Leitsatz

Zu außerordentlichen Einkünften führen nur solche Entschädigungen, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen führt.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

K und sein Arbeitgeber schlossen 2005 einen Aufhebungsvertrag. Danach sollte K eine Abfindung von 77 788 EUR erhalten, und zwar 10 000 EUR bereits im Jahr 2005 und den Rest (67 788 EUR) im Jahr 2006. Im Jahr 2006 bezog K 70 664 EUR Bruttoentgelte, darunter die Entschädigung von 67 788 EUR, und begehrte in seiner ESt-Erklärung vergeblich den begünstigenden Steuersatz.

Seine Klage hatte Erfolg. Das FG sah die Teilleistung 2005 – nach Abzug des nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfreien Teils – als für die Zusammenballung unerheblich an (FG Köln, Urteil vom 09.03.2010, 8 K 972/08, Haufe-Index 2325402, EFG 2010, 1018).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte diese Entscheidung. Soweit die Teilleistung im Jahr 2005 nach § 3 Nr. 9 EStG i.H.v. 7 200 EUR steuerfrei ist, ist sie bei der Prüfung der Ausnahmesituation außer Betracht zu lassen, da sie ohnehin keine Progressionsbelastung bewirken kann. Für den Rest (2 800 EUR) bewirkt die Teilleistung (Bruttoarbeitslohn 2005: 42 000 EUR; Hauptentschädigung: 67 788 EUR) keine bedeutsame Progressionsverschiebung, die geeignet wäre, die Ausnahmesituation des K hinsichtlich seiner Progres­sionsbelastung in 2006 zu beeinflussen.

 

Hinweis

Bei Teilleistungen auf Entschädigungen ist stets zu fragen, ob es sich dabei um außerordentliche Einkünfte i.S.v. § 34 EStG handelt. Mit dieser Grundsatzentscheidung fundiert der BFH seine am Normzweck orientierten Grundsätze und entwickelt sie fort.

1. Auch wenn eine Entschädigung vorliegt (§ 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG), handelt es sich nicht schon deshalb – worauf der Wortlaut des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG hindeuten könnte – um außerordentliche Einkünfte. Solche Einkünfte werden von der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte (also die Entschädigung) in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Keine Zusammenballung liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.

2. Gleichwohl ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird.

3. Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist nach dem Normzweck auszulegen. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG. Demgemäß sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des jeweiligen Steuerpflichtigen führt. Eine solche Ausnahmesituation liegt zwar typischerweise nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt – indes kann eine nur geringfügige Teilleistung in dem dem Zuflussjahr der Hauptentschädigung vorangegangenen Veranlagungszeitraum dieser Ausnahmesituation mit ihrem Bedarf nach Progressionsmilderung entsprechen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.01.2011 – IX R 20/10

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