Leitsatz

1. Die Drittanfechtungsklage gegen eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn sich die Kapitalertragsteuer-Anmeldung vor der Klageerhebung durch die Einbeziehung der Kapitalerträge in die Einkommensteuerfestsetzung aufgrund eines Antrags nach § 32d Abs. 4 EStG auf sonstige Weise gemäß § 124 Abs. 2 AO erledigt hat.

2. Der Vorrang der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der einbehaltenen Kapitalertragsteuer im Festsetzungsverfahren verstößt weder gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, noch gegen Art. 3 GG und Art. 14 Abs. 1 GG (Verbot der Übermaßbesteuerung) oder gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, Art. 63 AEUV).

 

Normenkette

§ 32d Abs. 4, § 36 Abs. 2 Nr. 2, § 43 Abs. 5, § 44 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 5 Satz 1, § 45a EStG, § 168, § 124 Abs. 2 AO, § 60 Abs. 3, § 68 Satz 4 Nr. 2, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 GG, Art. 63 AEUV, Art. 56 EG

 

Sachverhalt

Der Kläger war Inhaber von Aktien eines amerikanischen Unternehmens. Die depotführende Bank behielt aufgrund einer "Entflechtung (Spin-off)" dieser Wertpapiere einen Steuerabzugsbetrag für Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ein. Sie meldete diesen Betrag mit der Kapitalertragsteuer-Anmeldung für Oktober 2012 beim FA an. Der Kläger focht die Kapitalertragsteuer-Anmeldung an, nachdem das FA den Einkommensteuerbescheid erlassen hatte. Der Steuerfestsetzung waren aufgrund eines Antrags nach § 32d Abs. 4 EStG auf Überprüfung des Steuereinbehalts auch die Kapitalerträge zugrunde gelegt worden. Die vom Kläger gegen die Kapitalertragsteuer-Anmeldung erhobene Klage hat das FG als unbegründet abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 5.8.2015, 3 K 1040/15, Haufe-Index 8801713, EFG 2016, 93).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet abgewiesen. Das FG hätte jedoch die Klage nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abweisen müssen.

 

Hinweis

1. Der BFH hat in der Entscheidung noch einmal klargestellt, dass der Gläubiger der Kapitalerträge grundsätzlich befugt ist, die Kapitalertragsteuer-Anmeldung der Bank anzufechten. Die Drittanfechtung führt jedoch nicht zu einer vollen Überprüfung der Kapitalertragsteuer-Anmeldung. Diese beschränkt sich darauf, ob der Vergütungsschuldner die Steueranmeldung vornehmen durfte.

Dies ist grundsätzlich bereits dann zu bejahen,

  • wenn die Voraussetzungen für den Steuereinbehalt zweifelhaft sind oder
  • sich der Schuldner der Kapitalerträge auf ein Schreiben des BMF stützen kann.

Dieser Grundsatz wird durchbrochen, wenn sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ergibt, dass die Kapitalerträge nicht der Besteuerung unterliegen, sodass die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer rechtswidrig ist. Dies war im vorliegenden Fall bei der Entflechtung der ausländischen Aktien nicht der Fall, sodass das FG davon ausging, dass die Drittanfechtungsklage unbegründet war.

2. Diese Auffassung wäre auch richtig gewesen, wenn das FA nicht vor der Erhebung der Drittanfechtungsklage einen Einkommensteuerbescheid erlassen hätte, in den die streitigen Kapitalerträge aufgrund eines Antrags nach § 32d Abs. 4 EStG einbezogen worden waren. Der Einkommensteuerbescheid löste dadurch die Kapitalertragsteuer-­Anmeldung als Rechtsgrundlage für die von dem Vergütungsschuldner einbehaltene Kapitalertragsteuer ab.

Die Kapitalertragsteuer-Anmeldung hatte sich damit nach § 124 Abs. 2 AOerledigt. Der Kläger war folglich zum Zeitpunkt der Erhebung der Drittanfechtungsklage durch die Kapitalertragsteuer-Anmeldung nicht mehr beschwert, sodass die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen war.

3. Die Klage konnte nicht als Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung fortgesetzt werden. Der Einkommensteuerbescheid des Klägers und die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des Geldinstituts stimmen weder hinsichtlich der Verfahrensbeteiligten noch inhaltlich überein.

Auch die von dem Kläger hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage war mangels Vorliegens eines berechtigten Interesses unzulässig. Die Frage der Steuerbarkeit der Entflechtung der Aktien konnte im Rahmen der Anfechtung des Einkommensteuerbescheids eigenständig beurteilt werden, sodass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Kapitalertragsteuer-Anmeldung keine Voraussetzung für einen effektiven Rechtsschutz des Klägers war. Zudem wäre die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kapitalertragsteuer-Anmeldung für das Festsetzungsverfahren nicht bindend, da kein Grundlagen-/Folgebescheid-Verhältnis vorliegt.

4. Nach Auffassung des BFH verstößt die Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit der Kapitalertragsteuer-Anmeldung nicht gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Durch das gesetzlich aufeinander abgestimmte Verfahren zur Überprüfung des Kapitalertragsteuerabzugs wird der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht unangemessen eingeschränkt. Er hat die Möglichkeit, d...

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