Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvergütung. Spielbanken

 

Orientierungssatz

  • Eine Tarifregelung in Spielbanken, die das Trinkgeld der Spielbankbesucher jeweils dem spieltechnischen Personal zuweist, in dessen Bereich die Gewinne angefallen sind, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dem steht nicht entgegen, daß die Spielbank die Gehälter der im Roulettsaal tätigen spieltechnischen Mitarbeiter ausschließlich aus dem Troncaufkommen bezahlt, während die spieltechnischen Mitarbeiter des Automatensaals ein Festgehalt erhalten, für das aus dem Tronc des Automatensaals keine Gelder entnommen werden. Ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung für ein Regelungsproblem gefunden haben, unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle, wenn ein Sachgrund besteht (st. Rspr. vgl. BAG 18. Januar 2001 – 6 AZR 492/99 – AP BAT § 52 Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 92).
  • § 4 Abs. 1 und 3 NSpielbG ist ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB.
 

Normenkette

Tronc- und Gehaltstarifvertrag der Spielbanken Niedersachsen GmbH vom 11. Januar 1996 und vom 1. März 1999; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 823; Niedersächsisches Spielbankengesetz § 4

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 27.03.2001; Aktenzeichen 12 Sa 1134/00)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 05.04.2000; Aktenzeichen 3 Ca 190/99)

 

Tenor

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Arbeitsvergütung.

Der Kläger war bei der Beklagten in der Spielbank B… auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 25. Oktober 1978 im Roulettespielsaal als Croupier beschäftigt. In der Spielbank gibt es weiterhin einen Automatenspielsaal. In den Spieltischsälen befinden sich Tronc-Behälter zur Aufnahme von Trinkgeldern der Spielbankbesucher. Im Automatenspielsaal befanden sich bis Ende 1998 keine solchen Tronc-Behälter. Trinkgelder wurden dem dort tätigen Personal unmittelbar übergeben, das diese Zuwendungen unter sich aufteilte.

Mit Bescheid des Niedersächsischen Innenministeriums vom 30. November 1998 wurde die der Beklagten erteilte Zulassung zum Betrieb öffentlicher Spielbanken um die folgende Nebenbestimmung erweitert:

“In allen Automatenspielsälen sind verschlossene Troncbehälter aufzustellen. Das spieltechnische Personal (Automatentechniker, Automatenaufsichten, Kassenpersonal) ist zu verpflichten, alle von Besuchern ihnen oder der Spielbank gewidmete Zuwendungen den Troncbehältern zuzuführen. Die nach Abführung der Troncabgabe verbleibenden Beträge sind entsprechend § 4 Abs. 3 NSpielbG zu verwalten und zu verwenden.”

Zur Begründung dieser Nebenbestimmung heißt es:

“… Die in der Begründung des Gesetzes vertretene Einschätzung, die Gewinner im Automatenspiel leisteten keinen Beitrag zum Tronc, hat sich als falsch bzw. überholt herausgestellt, wie im Jahr 1996 vorgenommene Untersuchungen der Spielbankenaufsicht, ihre Angaben und die Beobachtung des Spielerverhaltens heute gezeigt haben. Die veränderten Angebote im Automatenbereich, insbesondere das mit der Einrichtung des “Niedersachsen-Jackpot” verfolgte Ziel, die Attraktivität des Spiels durch vermehrte Jackpotangebote und verhältnismäßig hohe Gewinnsummen zu steigern, führen im Einzelfall zu hohen Trinkgeldgeschenken an die Spielbank bzw. das spieltechnische Personal, die es nicht länger zulassen, für das Automatenspiel eine – gesetzlich nicht vorgesehene – Ausnahme von der insoweit eindeutigen Vorschrift des § 4 Abs. 1 NSpielbG zu dulden. …”

§ 4 des NSpielbG lautet wie folgt:

“§ 4

Tronc, Troncabgabe

(1) Die Zuwendungen der Besucher an die Spielbank oder an das spieltechnische Personal sind unverzüglich den in der Spielbank dafür aufgestellten Behältern zuzuführen (Tronc).

(2) Auf die Summe der Tronceinnahmen erhebt das Land eine Troncabgabe. Der Minister des Innern wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen die Höhe der Troncabgabe durch Verordnung zu regeln. Der Abgabesatz kann entsprechend der Höhe der Tronceinnahmen abgestuft werden. Er darf 10  der Einnahmen nicht übersteigen. Die Abgabeschuld entsteht mit dem Ende des Spielgeschehens am jeweiligen Spieltag.

