Leitsatz

Fordert die Finanzbehörde nach Anzeigeerstattung gem. § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG die Einreichung einer Schenkungsteuererklärung, endet die Anlaufhemmung gem. § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs nach dem Jahr der Steuerentstehung.

 

Normenkette

§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO, § 30 Abs. 1 und 2, § 31 ErbStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt im Oktober 1994 schenkweise eine Darlehensforderung übertragen. Der Schenkungsvertrag wurde dem FA im November 1995 übersandt. Dieses forderte den Kläger noch im selben Monat auf, eine Steuererklärung abzugeben. Die Erklärung ging im Februar 1996 beim FA ein. Die Steuer wurde jedoch erst im Juni 2000 festgesetzt.

Während das FA annahm, die vierjährige Festsetzungsfrist habe erst mit Ablauf des Jahrs des Eingangs der Erklärung begonnen, war das FG der Ansicht, maßgeblich für den Beginn der Frist sei der Ablauf des Jahrs der Übersendung des Schenkungsvertrags (Hessisches FG, Urteil vom 17.03.2006, 1 K 3097/02, Haufe-Index 1527166, EFG 2006, 1686). Daran habe die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nichts mehr ändern können. Die Festsetzungsfrist sei daher bei Ergehen des Bescheids bereits abgelaufen gewesen.

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FA. Die unterschiedlichen Zwecke der Anzeige und der Steuererklärung führten bei Anwendung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO dazu, dass trotz ordnungsgemäßer Erstattung der Anzeige erst die Kenntnis, die durch die angeforderte Steuererklärung vermittelt werde, die Anlaufhemmung beende, sofern beides noch innerhalb dreier Jahre nach Ablauf des Jahrs der Ausführung der Schenkung beim FA eingegangen sei.

 

Hinweis

Der Wortlaut des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO legt es eigentlich nahe, immer dann, wenn innerhalb des dort genannten Dreijahreszeitraums eine Anzeige gem. § 30 Abs. 1 ErbStG erstattet worden ist, der Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung – und erst recht der Erklärung selbst – keine Bedeutung mehr für den Anlauf der Festsetzungsfrist beizumessen. Denn die Vorschrift führt Steuererklärungen, Steueranmeldungen und Anzeigen gleichrangig nebeneinander auf.

Der BFH berücksichtigt jedoch, dass die Steuererklärung für das FA regelmäßig eine ergiebigere Erkenntnisquelle darstellt als eine Anzeige. Die Anzeige soll dem FA lediglich die Prüfung ermöglichen, ob und wen es zur Abgabe einer Steuererklärung aufzufordern hat. Demgegenüber soll die Steuererklärung bereits die Steuerfestsetzung ermöglichen. Dieser Unterschied rechtfertigt es nach Ansicht des BFH, für den Beginn der Festsetzungsfrist auf den einer Anzeige nachfolgenden Eingang der Steuererklärung abzustellen. Es bleibt allerdings dabei, dass die Frist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs beginnt, das auf das Jahr der Steuerentstehung folgt. Damit halten sich die Auswirkungen der Entscheidung in vertretbaren Grenzen.

Methodisch beruht die Entscheidung auf der Vorstellung, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO enthalte insofern eine Lücke, als er nicht bestimme, ob bei einem Nacheinander von Anzeige und Steuererklärung innerhalb des Dreijahreszeitraums nach Ablauf des Jahrs der Steuerentstehung bereits die Anzeige die Anlaufhemmung endgültig beenden solle. Diese Lücke sei nach dem Sicherungszweck der Vorschrift wie geschehen auszufüllen.

Ob diese Lücke tatsächlich besteht, ist allerdings angesichts der gleichrangigen Erwähnung der Anzeige und der Steuererklärung nicht zweifelsfrei. Im Ergebnis führt die Entscheidung dazu, dass die erstattete Anzeige den Beginn der Festsetzungsfrist nur noch dann beeinflusst, wenn innerhalb des genannten Dreijahreszeitraums nicht einmal eine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung ergeht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 27.08.2008 – II R 36/06

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