Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitgeberstellung in einer BGB-Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

  • Juristische Personen des öffentlichen Rechts können eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vereinbaren.
  • Schließt ein im Gesellschaftsvertrag eingerichtetes Organ für die Gesellschaft Arbeitsverträge, wird nicht die rechtlich unselbständige Gesellschaft bürgerlichen Rechts Arbeitgeber. Die Arbeitgeberstellung fällt den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.
  • Die Arbeitnehmer sind in diesem Fall bei zwei öffentlich-rechtlichen Dienstherren iS des § 28 Abs 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG beschäftigt.
 

Normenkette

BBesG § 28 Abs. 1-2, 3 S. 1 Nr. 3, § 29 Abs. 1, 3 S. 1 Nr. 8; BGB § 705 ff.; BAT §§ 19-20

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 21.10.1987; Aktenzeichen 2 Sa 1168/87)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 21.07.1987; Aktenzeichen 5 Ca 6459/86)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Oktober 1987 – 2 Sa 1168/87 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Juli 1987 – 5 Ca 6459/86 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise aufgehoben und zur Klarstellung insgesamt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß das beklagte Land bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters der Klägerin verpflichtet ist, ihre Spielzeit vom 1. August 1964 bis zum 31. März 1984 an der Deutschen Oper … zu berücksichtigen.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme

  • der durch die Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts enstandenen Mehrkosten
  • und
  • eines Sechstels der erstinstanzlich entstandenen gerichtlichen Gebühren und Auslagen.

Diese trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Festsetzung des Besoldungsdienstalters der Klägerin.

Die 1933 geborene Klägerin war in der Zeit vom 15. August 1958 bis zum 14. August 1960 als Opernsoubrette bei den Städtischen Bühnen Ha… tätig. Danach war sie bis zum 31. Juli 1964 bei der damaligen Landestheater H… GmbH beschäftigt. Im Anschluß daran erhielt die Klägerin ein Engagement als Soubrette an der Deutschen Oper …, an der sie in der Zeit vom 1. August 1964 bis zum 31. März 1984 tätig war. Die Deutsche Oper … wird seit dem 1. August 1963 aufgrund von Theatergemeinschaftsverträgen zwischen den Städten D… und D… betrieben. Die Klägerin schloß im August 1963 einen Dienstvertrag mit der Theatergemeinschaft D… -D…, vertreten durch den Generalintendanten.

Seit dem 1. April 1984 ist die Klägerin beim beklagten Land als angestellte Professorin in der R… -Hochschule D… beschäftigt. Der schriftliche Dienstvertrag der Parteien vom 15./16. Februar 1984 enthält u.a. folgende Bestimmungen:

“§ 3

  • Frau D… erhält für ihre Tätigkeit eine Vergütung in Höhe der jeweiligen Besoldung eines entsprechenden Beamten der Besoldungsgruppe C 3 BBesG der Besoldungsordnung C.

    Für die Berechnung der Vergütung sind die für beamtete Professoren geltenden Bestimmungen entsprechend anzuwenden; …

§ 4

Im übrigen finden die folgenden Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in ihrer jeweiligen Fassung … entsprechende Anwendung; … §§ 18 bis 21.”

Das beklagte Land berücksichtigte bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters der Klägerin weder deren Tätigkeit bei der Landestheater H… GmbH noch an der Deutschen Oper …. Daraufhin forderte die Klägerin das beklagte Land vergeblich auf, die Festsetzung des Besoldungsdienstalters abzuändern und beide Zeiträume bei der Berechnung gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 BBesG abzusetzen.

Die Klägerin hat gemeint, ihre Tätigkeit in H… und bei der Deutschen Oper … sei eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst gewesen. Die Deutsche Oper … sei jedenfalls keine juristische Person des Privatrechts. Vielmehr hätten die Städte D… und D… in den Theatergemeinschaftsverträgen dem öffentlichen Recht zuzuordnende Vereinbarungen abgeschlossen. Die beiden Städte seien öffentlich-rechtliche Dienstherren im Sinne des Bundesbesoldungsgesetzes gewesen. Auch die Annahme einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts berühre nicht die Eigenschaft der beiden Städte als öffentlich-rechtliche Dienstherren.

Die Klägerin hat beantragt,

die Festsetzung des Besoldungsdienstalters vom 10./11. Dezember 1984 und den Widerspruchsbescheid des beklagten Landes vom 5. Mai 1986 dahin abzuändern, daß auch die von der Klägerin beim … Landestheater H… und der Deutschen Oper … verbrachten Zeiten bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters berücksichtigt werden.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Theatergemeinschaft D… -D… stelle eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts dar. Ein solcher Zusammenschluß sei teilrechtsfähig. Die Theatergemeinschaft führe als Deutsche Oper … einen eigenen Namen und besitze eigene Organe. Sie sei als privatrechtliche und teilrechtsfähige Gesellschaft Arbeitgeber der Klägerin gewesen und damit kein Dienstherr im Sinne des Bundesbesoldungsgesetzes. Die Landestheater H… GmbH sei ohnehin kein öffentlich-rechtlicher Dienstherr.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die auf die Tätigkeit bei der Deutschen Oper … beschränkte Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren für die Zeit der Tätigkeit bei der Deutschen Oper … weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur weitgehenden Aufhebung und Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen sowie zur beantragten Feststellung nach dem in der Revisionsinstanz klargestellten Antrag der Klägerin.