(3) Die verbleibenden Beträge hat der Spielbankunternehmer für das bei ihm beschäftigte Personal zu verwalten und zu verwenden.”

In der Gesetzesbegründung zu dieser Bestimmung heißt es (Drucksache 11/3661 S 10):

“…

Es entspricht altem Spielbankenbrauch, daß Gewinner einen Teilbetrag ihres Gewinnes für den Tronc spenden, aus dessen Einnahmen das spieltechnische Personal bezahlt wird. In der Vergangenheit hat der Tronc dem Spielbankunternehmer eine angemessene Bezahlung des gesamten Personals ermöglicht. Die Tronceinnahmen sind allerdings bezogen auf die Anzahl der zu bezahlenden Mitarbeiter zurückgegangen, nachdem in den Spielbanken Spielautomaten aufgestellt worden sind. Für den Betrieb dieser Automaten ist ebenfalls, wenn auch im geringeren Umfang, spieltechnisches Personal erforderlich; die Gewinner leisten jedoch hier keinen Beitrag zum Tronc.”

Die Vergütung des Klägers richtete sich zunächst nach dem zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, deren Mitglied der Kläger war, vereinbarten Tronc- und Gehaltstarifvertrag vom 11. Januar 1996. Hierin ist folgendes bestimmt:

“…

§ 2 Troncaufkommen

1. Zuwendungen, die von Besuchern der Spielbank den bei der Spielbank tätigen Arbeitnehmern für die Gesamtheit oder für bestimmte Teile der Arbeitnehmer oder für die Spielbank oder ohne ersichtliche Zweckbestimmung am Spieltisch und an den Spielkassen gegeben werden, sind den dafür aufgestellten Behältern unmittelbar zuzuführen; sie bilden den Tronc.

Das Troncaufkommen wird von Beauftragten der Gesellschaft unter Mitwirkung der abrechnenden Tischmannschaften täglich festgestellt und über die jeweilige Hauptkasse unverzüglich auf Sonderkonten (Tronc-Konten) eingezahlt. Alle anderen Zuwendungen, insbesondere die Zuwendungen an die im Betrieb tätigen Pagen, Portiers und ähnliche Arbeitnehmer, gehören nicht im Sinne der genannten Bestimmung zum Tronc.

§ 3 Troncverwendung

Der Tronc, einschließlich Zinsen, ist ausschließlich für das Personal, das bei der Gesellschaft beschäftigt ist, zu verwenden. Für eine derartige Verwendung sind der Manteltarifvertrag, der Tronc- und Gehaltstarifvertrag, die weiteren Tarifvereinbarungen sowie Betriebsvereinbarungen maßgebend.

§ 4 Arbeitnehmergruppen

Arbeitnehmer im Sinne des Tarifvertrages sind

A Im Spielbetrieb A:

8. Croupier …

B Im Spielbetrieb B:

4. a Chef der Automatenabteilung …

5. a) Automatenmechaniker 1/Automatenaufsicht und -kassierer

§ 5 Tronc-Verteilung

1. Von dem monatlichen Tronc … sind 75 % des verfügbaren Troncaufkommens für die Vergütung der spieltechnischen Arbeitnehmer zu verwenden. … Zur Vergütung im Sinne der Ziff. 1 gehören:

– Die Gehälter …

– Die Vergütung in Krankheitsfällen,

2. Die verbleibenden 25 % aus den monatlichen Troncs … bilden einen einheitlichen 25 %-Tronc. Aus ihm sind folgende Leistungen zu erbringen:

– Alle Festgehälter und Zuschläge,

– die Vergütungen in Krankheitsfällen,

– die Sterbegelder (§ 8 MTV),

– alle weiteren Zahlungen, soweit diese gem. Manteltarifvertrag, Tronc- und Gehaltstarifvertrag oder sonstigen tariflichen- oder nach Betriebsvereinbarung zu zahlen sind, einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und der Leistungen gemäß § 6 Tronc- und Gehaltstarifvertrag für die Gruppen B und C.

5. Reicht der 25 %-Tronc für die auf diesen Troncteil entfallenden Zahlungen nicht aus, so wird der fehlende Betrag von der Gesellschaft vorgelegt. Der von der Gesellschaft gewährte Vorschuß ist mit anfallenden Überschüssen des 25 %-Troncs zu verrechnen.

