Leitsatz

1. Übernimmt der eine Spedition betreibende Arbeitgeber die Bußgelder, die gegen bei ihm angestellte Fahrer wegen Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten verhängt worden sind, handelt es sich dabei um Arbeitslohn.

2. Vorteile haben keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Das ist der Fall, wenn sie aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Ein rechtswidriges Tun ist keine beachtliche Grundlage einer solchen betriebsfunktionalen Zielsetzung.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

K, eine internationale Spedition, hatte Bußgelder, die gegen ihre Fahrer wegen Überschreitung der Lenkzeiten und Nichteinhalten der Ruhezeiten festgesetzt worden waren, für sie bezahlt, ohne dafür Lohnsteuer einzubehalten. Das FA sah darin Arbeitslohn und erließ einen entsprechenden LSt-Nachforderungsbescheid. Die Klage dagegen blieb erfolglos (FG Köln, Urteil vom 22.9.2011, 3 K 955/10, Haufe-Index 2886332, EFG 2012, 518).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG auf Grundlage seiner mit dem Urteil hier geän­derten Rechtsprechung, wie unter den Praxis-­Hinweisen erläutert.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil befasst mit dem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse und leitet, wie schon das Urteil zu Arbeitgeberzuschüssen bei freiwilligen Rentenversicherungen der Arbeitnehmer (BFH, Urteil vom 24.9.2013, VI R 8/11, BFH/NV 2014, 92, BFH/PR 2014, 45) eine Rechtsprechungsänderung ein.

1. Vorteile führen zu einkommensteuerpflichtigen Lohneinkünften, wenn sie "für" die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft erbracht werden, also Entlohnungscharakter haben. Erweisen sich dagegen Vorteile bei objektiver Würdigung nicht als Belohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung, liegt kein Lohn vor; davon ist auszugehen, wenn der Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse zugewandt wird. Ob ein derart qualifiziertes Interesse vorliegt, ergibt sich aus einer den FGen überlassenen Gesamtwürdigung. Diese Würdigung hat eine Reihe von Aspekten zu berücksichtigen, insb. Anlass, Art, Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder gebundene Verfügbarkeit, freiwillige oder erzwungene Vorteilsannahme, besondere Geeignetheit für den betrieblichen Zweck und Interesse des Arbeitnehmers an dem Vorteil. Angesichts der Vielzahl dieser Aspekte scheint die Entscheidung, ob ein solches ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vorliegt, fast beliebig. Nicht zu Unrecht wird eingewandt, dass angesichts dieser Aspekte sogar die Lohnzahlung selbst im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse erfolge.

2. Der BFH folgte der Würdigung des FG, dass die Übernahme der Bußgeldzahlungen durch K nicht in dessen ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse erfolgte. Der BFH begründet dies damit, dass zu solchen notwendigen Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen keine gegen die Rechtsordnung verstoßenden, bußgeldbelegten rechtswidrige Weisungen des Arbeitgebers zählen. Denn auf einem rechtswidrigen Tun kann ein Betrieb nicht gründen; insoweit liegen keine beachtliche betriebsfunktionale Gründe vor. Mit diesen Ausführungen misst der BFH nicht nur den "betriebsfunktionalen Gründen" eine Abgrenzungsfunktion bei. Er ändert ausdrücklich seine Rechtsprechung und hält damit nicht länger daran fest (BFH, Urteil vom 7.7.2004, VI R 29/00, BFH/NV 2005, 596, BFH/PR 2005, 161), dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Verletzung des Halteverbots im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.11.2013 – VI R 36/12

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