1 Systematische Einordnung

Die Ansässigkeit ist in Art. 4 OECD MA geregelt und ist damit ein Begriff aus dem Abkommensrecht. Nur wenn der Stpfl. in einem der Vertragsstaaten ansässig ist, kann er sich auf das DBA berufen. Im nationalen Steuerrecht wird für die unbeschränkte Steuerpflicht nicht auf die Ansässigkeit, sondern auf einen Wohnsitz (vgl. "Wohnsitz") oder gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. "Gewöhnlicher Aufenthalt") abgestellt. Im nationalen deutschen Steuerrecht hat der Begriff der Ansässigkeit daher kaum Bedeutung. Nur in seltenen Fällen (z. B. § 6 AStG, § 50a Abs. 3 S. 1 EStG, § 50i EStG, § 12 KStG; vgl. "Sitzverlegung") wird für die Besteuerung auf die Ansässigkeit nach einem DBA abgestellt.

Die Ansässigkeit hat neben der Abkommensberechtigung für den Stpfl. die Aufgabe zu bestimmen, welcher Staat abkommensrechtlich der Ansässigkeitsstaat und welcher Staat der Quellenstaat ist. Diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gem. Art. 5ff. OECD-MA. Diese Normen richten sich regelmäßig an den Quellenstaat. Art. 23 OECD-MA, der die Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung enthält, richtet sich dagegen an den Ansässigkeitsstaat.

Die Ansässigkeit nach dem jeweiligen DBA bestimmt sich materiell, auch wenn es sich dabei um einen abkommensrechtlichen Begriff handelt, nach den Kriterien des jeweiligen nationalen Steuerrechts. Nur wenn nach diesem eine unbeschränkte Steuerpflicht in einem Staat vorliegt, liegt auch eine Ansässigkeit i. S. d. DBA in diesem Staat vor. Abkommensrechtlich kann nur einer der vertragsschließenden Staaten der Ansässigkeitsstaat sein. Sofern nach nationalem Steuerrecht der Stpfl. in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt stpfl. und damit auch in beiden Staaten ansässig nach dem DBA wäre, greift die sog. Tie-breaker-rule zur Bestimmung des abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaates (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA).

Entscheidend für die Inanspruchnahme des DBA ist die Ansässigkeit im Zeitpunkt der Einkünfteerzielung.

2 Inhalt

Gem. Art. 4 Art. 1 OECD-MA ist ein Stpfl. in einem Vertragsstaat ansässig, wenn er aufgrund seines Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, Orts der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals in diesem Staat unbeschränkt stpfl. ist. Erforderlich ist damit ein ortsbezogenes Merkmal, das zu einer unbeschränkten Steuerpflicht führt. Für natürliche Personen richtet sich dies nach dem Wohnsitz, dem ständigen Aufenthalt oder einem ähnlichen Merkmal.

Da das DBA auf die unbeschränkte Steuerpflicht nach nationalem Recht als Folge des Wohnsitzes verweist, ist auf die nationale Definition abzustellen (vgl. "Wohnsitz"). Liegt nach dem nationalen Steuerrecht ein Wohnsitz vor, ist der Stpfl. nach dem DBA in seinem Wohnsitzstaat ansässig. Die bloße unbeschränkte Steuerpflicht nach nationalem Recht führt dagegen nicht dazu, dass ein Wohnsitz nach dem DBA vorliegt. Der gewöhnliche Aufenthalt, der nach deutschem Steuerrecht ebenfalls eine unbeschränkte Steuerpflicht begründet, ist i. d. S. ein sog. ähnliches Merkmal. Auch insoweit ist auf die Definition nach nationalem Steuerrecht abzustellen (vgl. "Gewöhnlicher Aufenthalt"). Inhaltlich entspricht der gewöhnliche Aufenthalt weitgehend dem ständigen Aufenthalt nach DBA. Die Aufgabe der Merkmale, die nach nationalem Steuerrecht zu einer unbeschränkten Steuerpflicht führen, führen zu einem Verlust der Ansässigkeit nach DBA, wenn kein anderes Ansässigkeitskriterium vorliegt.

Ausreichend für die abkommensrechtliche Ansässigkeit ist aber auch die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 2 EStG. Nicht ausreichend für eine Ansässigkeit sind dagegen die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 AStG sowie die beschr. Steuerpflicht, da insoweit keine Besteuerung des Welteinkommens erfolgt.

Ist der Stpfl. nach dieser Definition in beiden Vertragsstaaten ansässig, ist nach der sog. Tie-breaker-rule (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA) zu bestimmen, welcher Staat für dieses DBA als Ansässigkeitsstaat gilt. Bei natürlichen Personen richtet sich die Ansässigkeit zunächst nach der ständigen Wohnstätte, danach nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen. Eine ständige Wohnstätte entspricht dabei im Wesentlichen dem Wohnsitz[1], wenn er für eine gewisse Zeit tatsächlich genutzt wird (sog. qualifizierter Wohnsitz).[2] Da nach nationalem deutschem Steuerrecht für einen Wohnsitz nicht Voraussetzung ist, dass die Wohnung tatsächlich für eine bestimmte Zeit genutzt wird, muss nicht jeder Wohnsitz zu einer ständigen Wohnstätte führen. Hat der Stpfl. in beiden Staaten aber eine ständige Wohnstätte, bestimmt sich die Ansässigkeit nach dem Mittelpunkt des Lebensinteresses. Letzterer bestimmt sich nach einer Reihe von Indizien in einer Gesamtschau im Einzelfall, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist.[3] Dabei sind sowohl persönliche (familiäre, kulturelle, gesellschaftliche, kulturelle Beziehungen) als auch wirtschaftliche Interessen (örtlich gebundene Tätigkeiten, Einkunftsquelle) zu berücksichtigen.[4] Den persönlichen Aspekten ist dabei nicht per se der Vo...

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