I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Theatergemeinschaft D… -D… stelle eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts dar, die durch die Organe “Verwaltungsrat” und “den geschäftsführenden Generalintendanten” handlungsfähig sei. Die Klägerin habe ein Vertragsverhältnis mit der Theatergemeinschaft begründet, wie sich aus dem Rubrum der Dienstverträge ergebe. Die Theatergemeinschaft sei Arbeitgeber der Klägerin gewesen. Diese sei keine juristische Person des öffentlichen Rechts. Nach § 3 des Dienstvertrages finde hinsichtlich ihrer Vergütung ausschließlich das Bundesbesoldungsgesetz Anwendung, so daß nach den §§ 28 Abs. 3 Nr. 3, 29 Abs. 1 BBesG die Spielzeit bei der Deutschen Oper … bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters zu Recht nicht zu berücksichtigen gewesen sei. Eine großzügigere Anrechnung der bisherigen beruflichen Tätigkeit nach § 20 BAT sei aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Dienstvertrages mit dem beklagten Land nicht möglich.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat die arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen der Betätigung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verkannt.

1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, daß bei der Berechnung des für die Vergütung der Klägerin maßgebenden Besoldungsdienstalters die §§ 28, 29 BBesG anzuwenden sind. Das folgt aus dem Dienstvertrag der Parteien, in dem die für die beamteten Professoren geltenden Bestimmungen für entsprechend anwendbar erklärt worden sind. Das sind für die Berechnung der Vergütung die Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes, nicht die Tarifnormen des Bundes-Angestelltentarifvertrages. Soweit der Dienstvertrag in seinem § 4 “im übrigen” die Anwendung des BAT anordnet und dabei die Geltung der §§ 1821 BAT vorschreibt, liegt darin kein Widerspruch. Die Beschäftigungszeit des § 19 BAT und die Dienstzeit des § 20 BAT sind ohne Einfluß auf die monatliche Vergütung. Nach diesen Vorschriften bestimmen sich lediglich die Kündigungsfrist (§ 53 Abs. 2 BAT), der Eintritt der Unkündbarkeit (§ 53 Abs. 3 BAT), der Ausschluß der Herabgruppierung eines unkündbaren Angestellten (§ 55 Abs. 2 BAT), die Fristen für die Gewährung von Krankenbezügen (§ 37 Abs. 2 BAT) und der Zeitpunkt der Zahlung einer Jubiläumszuwendung (§ 39 BAT), nicht aber die Höhe der Vergütung.

2. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch folgt aus § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 i.V. mit § 29 Abs. 1 BBesG. Danach sind die nach Vollendung des 20. Lebensjahres liegenden Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters zu berücksichtigen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat den Theatergemeinschaftsvertrag der Städte D… und D… als Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgelegt. Der Vertrag enthält keine typischen, immer wiederkehrenden Formulierungen. Deshalb ist seine Auslegung revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung hält dieser eingeschränkten Überprüfung stand, zumal das Ergebnis dem Verständnis der Vertragspartner entspricht, wie die von ihnen in erster Instanz erteilten Auskünfte zeigen.

b) Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht jedoch, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei Arbeitgeberin der Klägerin während ihrer Beschäftigung bei der Deutschen Oper … gewesen. Die Klägerin sei somit nicht bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn beschäftigt gewesen.

aa) Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist keine Rechtspersönlichkeit, insbesondere keine juristische Person, wie das Arbeitsgericht in Verkennung des Gesamthandsprinzips der Personengesellschaften gemeint hat (BGHZ 23, 307, 313; BGHZ 80, 222, 227; Staudinger/Keßler, BGB, 12. Aufl., Vorbem. zu § 705 Rz 64, m.w.N.; MünchKomm-Ulmer, BGB, 2. Aufl., Vor § 705 Rz 8). Sie ist vielmehr nur ein Zusammenschluß von natürlichen oder juristischen Personen, die nicht als von seinen Mitgliedern losgelöstes, rechtlich selbständiges Subjekt handelt, sofern sie als Außengesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt. Es handeln vielmehr die gesamthänderisch verbundenen Mitglieder, die Gesellschafter. Die Gesellschaft selbst ist nicht rechtsfähig und kann daher grundsätzlich nicht Vertragspartner eines schuldrechtlichen Vertrages wie des Arbeitsvertrages nach den §§ 611 ff. BGB sein.

