Leitsatz

1. Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind.

2. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist; nicht aber wenn der Vorteil Entgelt für die Veräußerung eines Wirtschaftsguts ist.

3. Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nichtsteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des zu beurteilenden Lebenssachverhalts und nicht nach seiner äußeren Erscheinungsform zu würdigen.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 17, § 8 Abs. 1 EStG, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

 

Sachverhalt

K war an der X-GmbH zu 98 % und an der Q-GmbH zu 90 % beteiligt; die übrigen Anteile hielt seine Ehefrau F. K und F verkauften ihre Beteiligungen an der X-GmbH und der Q-GmbH für 7 Mio. US-$ an die P-GmbH, eine Tochtergesellschaft der C mit Sitz in den USA. Zugleich schlossen K und die P-GmbH und die C einen Geschäftsführervertrag. Danach erhielt K als Vergütung für seine Tätigkeit ein monatliches Gehalt von 19 000 DM und nahm an einem incentive program wie die anderen Mitglieder der zweithöchsten Führungsebene teil. Weiter erhielt K die Option, 15 000 Aktien der C zu dem Preis zu erwerben, welcher der Börsennotierung der Aktien vor Unterzeichnung dieses Vertrags entspricht. Der Geschäftsführervertrag wurde später in gegenseitigem Einvernehmen aus betriebsbedingten Gründen aufgehoben. K erhielt zum Ausgleich eine Abfindung, die Aktienoption blieb unberührt. K übte die Option aus und erzielte daraus einen Gewinn von 1 Mio. DM. K brachte vor, dass die vereinbarte Aktienoption nur zum Schein im Geschäftsführervertrag aufgenommen worden sei und es sich tatsächlich um einen Zuschlag zum Kaufpreis gehandelt habe, weil der Erwerber wegen des bereits vollzogenen Genehmigungsprozesses im amerikanischen Mutterkonzern und der verbindlichen Information der NASDAQ-Börsenaufsicht einer Erhöhung des Veräußerungspreises im Kaufvertrag nicht mehr habe zustimmen können. Das FG wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 21.04.2010, 11 K 262/08 E, F, EFG 2011, 49).

 

Entscheidung

Der BFH gab aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen dem FG auf, im zweiten Rechtsgang entsprechende Feststellungen nachzuholen und auf deren Grundlage erneut und umfassend zu würdigen, ob der Vorteil (Aktienoption) durch das Arbeitsverhältnis des Klägers veranlasst war. Stattdessen könnte auch eine zusätzliche, ggf. nach § 17 EStG steuerbare Gegenleistung vorliegen.

 

Hinweis

Arbeitslohn ist ein Vorteil "für" eine Beschäftigung. Kein Lohn liegt deshalb u.a. vor, wenn der "Vorteil" wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Woraus der Vorteil resultiert, ist – in erster Linie – eine Frage der Tatsachenwürdigung, obliegt also der finanzrichterlichen Tatsacheninstanz und ist daher revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (z.B. Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze). Solche Verstöße liegen vor, wenn es etwa an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für eine tatrichterliche Folgerung oder an einer nachvollziehbaren Ableitung solcher Folgerungen aus den festgestellten Tatsachen und Umständen fehlt.

Hier ging der BFH von einem solchem Verstoß aus. Denn das FG legte einerseits zugrunde, dass K die streitigen Aktienoptionen im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis erhalten hatte, folgte aber andererseits K darin, dass er seine Unternehmensanteile an die C-Corporation nur veräußerte, weil diese mit den Aktienoptionen noch "etwas auf den Kaufpreis draufgelegt" habe. Dann ist der streitige Vorteil aber nicht Gegenleistung "für" die Arbeitskraft, sondern zusätzlicher Veräußerungspreis.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.06.2011 – VI R 80/10

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