Leitsatz

An der Ungleichbehandlung von Ehegatten einerseits und eingetragenen Lebenspartnern andererseits im Hinblick auf die Zusammenveranlagung und den vorhergehenden Lohnsteuerabzug bestehen ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel.

 

Sachverhalt

Die Antragsteller als Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft begehrten im Wege der Aussetzung der Vollziehung eine Änderung der Lohnsteuerklassen von jeweils Lohnsteuerklasse I in die Lohnsteuerklassen III bzw. V. Dies lehnte das Finanzamt mit der Begründung ab, dass der Gesetzeswortlaut des § 38b EStG die beantragte Änderung nicht zulasse. Im Übrigen sehe die jetzige Rechtslage für die (spätere) Veranlagung von eingetragenen Lebenspartnern nur die Einzelveranlagung und somit den Grundtarif vor.

 

Entscheidung

Das FG hat dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Eintragung der Steuerklasse III nach summarischer Prüfung entsprochen.

Das FG räumt ein, dass die Voraussetzungen für eine Einreihung in die Steuerklasse III nach dem Wortlaut des § 38b EStG zwar nicht vorliegen, da es sich bei eingetragenen Lebenspartnern nicht um Ehegatten handelt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Lohnsteuerklasse III ergäben sich jedoch aus einem möglichen, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ausschluss der eingetragenen Lebenspartner von den begünstigenden steuerrechtlichen Regelungen, die Ehegatten gewährt werden, soweit diese allein an den Status der Ehe anknüpfen.

Die angemeldeten ernstlichen Zweifel folgten maßgeblich aus dem Beschluss des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Benachteiligung von Lebenspartnerschaften bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie des EuGH zur Unionsrechtswidrigkeit der Diskriminierung von Lebenspartnerschaften bei der Berechnung von Versorgungsbezügen durch Zugrundelegung der Steuerklasse I statt III.

 

Hinweis

Der BFH hat in seiner (bisherigen) Rechtsprechung die steuerliche Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften beim Veranlagungsrecht wegen der Förderung von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG für gerechtfertigt angesehen. Gegen diese Entscheidungen sind allerdings seit längerer Zeit Verfassungsbeschwerden anhängig. In der (neueren) Rechtsprechung der FG werden allerdings unterschiedliche Auffassungen vertreten.

"Neue Nahrung" haben die Befürworter des Splittingtarifs für eingetragene Lebenspartner zwischenzeitlich durch die Entscheidung des BVerfG v. 18.7.2012, 1 BvL 16/11 bekommen. Danach verstößt es gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, dass eingetragene Lebenspartner vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 nicht wie Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreit sind.

Bis zum Richterspruch aus Karlsruhe über die noch anhängigen Verfassungsbeschwerden bleibt die Rechtsfrage nach wie vor ungeklärt. Ob der Gesetzgeber sich bereits vor der Entscheidung des BVerfG dazu entschließt, durch eine Änderung der einkommensteuerlichen Bestimmungen eine Gleichstellung zwischen eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehegatten herbeizuführen, muss abgewartet werden.

 

Link zur Entscheidung

FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.04.2012, 3 V 4/12

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