§ 7 Gehaltsregelungen

1. Die Höhe der Vergütungen ist in den Anlagen zu diesem Tarifvertrag geregelt.

3. Unterschreiten die Mittel des 75 %-igen Troncs die Summe aller Garantiegehälter für die Arbeitnehmer der Gruppe A, so schießt das Unternehmen den fehlenden Betrag vor.

Übersteigt das monatliche Aufkommen des 75 %-igen Troncs die Summe aller Garantiegehälter, so wird der geleistete Zuschuß durch das Unternehmen dem Tronc wieder entnommen. Die Entnahme unterbleibt, sofern der geleistete Zuschuß innerhalb eines halben Jahres ab dem Zeitpunkt seiner Leistungen nicht entnommen werden konnte sowie für den Fall eines totalen Tronc-Ausfalles.

…”

Am 1. März 1999 schlossen die Beklagte und die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen einen neuen Tronc- und Gehaltstarifvertrag, der zum 1. Januar 1999 in Kraft trat. Hierin ist folgendes geregelt:

“§ 2 Troncaufkommen

1. Zuwendungen, die von Besuchern der Spielbank den bei der Spielbank tätigen Arbeitnehmern für die Gesamtheit oder für bestimmte Teile der Arbeitnehmer oder für die Spielbank oder ohne ersichtliche Zweckbestimmung am Spieltisch und an den Spielkassen gegeben werden, sind den dafür aufgestellten Behältern unmittelbar zuzuführen; sie bilden den A-Tronc bei den Spieltischen und den C-Tronc beim Automatenspiel.

Das Troncaufkommen wird vom Beauftragten der Gesellschaft unter Mitwirkung der abrechnenden Tischmannschaft bzw. Spieltechniker Automatenspiel täglich festgestellt und über die jeweilige Hauptkasse unverzüglich auf Sonderkonten (Tronc-Konten) eingezahlt. Alle anderen Zuwendungen, insbesondere die Zuwendungen an die im Betrieb tätigen Pagen, Portiers und ähnliche Arbeitnehmer, gehören nicht im Sinne der vorgenannten Bestimmungen zum Tronc.

§ 4 Arbeitnehmergruppen

Arbeitnehmer im Sinne des Manteltarifvertrages sind

A. im Spielbetrieb A:

8. Croupier

C im Spielbetrieb C:

2. Chef der Automatenabteilung …

4. Automatenmechaniker 1/Automatenaufsicht und -kassierer

§ 5a Verteilung des A-Troncs

1. Von dem monatlichen A-Tronc … sind … 75 % des verfügbaren Troncaufkommens für die Vergütung der spieltechnischen Arbeitnehmer zu verwenden (Gruppe A). Zur Vergütung im Sinne der Ziff. 1 gehören:

– Die Gehälter …

§ 5b Vergütung der Mitarbeiter der Gruppe C und Verteilung des C-Troncs

1. Zu der Vergütung der Mitarbeiter der Gruppe C gehören:

– Die Gehälter und Zuschläge der Anlage 2

2. Zur Vergütung der Mitarbeiter der Gruppe C gehört außerdem das monatliche Troncaufkommen des C-Troncs jeder Spielbank, das auf die Mitarbeiter der Gruppe C der entsprechenden Spielbank gleichmäßig aufgeteilt wird …”

Der Kläger hat geltend gemacht, im Automatensaal habe es in der Vergangenheit ein erhebliches Trinkgeldaufkommen gegeben. Die Beklagte habe unter Verletzung von § 4 Abs. 1 NSpielbG diese Zuwendungen nicht dem Tronc zugeführt, sondern zugelassen, daß die Mitarbeiter im Automatensaal die Trinkgelder unter sich verteilten. Das Trinkgeldaufkommen im Automatenspielsaal habe im Jahre 1999 mindestens 46.000,00 DM pro Monat betragen. Hätte die Beklagte diese Gelder dem Tronc zugeführt, hätte er in den vergangenen vier Jahren weitere 24.000,00 DM erhalten. Die im Tarifvertrag vom 1. März 1999 vorgenommene Troncverteilung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es sei sachlich nicht zu rechtfertigen, daß die Mitarbeiter der Gruppe A vollständig aus dem Troncaufkommen bezahlt würden, während die Mitarbeiter der Gruppe C ein Festgehalt erhielten und zusätzlich unter ihnen das gesamte Trinkgeldaufkommen verteilt werde. Für diese Ungleichbehandlung fehle ein Sachgrund. Da ihm die genauen Einspielergebnisse in den Automatensälen nicht bekannt seien, sei die Beklagte zu entsprechender Auskunftserteilung verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte wird verurteilt,