bb) Diese aus der gesetzlichen Konzeption der Personengesellschaft des BGB abgeleiteten Ergebnisse entsprechen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO), des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 26, 320 = AP Nr. 1 zu § 705 BGB; BAGE 55, 117 = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969) und der herrschenden Auffassung im Schrifttum (vgl. insbesondere Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, 12. Aufl., Bd. II, § 60 IV). Demgegenüber wird von einem Teil des Schrifttums angesichts der zunehmend unternehmenstragenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts angenommen, diese sei zwar kein Rechtssubjekt, aber eine organisierte Gruppe, die als Personenverbindung selbst und nicht nur als Summe der einzelnen Mitglieder am Rechtsverkehr teilnimmt, gesamthänderische Rechte erwirbt und Verbindlichkeiten eingeht. Insofern wird von einer Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gesprochen (MünchKomm-Ulmer, BGB, Vor § 705 Rz 8 und § 705 Rz 108 – 113; Flume, Die Personengesellschaft, S. 50 ff., 68 ff.; derselbe ZHR 1972, 177; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 151 ff.). Dieser Teil des Schrifttums nimmt für seine Auffassung auch zwei Entscheidungen des BGH in Anspruch (BGHZ 72, 267, 271; BGHZ 79, 374, 377, 378, 379), in denen es heißt, daß Vertragspartnerin die Gesellschaft geworden sei. Der Bundesfinanzhof erkennt eine grunderwerbsteuerrechtliche Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre Beteiligungsfähigkeit im Grunderwerbsteuerverfahren in Abweichung zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an. Er rechtfertigt das aus den Besonderheiten des Steuerrechts (BFH Urteil vom 11. Februar 1987 – II R 103/84 – NJW 1987, 1720; BFH Urteil vom 22. Oktober 1986 – II R 118/84 – NJW 1987, 1719).

3. Nach Auffassung des erkennenden Senats hat der Bundesgerichtshof mit den Formulierungen in den vorgenannten Entscheidungen keine Abkehr vom traditionellen Verständnis der BGB-Gesellschaft als nicht rechtsfähige Personengesellschaft einleiten wollen (a.A. Karsten Schmidt, JuS 1979, 590). Die Erwähnung der “Gesellschaft” als Vertragspartner ist lediglich verkürzte Ausdrucksweise für die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Das wird insbesondere aus der Formulierung deutlich, “daß als Folge des Gesamthandprinzips die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit ‘als Gesellschaft’, diese allerdings ohne Verselbständigung gegenüber den Mitgliedern, mit Wirkung für und gegen das Gesellschaftsvermögen im Rechtsverkehr handeln können” (BGHZ 79, 374, 378). Auch der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 5. März 1987 – 2 AZR 623/85 – (BAGE 55, 117, 132 = AP, aaO) mißverständlich formuliert, an dem Fehlen einer vertraglichen Vereinbarung scheitere ein Übergang der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der beiden Gesellschaften auf die BGB-Gesellschaft. Auch aus dieser Formulierung läßt sich nicht schließen, die BGB-Gesellschaft selbst könne überhaupt Arbeitgeber sein. Denn an anderer Stelle (BAGE 55, 117, 133) wird klargestellt, daß der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts eine gemeinschaftliche Arbeitgeberstellung der in Betracht kommenden Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft geprüft und verneint hat.

4. Das entspricht der Auffassung des erkennenden Senats. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als nicht rechtsfähige Personenvereinigung mag im Steuerrecht als selbständiger Steuerschuldner zu behandeln sein. Im Arbeitsrecht wird sie nicht selbständiger Arbeitgeber, wenn für sie Arbeitsverträge abgeschlossen werden. Träger der Arbeitgeberrechte und -pflichten werden die Gesellschafter. Sie nehmen die (Mit-)Arbeitgeberstellung gemeinschaftlich und verbunden zur gesamten Hand ein, auch wenn sie sich durch ein gemeinsam geschaffenes Vertretungsorgan ihrer Gesellschaft im Rechtsverkehr vertreten lassen und im Rubrum eines Arbeitsvertrages lediglich die Gesellschaft genannt wird.

Somit hat die Klägerin vom August 1964 bis zum März 1984 in den Diensten nicht nur eines, sondern zweier öffentlicher Dienstherren gestanden und erfüllt damit unbeschadet der gesetzlichen Formulierung “eines Dienstherrn” die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BBesG. Das beklagte Land ist daher verpflichtet, diese Zeit bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters in der Form zu berücksichtigen, wie es § 28 Abs. 3 i.V. mit § 28 Abs. 2 BBesG vorschreibt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO, § 12a ArbGG.

 

Unterschriften

Dr. Jobs, Schneider, Dörner, Schmidt, Dr. Walz

 

Fundstellen

NJW 1989, 3034

JR 1990, 264

RdA 1989, 382

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