitsentgelt als auch den Aufstockungsbetrag.
 

Orientierungssatz

  • Bei Altersteilzeit im Blockmodell arbeitet der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase voll und während der Freistellungsphase nicht. Er erhält durchgängig das Altersteilzeitentgelt (Hälfte seines Arbeitsentgelts) und einen Aufstockungsbetrag.
  • Die während der Freistellungsphase zu erbringenden Leistungen stellen eine in der Fälligkeit hinausgeschobene Vergütung dar, die für die während der Arbeitsphase geleistete, über die hälftige Arbeitszeit hinausgehende Tätigkeit erbracht wird. Das gilt sowohl für das hälftige Arbeitsentgelt als auch für den Aufstockungsbetrag.
  • In Altersteilzeit befindliche Arbeitnehmer sind Insolvenzgläubiger, soweit ihnen Vergütung für die Zeit vor der Eröffnung zu leisten, und Massegläubiger, soweit ihnen Vergütung für die Zeit nach der Eröffnung zu leisten ist.
  • Masseverbindlichkeiten sind nur solche Ansprüche, die in der Freistellungsphase während des Zeitraums zu erfüllen sind, der “spiegelbildlich” dem Zeitraum der Arbeitsphase entspricht, der nach der Insolvenzeröffnung liegt.
  • Wird nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Betrieb rechtsgeschäftlich übertragen, so haftet der Erwerber nur für Masseforderungen der in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer.
 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2, § 108 Abs. 2; ATG §§ 1 ff.

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 22.10.2003; Aktenzeichen 12 (15) Sa 1205/03)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 24.07.2003; Aktenzeichen 11 Ca 2525/03)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Oktober 2003 – 12 (15) Sa 1205/03 – teilweise aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. Juli 2003 – 11 Ca 2525/03 – teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit sie die Zeiträume vom 1. März 2003 bis zum 31. August 2004 betrifft.

Die weitergehende Berufung und die weitergehende Revision der Beklagten werden zurückgewiesen.

Der Kläger hat 3/4 und die Beklagte 1/4 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte während der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses Leistungen erbringen muss, weil sie in der Insolvenz den Betriebsteil erworben hat, in dem der Kläger während der Arbeitsphase von der Insolvenzschuldnerin beschäftigt worden ist.

Der Kläger war bei der späteren Insolvenzschuldnerin in der Betriebsstätte R… tätig. Er schloss mit seiner damaligen Arbeitgeberin im Februar 2001 einen “Altersteilzeitvertrag” für die Zeit vom 1. März 2001 bis zum 28. Februar 2005 ab. Vereinbart war das Blockmodell: Die Arbeitsphase endete mit dem 28. Februar 2003 und die Freistellungsphase begann mit dem 1. März 2003. Außerdem hieß es in dieser Vereinbarung ua.:

“§ 5

Vergütung

(1) Der Mitarbeiter erhält für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ein Altersteilzeitentgelt. Es bemißt sich entsprechend den tariflichen Bestimmungen nach der reduzierten Arbeitszeit und wird unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit für die Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses fortlaufend gezahlt (§ 5 TV BB i.V.m. §§ 6, 15 TV ATZ).

(2) Die variablen und sonstigen nicht verstätigten Entgeltbestandteile werden je zur Hälfte in der Arbeits- und Freistellungsphase ausgezahlt. In der Freistellungsphase wird der Durchschnittswert der Arbeitsphase bezahlt.

(3) Das anteilige 13. Monatseinkommen sowie das zusätzliche Urlaubsgeld werden nach § 5 TV BB i.V.m. § 6 Nr. 2 TV ATZ während der Arbeitsphase auf Teilzeitbasis gezahlt. Während der Freistellungsphase besteht auf diese Leistungen kein Anspruch. Im Jahr des Wechsels von der Arbeits- in die Freistellungsphase besteht ein Anspruch zeitanteilig entsprechend der Dauer der Arbeitsphase.

(6) Für die Dauer der Altersteilzeit wird der Mitarbeiter in der betrieblichen Altersversorgung (Unterstützungskasse bzw. Pensionskasse) so gestellt, als wären sie über den gesamten Zeitraum vollzeitbeschäftigt.

§ 6

Aufstockungsbetrag …

(1) Der Mitarbeiter erhält einen Aufstockungsbetrag nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) ATG auf das Altersteilzeitentgelt. Dieser ist so bemessen, daß das monatliche Nettoentgelt 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Mitarbeitern gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Bruttovollzeitarbeitsentgelts beträgt. Bei der Ermittlung des Bruttovollzeitarbeitsentgelts werden die zusätzliche Urlaubsvergütung und die tariflich abgesicherten betrieblichen Sonderzahlungen nicht berücksichtigt.

