Leitsatz

Bezieht eine zuvor bei einem schweizerischen Unternehmen beschäftigte Grenzgängerin aufgrund ihrer Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Pensionskasse und der Anlagestiftung des Unternehmens nach mehr als zwölfjähriger Mitgliedschaft Austrittsleistungen wegen des endgültigen Verlassens der Schweiz, so sind diese gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 und Satz 5 EStG (in der für 2001 geltenden Fassung) steuerfrei, wenn das Rechtsverhältnis der Grenzgängerin zur Pensionskasse und zur Anlagestiftung dem Typus einer Versicherung i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG entspricht, auch wenn das Reglement jeweils keine zwölfjährige Mindestlaufzeit vorsieht und weder die Pensionskasse noch die Anlagestiftung über eine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland verfügt (Anschluss an das BFH-Urteil vom 1.3.2005, VIII R 47/01, BFHE 211, 436, BStBl II 2006, 365).

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 und Satz 5, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd, § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG 1997

 

Sachverhalt

Die Klägerin arbeitete seit 1988 als Angestellte bei der H‐AG in der Schweiz. Sie war sowohl Mitglied in deren Pensionskasse als auch in deren Stiftung für die Mitarbeiter-Gewinnbeteiligung (Anlagestiftung). Rechtsträger der Pensionskasse war ebenfalls eine Stiftung. Beide Stiftungen waren auf der Grundlage des schweizerischen Privatrechts errichtet worden.

Die Pensionskasse der H‐AG bezweckte, die Arbeitnehmer gegen die wirtschaftlichen Folgen des Erwerbsausfalls infolge von Alter, Tod und Inva­lidität abzusichern. Sie führte nicht nur die nach dem Schweizer Recht vorgeschriebene obligatorische betriebliche Altersvorsorge durch, sondern erbrachte auch überobligatorische Leistungen. Rechtsgrundlagen waren für die obligatorischen Mindestleistungen das schweizerische Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25.6.1982, für die überobligatorischen Leistungen das schweizerische Obligationenrecht. Sowohl die Klägerin als auch ihre Arbeitgeberin leisteten auf Grundlage des Stiftungsreglements obligatorische und überobligatorische Beiträge an die Pensionskasse.

Die Anlagestiftung war – im Gegensatz zur Pensionskasse – keine Vorsorgeeinrichtung, sondern als Ergänzung der beruflichen Vorsorge eine "klassische" Anlagestiftung, die nicht im Bereich der gesetzlich verpflichtenden betrieblichen Alters­vorsorge tätig war. Die Stiftung bezweckte die Ergänzung der beruflichen Vorsorge der im Stiftungsreglement bezeichneten Mitarbeiter (sog. Begünstigte) mit den durch die H‐AG zugewandten Mitteln.

Leistungen an die Anlagestiftung erbrachte nur die H‐AG als Arbeitgeberin. Aus den insgesamt der Anlagestiftung zugewendeten Beträgen der H‐AG wurde neben den Vermögenswerten des Anlagestocks das Stiftungsvermögen gebildet. Für die Klägerin wurde auf einem individuellen Konto ein rechnerischer "Anteil" am Stiftungsvermögen geführt, der fortentwickelt wurde. Zuwendungen der H‐AG an die Anlagestiftung wurden in neue Anteile der Begünstigten an der Anlagestiftung umgerechnet und den vorhandenen Anteilen gutgeschrieben.

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit der H‐AG zum 31.5.2001, nachdem sie einen neuen Arbeitgeber im Inland gefunden hatte. Hierdurch schied sie zu diesem Zeitpunkt sowohl aus der Pensionskasse der H‐AG als auch aus der Anlagestiftung aus. Gegen die Pensionskasse stand der Klägerin eine Austrittsleistung zu, da sie die Schweiz endgültig verließ. Ihr wurden ihr angesammeltes Altersguthaben sowie Beträge aus der obligatorischen und der überobligatorischen Vorsorge ausgezahlt.

Ebenso bekam die Klägerin eine Austrittsleistung von der Anlagestiftung. In dem ausgezahlten Betrag war ein Teilbetrag für einen "unverteilten Vorschuss" enthalten, der der für die Klägerin geleisteten anteiligen Zuwendung der H‐AG an die Anlagestiftung entsprach.

Das FA ließ die Austrittsleistung aus der Pensionskasse bei der Steuerfestsetzung außer Ansatz. Die Austrittsleistung aus der Anlagestiftung setzte das FA hingegen in voller Höhe als gemäß § 34 Abs. 2 EStG tarifbegünstigten für mehrere Jahre gezahlten Arbeitslohn an.

Während des Klageverfahrens kamen die Beteiligten und das FG gemeinsam zu der Auffassung, die anteilig auf die Klägerin entfallenden kumulierten Beiträge der H‐AG an die Anlagestiftung, die mit der Austrittsleistung ausgezahlt worden waren, seien Zukunftssicherungsleistungen, die bei der Klägerin zu Arbeitslohn in den Vorjahren geführt hätten. Nur der mit der Austrittsleistung der Anlagestiftung im Streitjahr ausgezahlte "unverteilte Vorschuss" war danach im Streitjahr noch als Arbeitslohn der Klägerin zu erfassen.

Streitig blieb, ob der Restbetrag in Höhe der Differenz zwischen dem Auszahlungsbetrag und den kumulierten für die Klägerin geleisteten Arbeitgeberbeiträgen zu Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG führte.

Das FG hat der Klage stattgegeben (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 24.9.2009, 3 K 14/07, Haufe-Index 2360744, EFG 2011, 461)...

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