a) dem Kläger Auskunft zu erteilen über die Einspiel-ergebnisse in den Automatenspielsälen der Spielbanken B… und Be…, hilfsweise im Automatensaal der Spielbank B… in den Jahren 1995, 1996, 1997 und 1998 sowie in den zurückliegenden Monaten des Jahres 1999 und zwar durch Vorlage der finanzamtlich geprüften Belege über die Einspielergebnisse und die internen Umsatzstatistiken,

b) an den Kläger den sich aufgrund der Auskünfte ergebende Vergütungsanteil für die Jahre ab 1995, soweit dieser durch den Antrag zu 1 nicht abgedeckt ist, nachzuzahlen;

sowie

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den gesamten darüber hinaus gehenden Schaden zu ersetzen, der diesem dadurch entstanden ist, daß die Beklagte in der Vergangenheit eine Kontrolle und Verwaltung der in den Automatensälen erwirtschafteten Trinkgelder unterlassen hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat erwidert, in der Vergangenheit seien im Automatenspielsaal keine nennenswerten Trinkgelder angefallen. Von der genauen Trinkgeldhöhe habe sie keine Kenntnis. Die dort beschäftigten Mitarbeiter hätten ihr schriftlich bestätigt, daß das Trinkgeldaufkommen jährlich 2.400,00 DM nicht überstiegen habe. Nach dem Tronc- und Gehaltstarifvertrag vom 11. Januar 1996 sei sie nicht verpflichtet gewesen, das Trinkgeldaufkommen im Automatensaal dem Tronc zuzuführen. Auf die Verfügung des Niedersächsischen Innenministeriums vom 30. November 1998 habe sie gesetzeskonform reagiert, indem sie mit der Gewerkschaft einen neuen Tarifvertrag über die Verteilung des Trinkgeldaufkommens im Automatensaal abgeschlossen habe. Die Regelung sei sachgerecht, weil sie dazu führe, daß das Trinkgeld jenen zugute komme, für die es von den Spielbankbesuchern gedacht sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

  • Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu 1) und 2) zulässig. Der Kläger hat im Wege der objektiven Klagenhäufung eine Zahlungsklage mit einer Stufenklage verbunden. Mit dem zu Ziff. 1 gestellten Zahlungsantrag verlangt der Kläger einen Betrag, den er glaubt mindestens beanspruchen zu können. Dies ist zulässig, weil § 254 ZPO nicht zu entnehmen ist, daß der Zahlungsantrag erst nach der Auskunftserteilung und Versicherung der Richtigkeit der Auskunft gestellt werden kann (vgl. BGH 20. März 1972 – II ZR 160/69 – WM 1972, 1121). Der Feststellungsantrag ist dagegen unzulässig. Der Kläger hat den Anspruchsgrund nicht hinreichend konkretisiert (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn er zeigt nicht auf, welche Schadenspositionen neben den in den Anträgen zu 1) und 2) aufgeführten gemeint sein könnten.
  • Die Klage ist, soweit zulässig, nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Anteil an den im Automatensaal von Spielbankbesuchern entrichteten Trinkgeldern. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus den vertraglichen Vereinbarungen, den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträgen, noch als Schadensersatz. Der Kläger hat daher auch keinen Anspruch auf Auskunft über die im Automatensaal erzielten Einspielergebnisse.

    • Der Kläger hat keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die im Automatensaal gezahlten Trinkgelder.
    • Ein Anspruch des Klägers auf die im Automatensaal angefallenen Zuwendungen ergibt sich für die Zeit vor dem 1. Januar 1999 nicht aus § 2 des Tronc- und Gehaltstarifvertrags vom 11. Januar 1996.