… ”

Das Insolvenzverfahren wurde am 1. September 2002 eröffnet.

Während der Arbeitsphase erwarb die Beklagte mit Wirkung vom 1. Oktober 2002 vom Insolvenzverwalter den Betriebsteil “Plattenwärmetauscher” mit den Betriebsstätten O… und R.… In diesem Zusammenhang teilten sowohl der Verwalter als auch die Beklagte dem Kläger mit, sein Arbeitsverhältnis sei auf die Beklagte übergegangen. In dem Schreiben der Beklagten heißt es ua.:

“Mit dem Betriebsübergang treten wir arbeitsvertraglich in vollem Umfang an die Stelle der B… GmbH. Demgemäß übernehmen wir alle Rechte und Pflichten als Ihr neuer Arbeitgeber. Die Übernahme des Betriebsteils Plattenwärmetauscher durch unser Unternehmen führt insoweit zu keinen Änderungen.

Für Ansprüche, die innerhalb des letzten Jahres vor dem Betriebsübergang entstanden sind – auch wenn diese erst im Laufe eines Jahres nach dem Übergang fällig werden – haftet die B… GmbH auch nach dem Betriebsübergang weiter. Bezüglich der erst nach dem Übergang fällig werdenden Ansprüche ist deren Haftung jedoch auf den anteiligen Betrag bis zum Betriebsübergang beschränkt.

… ”

Die Beklagte wies ihn zudem auf die Möglichkeit eines Widerspruches gegen den Betriebsübergang hin. Davon machte der Kläger keinen Gebrauch.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte schulde ihm die während der Freistellungsphase an sie zu erbringenden Leistungen in vollem Umfange, weil das Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB auf sie übergegangen sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass die Beklagte für die Zeit der Freistellungsphase vom 1. März 2003 bis 28. Februar 2005 das Altersteilzeitentgelt nach §§ 5 und 6 des Altersteilzeitvertrages vom 5. Februar 2001 in voller Höhe zu zahlen hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, als Betriebserwerberin in der Insolvenz hafte sie nicht für die von der Insolvenzschuldnerin begründeten Verbindlichkeiten.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur zum Teil begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger nach § 613a BGB lediglich für die Monate September 2004 bis Februar 2005 die vertraglich festgesetzten Leistungen während der Freistellungsphase. Das ist der Zeitraum der Freistellungsphase, der dem Zeitraum entspricht, während dessen der Kläger nach der Insolvenzeröffnung während der Arbeitsphase Arbeitsleistungen erbracht hat. Eine weitergehende Haftung scheitert an insolvenzrechtlichen Einschränkungen. Weitergehende Ansprüche kann der Kläger auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten anlässlich des Betriebsübergangs herleiten.

  • Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der neue Inhaber eines Betriebsteils in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Diese Regelung gilt für alle Arbeitsverhältnisse. Wie der vom Gesetzgeber im AltTZG benutzte Begriff “Altersteilzeitarbeit” zeigt, handelt es sich auch bei den Rechtsverhältnissen in Altersteilzeit um Arbeitsverhältnisse. Für sie gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen, soweit sich aus dem Recht der Altersteilzeit nichts anderes ergibt (Senat 27. April 2004 – 9 AZR 18/03 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Solche bestehen hier nicht.

    Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist mit dem Betriebsteil, in dem er zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs arbeitete, auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte ist daher auch in die Verpflichtungen aus den §§ 5 und 6 des “Altersteilzeitvertrages” eingetreten, das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeit, den Aufstockungsbetrag und die Leistungen an die Unterstützungskasse zu zahlen.

  • Eine vollständige Haftung der Beklagten scheitert jedoch an den insolvenzrechtlichen Einschränkungen der Haftung des Übernehmers bei einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang in der Insolvenz.

    1. Auch unter der Insolvenzordnung gilt – ebenso wie vorher unter der Konkursordnung – der Eintritt der Haftung des Betriebserwerbers für rückständige Forderungen (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB), nur eingeschränkt. Soweit die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts eingreifen, gehen diese als Spezialregelungen vor. Damit wird sichergestellt, dass alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden. Außerdem werden Betriebsübernahmen in der Insolvenz erleichtert (vgl. BAG 17. Januar 1980 – 3 AZR 160/79 – BAGE 32, 326). Besondere Verteilungsgrundsätze bestehen nur hinsichtlich der Forderungen, die ein Gläubiger als Insolvenzgläubiger geltend zu machen hat (§§ 38, 174 ff. InsO). Dagegen sind Forderungen, die sich als Masseverbindlichkeiten gegen die Insolvenzmasse richten, aus dieser ohne irgendwelche Beschränkungen vorweg zu berichtigen (§ 53 InsO). Die insolvenzrechtliche Beschränkung des Eintritts der Haftung nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergreift deshalb lediglich Insolvenz-, nicht jedoch Masseforderungen (dazu Senat 18. November 2003 – 9 AZR 95/03 – AP InsO § 113 Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 19 und 18. November 2003 – 9 AZR 347/03 – AP InsO § 113 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 21).

