Leitsatz

1. Aufwendungen für Arzneimittel i.S.d. § 2 AMG unterfallen nicht dem Abzugsverbot für Diätverpflegung nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG.

2. Sie sind als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen, wenn die Medikation einer Krankheit geschuldet und deshalb ärztlich verordnet worden ist. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige wegen dieser Krankheit zugleich eine Diät halten muss, steht dem Abzug nach § 33 Abs. 1 EStG nicht entgegen.

 

Normenkette

§ 33 Abs. 2 Satz 3 EStG, § 2 AMG, § 1 NemV

 

Sachverhalt

K hatte eine chronische Stoffwechselstörung und nahm deshalb Vitamine und andere Mikronährstoffe ein. Laut ärztlicher Bescheinigung war die chronische Stoffwechselstörung kausal nicht therapierbar und zur Vermeidung weiterer gesundheitlicher Schäden eine laufende Einnahme von Vitaminen und anderen Mikronährstoffen lebenslang erforderlich. Die Aufwendungen (706 EUR) dafür (Milgamma, Gelovital, Vigantoletten, Cefasel, Biotin, Vitamin B2, Adenosylcobalamin, Metabolic, Calcium, Bio‐C‐Vitamin) machte K vergeblich als agB geltend (FG Düsseldorf, Urteil vom 15.7.2013, 9 K 3744/12 E, Haufe-Index 6428462).

 

Entscheidung

Der BFH hob aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Hinweis

Krankheits- oder Verpflegungskosten? Das war die im Streitfall alles entscheidende Frage, nämlich ob die hier von K eingenommenen Präparate Nahrungsergänzungsmittel i.S.d. § 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV), also letztlich Lebensmittel waren, auch wenn im Rahmen einer Diät eingenommen, oder Arzneimittel i.S.d. § 2 Arzneimittelgesetz (AMG), die krankheitsbedingt verordnet worden waren. Das FG hatte diese Frage allein auf Grundlage der in den Präparaten enthaltenen Inhaltsstoffe entschieden. Dem widersprach der BFH. Denn die der Lebensmittelkontrolle unterliegenden Nahrungsergänzungsmittel unterscheiden sich von (regelmäßig) zulassungspflichtigen Arzneimitteln nicht durch die Inhaltsstoffe, sondern durch ihre pharma­kologische Wirkung. Der BFH verwies dazu unter anderem auf: www.bfr.bund.de ≪Fragen und Antworten zu Nahrungsergänzungsmitteln≫. Dementsprechend kam es nach Maßgabe der nachstehend skizzierten Rechtsgrundsätze darauf an, ob die von K eingenommenen Präparate Arzneimittel waren. Dies wird vom FG als Tatsacheninstanz im zweiten Rechtsgang festzustellen sein.

1. Zu den außergewöhnlichen Belastungen (agB; § 33 Abs. 1 EStG) gehören nicht die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, beispielsweise die Kosten der Verpflegung. Denn diese sind bereits durch den einkommensteuerrechtlichen Grundfreibetrag (steuerliches Existenzminimum) abgegolten. Eine andere Behandlung erfahren Krankheitskosten. Diese gelten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen als zwangsläufig entstanden (dazu zuletzt BFH, Urteile vom 26.2.2014, VI R 27/13, BFH/NV 2014, 1265, BFH/PR 2014, 304; vom 26.6.2014, VI R 51/13, BFH/NV 2014, 1936, BFH/PR 2015, 13). Bei Krankheit – einem anomalen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand, der medizinischer Behandlung bedarf – wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet. Die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen wird also weder grundsätzlich noch hinsichtlich der Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall geprüft.

2. Aufwendungen für Diätverpflegung sind hingegen keine solchen Krankheitskosten; § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ist da eindeutig. Die Aufwendungen dafür bleiben auch bei Sonderdiäten (z.B. bei der Zöliakie, Glutenunverträglichkeit), die eine medikamentöse Behandlung ersetzen, unberücksichtigt, auch wenn die Diät auf die Bedürfnisse des Patienten und die Therapie der Erkrankung abgestimmt und auch langzeitig einzuhalten ist. Dies gilt selbst dann, wenn diesen Diätlebensmitteln "quasi Medikamentenfunktion" zukommt oder eine Heilbehandlung unterstützen.

3. Im Kontrast dazu stehen Arzneimittel. Sie unterfallen nicht dem Abzugsverbot für Diätverpflegung. Denn Arzneimittel i.S.d. § 2 AMG sind keine Lebensmittel und daher auch keine vom Abzug als agB ausgeschlossene Diätverpflegung i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG. Für sie gelten daher die Grundsätze hinsichtlich der Berücksichtigung von Krankheitskosten, dass sie nämlich abziehbar sind, soweit ihre Einnahme einer Krankheit geschuldet und die Zwangsläufigkeit (medizinische Indikation) der Medikation durch ärztliche Verordnung nachgewiesen ist, selbst wenn der Steuerpflichtige wegen dieser Krankheit zugleich eine Diät halten muss.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.4.2015 – VI R 89/13

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