      • Nach dem Wortlaut des § 2 Nr. 1 Tronc- und Gehaltstarifvertrag 1996 hat der Kläger nur einen Anspruch auf einen Anteil an den Trinkgeldern, die den dafür aufgestellten Behältern zugeführt wurden. Diese bilden den Tronc. Solche Behälter sind nach den Feststellungen der Vorinstanzen im Automatensaal bis Ende 1998 nicht aufgestellt gewesen. Troncbehälter befanden sich vielmehr nur in den Spieltischsälen. Diese Praxis entsprach dem Tarifvertrag, denn nach § 2 Nr. 1 Abs. 2 Tronc- und Gehaltstarifvertrag 1996 wurde das Troncaufkommen von Beauftragten der Gesellschaft unter Mitwirkung der abrechnenden Tischmannschaften festgestellt. Tischmannschaften gibt es aber nur im Spielbetrieb A und nicht im Automatenbereich.
      • Dem tariflichen Gesamtzusammenhang ist ein Anspruch auf das Trinkgeldaufkommen im Automatensaal nicht zu entnehmen. Der Tronc- und Gehaltstarifvertrag 1996 enthält keine Regelung über die Verteilung des Troncs für die im Automatensaal beschäftigten spieltechnischen Mitarbeiter. Lediglich für die in der Gruppe A im sog. “Großen Spiel” beschäftigten spieltechnischen Mitarbeiter regelt § 5 Nr. 1 die Verteilung der Zuwendungen. Daß aus dem im Roulettespielsaal erzielten Troncaufkommen gemäß § 5 Nr. 2 Tronc- und Gehaltstarifvertrag 1996 25 % für die Festgehälter und damit auch für die Vergütung des spieltechnischen Personals im Automatensaal verwendet wurden, steht dem nicht entgegen. Denn die spieltechnischen Mitarbeiter im Automatensaal partizipierten nicht an der Tronchöhe, sondern erhielten ein vom Tronc unabhängiges Festgehalt. Die Verwendung von 25 % des Troncs für Leistungen an andere Mitarbeiter als dem spieltechnischen Personal der Gruppe A kam lediglich der Beklagten zugute, die darüber einen Teil der weiteren Lohn- und Gehaltskosten abdecken konnte.
      • Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Tarifregelung sowie insbesondere des aufgezeigten tariflichen Gesamtzusammenhangs kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien die im Automatensaal entrichteten Zuwendungen der Spielgäste dem Tronc zuführen, die im Automatensaal beschäftigten spieltechnischen Mitarbeiter aber nicht am Tronc beteiligen wollten. Eine solche Regelung wäre nicht interessengerecht. Das spieltechnische Personal im Automatensaal wäre hierdurch von Zuwendungen ausgeschlossen, obwohl Besucher der Spielbank gerade ihnen wegen der dort erbrachten Betreuung das Trinkgeld leisten wollten.
    • Der Kläger hat auch für die Zeit ab 1. Januar 1999 keinen Anspruch auf die im Automatensaal geleisteten Zuwendungen. Ein solcher Anspruch besteht nach dem Wortlaut des zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen neuen Tronc- und Gehaltstarifvertrags vom 1. März 1999 nicht. Die Tarifregelung verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.

      • Der durch Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Gleichheitssatz verbietet es, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Der Gleichheitssatz wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung für ein Regelungsproblem gefunden haben (st. Rspr. vgl. BAG 18. Januar 2001 – 6 AZR 492/99 – AP BAT § 52 Nr. 8 = EzA GG Art. 3 Nr. 92).
      • Gemessen an diesen Grundsätzen ist die im Tronc- und Gehaltstarifvertrag vom 1. März 1999 erfolgte Verteilung des Trinkgeldaufkommens nicht zu beanstanden. Nach dem neuen Tronc- und Gehaltstarifvertrag kommt das Trinkgeld der Spielbankbesucher jeweils dem spieltechnischen Personal zugute, in dessen Bereich die Gewinne angefallen sind. Die im großen Spiel anfallenden Zuwendungen kommen in den A-Tronc, die im Automatensaal geleisteten Trinkgelder kommen in den C-Tronc. Diese Differenzierung nach dem Spielort ist einleuchtend und damit sachlich vertretbar. Dem steht nicht entgegen, daß der Beklagte die Gehälter der im Spielbetrieb A tätigen spieltechnischen Mitarbeiter ausschließlich aus dem Troncaufkommen bezahlt, während die im Spielbetrieb C tätigen spieltechnischen Mitarbeiter des Automatensaals ein Festgehalt erhalten, für das aus dem Tronc des Automatensaals keine Gelder entnommen werden. Ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung für ein Regelungsproblem gefunden haben, unterliegt nicht der gerichtlichen Kontrolle, wenn ein Sachgrund besteht.
    • Dem Kläger steht die geltend gemachte Forderung auch nicht als Schadensersatz wegen der bis Ende 1998 unterbliebenen Zuführung der Zuwendungen von Besuchern des Automatensaals zum Tronc zu. Als Anspruchsgrundlagen für den vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch kommen § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 4 Abs. 1 und 3 NSpielbG sowie positiver Vertragsverletzung in Betracht.

      • Gesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB ist jede Rechtsnorm, die ein bestimmtes Gebot oder Verbot ausspricht. Rechtsnormen, die nur allgemeine Grundsätze aufstellen, scheiden als Verbotsgesetz aus. Die Gebots- oder Verbotsnorm muß nach Zweck und Inhalt jedenfalls auch dem Individualschutz dienen. Dies bedeutet, daß die Norm auf den Schutz vorab einer näher bestimmten Art der Schädigung eines Rechtsguts oder Individualinteresses gerichtet sein muß. Es reicht aus, daß die Gewährung von Individualschutz wenigstens eines der vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Anliegen ist, selbst wenn auf die Allgemeinheit gerichtete Schutzzwecke ganz im Vordergrund stehen (Senat 25. April 2001 – 5 AZR 368/99 – BAGE 97, 350; BGH 3. Februar 1987 – VI ZR 32/86 – BGHZ 100, 13, 14 f.; MünchKomm-Mertens BGB 3. Aufl. § 823 Rn. 162). Die Norm muß dazu bestimmt sein, gerade vor Schädigungen der eingetretenen Art zu schützen, der jeweilige Schaden muß also von ihrem Schutzzweck umfaßt sein. Zu fragen ist, ob es nach Maßgabe des Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden zu knüpfen. Die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs muß in den betreffenden Fällen sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen, um auszuschließen, daß die Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine allgemeine Haftung für Vermögensschäden unterlaufen wird (Senat 25. April 2001 aaO).
      • In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist § 4 Abs. 1 und 3 NSpielbG als Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen.

        • Der Betreiber der Spielbank ist gesetzlich verpflichtet, Zuwendungen der Besucher an die Spielbank und an spieltechnisches Personal unverzüglich dem Tronc zuzuführen und die nach Abzug der Troncabgabe verbleibenden Beträge für das bei ihm beschäftigte Personal zu verwalten und zu verwenden. Damit soll zum einen jedem Verdacht einer Beeinflussung des für den Spielablauf unmittelbar verantwortlichen Personals durch Trinkgelder entgegengewirkt werden. Zum anderen soll dem alten Spielbankenbrauch entsprochen werden, aus den Zuwendungen das spieltechnische Personal zu bezahlen. Zu dem durch § 4 Abs. 1 und 3 NSpielbG geschützten Personenkreis gehört damit auch der Kläger.
        • Der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 und 3 NSpielbG führt allerdings im Ergebnis nicht zu einem Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB, weil die Beklagte den Verstoß gegen § 4 Abs. 1 und 3 NSpielbG nicht verschuldet hat. Die Beklagte durfte auf Grund der Gesetzesbegründung zu § 4 NSpielbG (Drucks. 11/3661) davon ausgehen, daß der Gesetzgeber die im Automatensaal geleisteten Trinkgelder als so geringfügig angesehen hat, daß sie dem Tronc nicht zugeführt werden mußten. Dies entsprach bis Ende 1998 auch der Rechtsauffassung des Niedersächsischen Innenministeriums als Aufsichtsbehörde. In dem Bescheid vom 30. November 1998 hat das Niedersächsische Innenministerium deutlich gemacht, daß es bis dahin die unterbliebene Zuführung von Trinkgeldern im Automatensaal trotz der gesetzlichen Vorschrift des § 4 Abs. 1 NSpielbG geduldet habe. Es hat damit den ihm seit mehreren Jahren bekannten Zustand hingenommen, ohne die Beklagte als Betreiberin der Spielbanken zu einer Änderung des Zustands zu veranlassen. Die Beklagte befand sich damit auf Grund der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Rechtsauffassung sowie der Duldung durch die Aufsichtsbehörde in einem entschuldbaren Rechtsirrtum (vgl. dazu BAG 12. November 1992 – 8 AZR 503/91 – BAGE 71, 350). Dieser Rechtsirrtum schließt das für den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 4 Abs. 1 und 3 NSpielbG notwendige Verschulden aus.
      • Wegen fehlenden Verschuldens der Beklagten scheidet auch ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung aus.
    • Scheidet ein Schadensersatzanspruch bereits dem Grunde nach aus, ist auch die Auskunftsklage abzuweisen.
  • Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
 

Unterschriften

Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Heel, Steinmann

 

Fundstellen

NZA 2003, 400

SAE 2003, 322

AP, 0

NJOZ 2003, 2006

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