    2. Nach § 108 Abs. 1 InsO bleibt das Arbeitsverhältnis auch nach der Insolvenzeröffnung mit Wirkung für die Masse bestehen. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis werden nach § 108 Abs. 2 InsO Insolvenzforderungen, wenn es sich um solche “für” die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens handelt (dazu Senat 18. November 2003 – 9 AZR 95/03 – AP InsO § 113 Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 19 und 18. November 2003 – 9 AZR 347/03 – AP InsO § 113 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 21). Anderenfalls sind Forderungen aus dem laufenden Arbeitsverhältnis Masseforderungen nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Nach dieser Bestimmung sind Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen “soweit deren Erfüllung … für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss” Masseforderungen. Damit ist (entgegen Oberhofer ZInsO 2003, 591, 593; ebenso Bichelmeier AiB 2003, 236, 241) die Erfüllung durch den Gläubiger, nicht durch den Insolvenzschuldner gemeint:

    Das Gesetz stellt in dieser Vorschrift solche Forderungen mit Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen gleich, “deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird”. Es geht demnach um Fallgestaltungen, in denen entweder der Insolvenzverwalter – was er allgemein darf (§ 103 Abs. 1 InsO) – den Vertrag für die Masse “aktiviert” indem er Erfüllung wählt oder aber nach den insolvenzrechtlichen Regelungen der Vertrag auch mit Erfüllungsverpflichtung zugunsten der Masse ohnehin erhalten bleibt. In beiden Fällen ist dann auch die der Leistungspflicht des Gläubigers entsprechende Gegenleistung aus der Masse zu erbringen. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist insoweit also lediglich eine Korrespondenzvorschrift zu § 108 Abs. 2 InsO.

    3. Die Abgrenzung der Forderungen erfolgt danach, wann die Arbeitsleistung, die den Ansprüchen zugrunde liegt, erbracht wurde (vgl. für Wertguthaben BAG 24. September 2003 – 10 AZR 640/02 – AP InsO § 47 Nr. 1 = EzA InsO § 47 Nr. 1). Der Zeitpunkt der Arbeitsleistung bestimmt nämlich, inwieweit die Leistungen der Masse zugute kommen (vgl. Senat 8. Dezember 1998 – 9 AZR 632/97 –; BAG 21. Mai 1980 – 5 AZR 337/78 – BAGE 33, 113 noch für zeitliche Zuordnung nach der KO; teilweise abweichend Vogel/Neufell ZIP 2004, 1938, 1944). Dagegen kommt es nicht darauf an, wann der Arbeitnehmer die Zahlungen verlangen kann. Für das Blockmodell der Altersteilzeit bedeutet das:

    a) Im Blockmodell der Altersteilzeit tritt der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seinen vollen Arbeitsleistungen im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung. Er hat hierdurch Entgelte erarbeitet, die nicht im Monat der Arbeitsphase ausgezahlt, sondern für die spätere Freistellungsphase angespart werden. Der Arbeitnehmer erarbeitet sich damit im Umfange seiner Vorleistungen zum einen Ansprüche auf die spätere Zahlung der Bezüge und zum anderen einen entsprechenden Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistungspflicht (Senat 24. Juni 2003 – 9 AZR 353/02 – AP ATG § 4 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 6; 14. Oktober 2003 – 9 AZR 146/03 – AP ATG § 3 Nr. 9 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 11; 16. März 2004 – 9 AZR 267/03 – AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 8). Das während der Freistellungsphase ausgezahlte Entgelt ist daher Gegenleistung für die bereits während der Arbeitsphase geleistete, über die verringerte Arbeitszeit hinausgehende Arbeit. Der Anspruch darauf ist damit im insolvenzrechtlichen Sinne “für” diese Zeit geschuldet.

    b) Die im Schrifttum vorgebrachten Argumente für die Ansicht, die nach der Insolvenzeröffnung zu erbringenden Leistungen seien auch während der Freistellungsphase stets Masseforderung, überzeugen nicht.

