Leitsatz

1. § 16 Abs. 2 GrEStG ist auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG anzuwenden, wenn Anteile am Gesellschaftsvermögen vom neuen Gesellschafter auf den alten Gesellschafter ganz oder teilweise zurückübertragen werden und infolgedessen ein Übergang von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen im Ergebnis nicht mehr gegeben ist.

2. Die Anzeige eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist nur dann ordnungsgemäß i.S.d. § 16 Abs. 5 GrEStG, wenn ihr u.a. diejenigen Rechtsvorgänge eindeutig und vollständig entnommen werden können, die den Tatbestand nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst oder zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen haben. Grundstücksbezogene Angaben sind nicht erforderlich (Änderung der Rechtsprechung).

3. Enthält die Anzeige keine oder nur unvollständige Angaben über die für § 1 Abs. 2a GrEStG maßgeblichen Rechtsvorgänge, erlangt aber das FA innerhalb der Anzeigefrist durch eigene Ermittlungen oder von dritter Seite vollständige Kenntnis von diesen Vorgängen, steht § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des Abs. 2 des § 16 GrEStG nicht entgegen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 2a, § 16 Abs. 2, Abs. 5, § 18, § 19 GrEStG

 

Sachverhalt

M hatte in den Jahren 2008 und 2009 Kommanditanteile an der Klägerin (einer GmbH & Co. KG) und alle Geschäftsanteile an deren Komplementärin (X-GmbH), die nicht am Vermögen der Klägerin beteiligt war, erworben. D war im April 2009 als Komplementär der Klägerin ausgeschieden und als deren Kommanditist eingetreten. Mit Vertrag vom 15.5.2009 übertrug D seinen gesamten Kommanditanteil auf M; die betreffende Vertragsurkunde hatte der beurkundende Notar der Grunderwerbsteuerstelle des FA mit Kurzbrief übermittelt. Daraufhin wies das FA die Klägerin noch innerhalb der Anzeigefrist auf den durch den Übertragungsvertrag vom 15.5.2009 verwirklichten Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG hin und forderte eine Aufstellung ihres Grundbesitzes an. Dieser Aufforderung kam die Klägerin nicht nach. Nachdem das FA gegen die Klägerin für den durch Vertrag vom 15.5.2009 bewirkten vollständigen Gesellschafterwechsel gem. § 1 Abs. 2a GrEStG Grunderwerbsteuer festgesetzt und die Klägerin hiergegen Einspruch eingelegt hatte, hoben D und M durch Vertrag vom 20.10.2010 die Übertragung des Kommanditanteils auf M bezüglich eines Anteils von 6 % auf. Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Steuerfestsetzung gem. § 16 Abs. 2 GrEStG begehrte, hatte keinen Erfolg (FG Nürnberg, Urteil vom 18.8.2011, 4 K 1837/10).

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision der Klägerin statt. Mit der "Teilrückabwicklung" der Anteilsübertragung in Höhe eines Anteils von 6 % waren die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG erfüllt.

 

Hinweis

Die Entscheidung klärt für die Praxis wichtige Fragestellungen, die sich bei der Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG auf den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ergeben. Gewisse konstruktive Schwierigkeiten ergeben sich vor allem deshalb, weil § 1 Abs. 2a GrEStG eine Grundstücksübereignung "auf eine neue Personengesellschaft" fingiert und eine solche Fiktion einem Rückerwerb nicht zugänglich ist. Gegenstand des Rückerwerbs i.S.d. § 16 Abs. 2 GrEStG können nur die die Änderung des Gesellschafterbestands auslösenden Vorgänge sein.

1. Zum Umfang des von § 16 Abs. 2 GrEStG geforderten Anteilsrückerwerbs trifft der BFH die wichtige Klarstellung, dass es nicht des Rückerwerbs sämtlicher Anteile, deren Übergang zur Verwirklichung des Steuertatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat, bedarf. Für die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG reicht es vielmehr aus, einen Gesellschafterwechsel, der zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beigetragen hat, insoweit rückgängig zu machen, als dadurch im Ergebnis ein Übergang von weniger als 95 % erfolgt. Der deutlich restriktiveren Ansicht der Finanzverwaltung (gleichlautende Erlasse vom 25.2.2010, BStBl I 2010, 245 Tz. 9), die die vollständige Rückabwicklung eines zur Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG führenden Gesellschafterwechsels verlangt, ist damit der Boden entzogen.

2. Allein diese Grundsätze gelten auch, wenn ein früherer Altgesellschafter, der infolge der Anteilsübertragung auf einen Neugesellschafter die Alt­gesellschafterstellung verloren hat, infolge des ­Anteilsrückerwerbs Neugesellschafter der Personengesellschaft wird. § 16 Abs. 2 GrEStG verlangt nicht etwa, dass – was gesellschaftsrechtlich ohnehin nicht möglich ist – der frühere Gesellschafter rückwirkend seine ursprüngliche Gesellschafterstellung ganz oder teilweise zurückerlangt. Entscheidend ist vielmehr der Regelungsgehalt des § 16 Abs. 2 GrEStG, der die Nichtfestsetzung der Steuer bzw. Aufhebung der Steuerfestsetzung sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang anordnet. Selbst wenn also ein Altgesellschafter seine gesamte Beteiligung von 95 % auf einen Neugesellschafter überträgt und anschließend ein Rückerwerb dieser Beteiligung erfolgt, sind die beiden dadurch verwirklichten Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG aufg...

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