Leitsatz

Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, sind nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ab dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht (mehr) als Werbungskosten abziehbar, wenn das Studium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitr­RLUmsG

 

Sachverhalt

Die Klägerin nahm nach dem Abitur 2003 ein Studium auf, das sie im Juli des Streitjahres (2006) mit einem "Bachelor of applied science" abschloss. Am 1. Oktober des Streitjahres begann sie ein Masterstudium. Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 823 EUR. In ihrer Einkommensteuererklärung machte sie insoweit Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 165,60 EUR geltend. Das FA veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß zur Einkommensteuer und setzte diese auf 0 EUR fest. Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbe­scheid machte die Klägerin zusätzlich Aufwendungen für das Bachelor- und Master-Studium vergeblich als vorab entstandene Werbungskosten geltend. Der von der Klägerin hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG hingegen statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2011, 1 K 2819/08 F, Haufe-Index 3642428, EFG 2013, 282).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen weitgehend erfolgreich. Der BFH gab der Klage der Klägerin nur noch betreffend der geringen Aufwendungen für das Masterstudium (Zweitausbildung) statt. Insoweit hatte das FA gegen die Vorentscheidung auch keine Einwendungen (mehr) erhoben.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung des FG, dass die Aufwendungen für das Bachelor-Studium der Klägerin als Werbungskosten zu berücksichtigen seien, gründet auf der noch vor Geltung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 7.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) anwendbaren Rechtslage. Auf dieser Grundlage gelangte das FG unter Bezugnahme auf das Urteil (BFH, Urteil vom 28.7.2011, VI R 7/10, BFH/NV 2011, 1779) zwar zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Kosten der Klägerin für das Erststudium als Werbungskosten anzuerkennen seien und daher ein entsprechender Verlust auf den 31.12.2006 festzustellen sei.

2. Nachdem allerdings § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG in Kraft getreten und rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden ist, sind die Aufwendungen der Klägerin für das Bachelor-Studium nicht (mehr) als Werbungskosten zu berücksichtigen. Denn das BVerfG hat auf Vorlage des BFH entschieden, dass der Ausschluss des Werbungskostenabzugs von Berufsausbildungskosten für eine Erstausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses verfassungsgemäß ist (z.B. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2019, 2 BvL 22-27/14, BFH/NV 2020, 334).

3. Nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

4. Eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium i.S.d. § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitr­RLUmsG, das eine Erstausbildung vermittelt, liegt vor, wenn diese Berufsausbildung abgeschlossen ist. Gehört zu dieser Berufsausbildung auch ein formaler Abschluss durch eine Prüfung, ist auch noch dieser Teil der Berufsausbildung und erst mit deren Bestehen die Berufsausbildung abgeschlossen.

5. Bei dem Bachelor-Studium der Klägerin handelte es sich um eine Erstausbildung i.S.d. § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, da sie zuvor keine Berufsausbildung oder kein Studium abgeschlossen hatte. Denn sie hat zuvor lediglich die Schule besucht und diese mit dem Abitur abgeschlossen. Das Bachelor-Studium der Klägerin fand auch nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt.

6. Die Aufwendungen für das Masterstudium sind hingegen (weiterhin) als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Klägerin hatte mit dem Bestehen des Bachelor-Studiengangs ein Erststudium i.S.d. § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG abgeschlossen. Ihre Aufwendungen waren beruflich veranlasst und damit nach allgemeinen Grundsätzen als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen.

Abweichendes Begriffsverständnis im Kindergeldrecht

Die Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale erstmalige Berufsausbildung und Erststudium im Kindergeldrecht (s. dazu z.B. BFH, Urteil vom 11.12.2018, III R 26/18, BFH/NV 2019, 465 und BFH, Urteil vom 22.5.2019, III R 69/18, BFH/NV 2019, 1231) ist für die Auslegung des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG nicht von Bedeutung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.02.2020, VI R 17/20 (VI R 64/12)

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