    aa) Der Hinweis, das Arbeitsverhältnis bestehe auch in der Insolvenz weiter, steht diesem Ergebnis nicht entgegen (aA Nimmscholz ZIP 2002, 1936, 1937). Das Bestehen des Arbeitsverhältnisses ist Voraussetzung der Anwendung des § 108 Abs. 2 InsO.

    bb) Ebenso wenig überzeugt der Hinweis (Hanau ZIP 2002, 2028, 2031) auf die unterschiedlichen Ergebnisse für Altersteilzeitarbeit im Blockmodell und im kontinuierlichen Modell. Beim kontinuierlichen Modell ist die Arbeitsleistung während des Laufes des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses stets vor und nach der Insolvenzeröffnung zu erbringen. Die Arbeitsleistung kommt deshalb der Masse zugute und der dafür entstehende Entgeltanspruch ist Masseforderung. Der Unterschied zur Rechtslage im Blockmodell erklärt sich aus der unterschiedlichen Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung und hat daher einen sachlichen Grund.

    cc) Ferner ist die Situation (entgegen Leisbrock Altersteilzeitarbeit 2001 S. 356 f.) auch nicht den sonstigen Fällen der Nichtleistung, nämlich bei Annahmeverzug, Krankheit oder Urlaub gleichzusetzen. Diese Fälle setzen ein im Grundsatz “normal” abgewickeltes Arbeitsverhältnis voraus, in dem während bestimmter Zeiten – und damit “für” diese Zeiten – auf Grund gesonderter gesetzlicher Regelungen ein Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht, obwohl keine Arbeitsleistung zu erbringen ist. Während der Freistellungsphase ist die Arbeitsleistung jedoch von vornherein nicht zu erbringen.

    c) Auch sozialrechtliche Regelungen stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.

    aa) Das gilt zunächst für die Bestimmungen über das Insolvenzgeld.

    Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25. Juni 2002 (– B 11 AL 90/01 R – AP AFG § 141a Nr. 3). Das Bundessozialgericht hat es für möglich gehalten, bei der Anwendung der Regeln über das Konkursausfallgeld eine zeitliche Zuordnung von Entgeltansprüchen auf Zeiträume vorzunehmen, für die das Arbeitsentgelt vereinbarungsgemäß den Lebensunterhalt sichern sollte. Dabei hat es maßgeblich auf die Regelung des § 183 Abs. 1 Satz 4 SGB III iVm. § 7 Abs. 1a SGB IV abgestellt. Danach ist geschütztes Arbeitsentgelt iSd. Insolvenzgeldregelungen der für die Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmte Betrag, wenn eine Zahlung im Hinblick auf früher erarbeitete oder später zu erarbeitende Wertguthaben im sozialrechtlichen Sinne geleistet werden muss.

    Damit stellt die für das Insolvenzgeld gefundene Regelung, die das Bundessozialgericht auch bereits zur Auslegung der Bestimmungen über das Konkursausfallgeld herangezogen hat, auf den sozialen Schutzzweck dieser Bestimmungen ab. Sie soll den Arbeitnehmer schützen, wenn sein regelmäßiges Arbeitsentgelt während des Insolvenzgeldzeitraums ausfällt. Dieser Gesichtspunkt kann auf die insolvenzrechtliche Zuordnung von Entgeltforderungen nicht übertragen werden. Die Bestimmungen der InsO über die insolvenzrechtliche Einordnung von Arbeitnehmerforderungen beruhen nicht auf sozialen Schutzgesichtspunkten. Die insoweit früher bestehenden Sonderregelungen der KO, nach denen Arbeitnehmerforderungen auch für Zeiträume vor Konkurseröffnung Masseforderung (§ 59 Abs. 1 Nr. 3a KO) oder bevorrechtigte Konkursforderungen (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KO) sein konnten, hat der Gesetzgeber der InsO nicht übernommen (vgl. BAG 22. Oktober 1998 – 8 AZR 73/98 –).

    bb) Auch aus § 23b Abs. 2 Nr. 2 SGB IV kann nichts hergeleitet werden.

    Diese Bestimmung betrifft die beitragsrechtliche Behandlung von Zahlungen im Altersteilzeitarbeitsverhältnis, falls das Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht zu Ende durchgeführt und im Blockmodell deshalb die bereits geleistete Arbeit zu vergüten ist. Diese beitragsrechtliche Vorschrift ist für die arbeitsrechtliche Einordnung von Forderungen im Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht aussagekräftig (vgl. Vogel/Neufeld ZIP 2004, 1938, 1943 mwN).

    4. Die so vorzunehmende Aufteilung nach der Erbringung der Arbeitsleistung vor oder nach der Insolvenzeröffnung betrifft sowohl das entsprechend der Verringerung der Gesamtarbeitsleistung während der Altersteilzeit halbierte Arbeitsentgelt, als auch die Aufstockungsbeträge (aA möglicherweise Hanau ZIP 2002, 2028, 2031). Auch diese sind Entgelt iSd. §§ 611 und 612 BGB. Der Aufstockungsbetrag orientiert sich allerdings der Höhe nach rechnerisch nicht allein an der Arbeitsleistung, sondern darüber hinaus auch an dem Ziel, den Lebensstandard des Arbeitnehmers zu sichern. Insofern handelt es sich nicht um Gegenleistungen für die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung. Das ist von Bedeutung für die konkrete Bemessung der Höhe des Entgelts, ändert jedoch nichts an dessen Rechtscharakter als Arbeitsentgelt (vgl. Senat 14. Oktober 2003 – 9 AZR 146/03 – AP ATG § 3 Nr. 9 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 11; 16. März 2004 – 9 AZR 267/03 – AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 8). Entsprechendes gilt für die zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin in § 5 Abs. 6 des “Altersteilzeitvertrages” vereinbarten Zahlungen der Arbeitgeberin an die Unterstützungskasse. Auch wenn diese sich an einer nicht mehr geleisteten Vollzeitarbeit orientieren, stellen sie ein – aus sozialen Gründen – erhöhtes Entgelt für die während der Arbeitsphase zu erbringenden Leistungen des Klägers dar.

    5. Die Beklagte hat für die Zeiträume September 2004 bis Februar 2005 Leistungen zu erbringen. Soweit Entgeltleistungen “für” die Zeit nach der Insolvenzeröffnung zu erbringen sind, weil die Insolvenz während der Arbeitsphase eingetreten ist, hat die Zahlung zeitversetzt zu erfolgen: Das Entgelt ist während des Zeitraums der Freistellungsphase auszuzahlen, der in seiner Lage dem Zeitraum der Arbeitsphase entspricht, der nach der Insolvenzveröffnung liegt. Denn im Blockmodell der Altersteilzeitarbeit wird die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung jeweils “spiegelbildlich” für die entsprechenden Monate der Arbeitsphase gezahlt (vgl. Senat 24. Juni 2003 – 9 AZR 353/02 – AP ATG § 4 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 6, für “Störfälle” im Blockmodell). Das entspricht der Regel des § 366 BGB, wonach eine Erfüllungsleistung zuerst auf die älteste Forderung zu zahlen ist. Der Kläger hat die letzten sechs Monate der Arbeitsphase – September 2002 bis Februar 2003 – nach Insolvenzeröffnung gearbeitet; dem entsprechen in der Freistellungsphase die Monate September 2004 bis Februar 2005.

  • Weitergehende Ansprüche kann der Kläger auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten anlässlich des Betriebsteilübergangs herleiten. Dieses Schreiben, das an alle für den Betriebsübergang in Betracht kommenden Arbeitnehmer gerichtet war, stellt eine typische Erklärung dar, die der Senat selber auslegen kann (Senat 29. Juli 2003 – 9 AZR 450/02 – AP ATG § 3 Nr. 8 = EzA ATG § 3 Nr. 3). Aus dem Wortlaut des Schreibens ergibt sich, dass die Beklagte lediglich über die gesetzlichen Rechtsfolgen des Betriebsübergangs aufklären und damit ihrer gesetzlichen Pflicht (§ 613a Abs. 5 BGB) nachkommen wollte. Ein Rechtsbindungswille kann dem Schreiben nicht entnommen werden, so dass aus ihm auch keine Erfüllungsansprüche hergeleitet werden können.
  • Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO.
 

Unterschriften

Düwell, Reinecke, Zwanziger, Klosterkemper, Hintloglou

 

Fundstellen

Haufe-Index 1324189

BAGE 2006, 214

BB 2005, 1339

DB 2005, 779

EBE/BAG 2005, 54

FA 2005, 118

FA 2005, 185

JR 2005, 396

NZA 2005, 408

SAE 2005, 253

StuB 2005, 514

StuB 2005, 651

ZAP 2005, 600

ZIP 2005, 457

ZTR 2005, 331

AP, 0

DZWir 2005, 243

EzA-SD 2005, 11

EzA

MDR 2005, 695

AUR 2005, 197

AUR 2005, 459

ArbRB 2005, 133

RENOpraxis 2005, 140

BAGReport 2005, 304

SJ 2005, 38

SPA 2005, 3

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