1 Systematische Einordnung

Art. 21 OECD-MA beinhaltet mit den Regelungen zu den "anderen Einkünften" eine Auffangvorschrift des Abkommensrechts. Sie betrifft die Einkünfte, die nicht von Art. 620 OECD-MA erfasst sind. Hiermit verbunden ist die Frage, in welchem Staat diese "anderen Einkünfte" besteuert werden können. Um auch für sie eine Zuordnung des abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts vorzunehmen, wurde Art. 21 in das OECD-MA aufgenommen. Danach liegt das Besteuerungsrecht für die bisher noch nicht erfassten Einkünfte ausschließlich bei dem Staat, der abkommensrechtlich als Wohnsitzstaat zu qualifizieren ist (vgl. "Ansässigkeit"). Dies geschieht unabhängig davon, ob im Wohnsitzstaat tatsächlich eine Besteuerung erfolgt. Um zu verhindern, dass diese Einkünfte u. U. gar nicht besteuert werden, enthalten viele deutsche DBA oder sie ergänzende Protokolle sowie nunmehr auch die deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA Sonderregelungen. Danach fällt das Besteuerungsrecht an den Quellenstaat zurück, wenn der Wohnsitzstaat keine oder nur eine der Höhe nach beschr. Besteuerung vornimmt (vgl. "Subject-to-tax-Klausel"). Etwas anderes gilt nur in den Fällen des Art. 6 Abs. 2 OECD-MA oder wenn eine Zuordnung der nicht explizit genannten Einkünfte zu einer Betriebsstätte (oder einer festen Einrichtung einer selbstständigen Tätigkeit) erfolgt. In diesem Fall richtet sich die Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 7 OEC-MA, ggf. nach Art. 14 DBA a. F.

2 Inhalt

Erfasst werden von dieser Regelung insbesondere die folgenden Fallgruppen:

  • Einkünfte aus dem Quellenstaat, für die das Besteuerungsrecht nicht bereits aufgrund der speziellen Verteilungsnormen zugewiesen wurde,
  • Einkünfte aus Drittstaaten und
  • Einkünfte aus dem Wohnsitzstaat, insoweit wie die speziellen Verteilungsnormen das Besteuerungsrecht noch nicht zugewiesen haben.

3 Praxisfragen

Aus dem Charakter der Regelung als Auffangvorschrift ergibt sich, dass ihre Anwendung nur dann erfolgen kann, wenn die spezielleren Verteilungsnormen nicht anzuwenden sind. Insoweit ist diese Norm nachrangig zu Art. 620 OECD-MA.

Den größten Anwendungsbereich hat die Vorschrift bei den Drittstaateneinkünften. Diese umfassen auch solche Einkünfte, die zwar grundsätzlich unter die Verteilungsnormen fallen würden, aber von diesen nicht erfasst werden, weil diese entweder auf den Wohnsitz- oder auf den Quellenstaat abstellen. Damit wird dem Charakter der DBA als bilaterale völkerrechtliche Vereinbarung Rechnung getragen mit der Konsequenz, dass sich hieraus keine Rückwirkungen für Drittstaaten ergeben können. Folglich kann die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Wohnsitzstaat auch nur für das bilaterale Verhältnis der Vertragsstaaten des DBA Bedeutung haben. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Drittstaat ebenfalls eine Besteuerung vornimmt. Gleichwohl soll durch die Zuweisung des Besteuerungsrechts das Problem begrenzt werden. Es müssen sich "lediglich" der Wohnsitzstaat und der Drittstaat über die Vermeidung der Doppelbesteuerung verständigen, was zwischen zwei Staaten regelmäßig deutlich einfacher ist, als unter Beteiligung dreier Staaten. Die hierbei anzuwendenden Regelungen können sowohl solche des Abkommensrechts (DBA zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Drittstaat) als auch solche des unilateralen Rechts sein.

Praktische Bedeutung haben diese Regelungen insbesondere in den folgenden Fällen:

  • Schadensersatzleistungen, die nicht dem betrieblichen Bereich zuzuordnen sind,
  • ein zur Gewinnrealisierung führender grenzüberschreitender Formwechsel und
  • private wiederkehrende Bezüge.

Häufig werden in den DBA Ausnahmeklauseln vorgesehen, wonach das Wohnsitzprinzip nicht gelten soll, sofern es sich um Einkünfte handelt, die einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung zuzuordnen sind.[1] Hierbei wird vorausgesetzt, dass die Wirtschaftsgüter bzw. die Einkünfte in einem funktionalen Zusammenhang zu der in der Betriebsstätte ausgeübten Betriebsstätte stehen. Damit handelt es sich im Ergebnis um Nebenerträge der Betriebsstätte, sodass hierfür auch entsprechende Besteuerungskonsequenzen gezogen werden sollen. Dies gilt auch für das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft. Diese Auffassung hat zur Konsequenz, dass Sonderbetriebsvermögen nur ausnahmsweise der Betriebsstätte zuzuordnen ist.

[1] Art. 21 Abs. 2 OECD-Musterabkommen.

4 Beratungshinweise

Da Art. 21 OECD-MA eine unmittelbare Zuweisung des Besteuerungsrechts vornimmt, kommt es insoweit nicht darauf an, ob im jeweiligen DBA der Freistellungsmethode des Art. 23A OECD-MA oder der Anrechnungsmethode des Art. 23B OECD-MA gefolgt wird.

Besondere Sorgfalt sollte darauf gelegt werden, die Aufwendungen im Zusammenhang mit den Einkünften nachweisen zu können. Dies gilt sowohl für den Veranlassungszusammenhang mit dem Einkommen als auch für deren Höhe. Andernfalls besteht die Gefahr, dass diese bei der Bestimmung der anderen Einkünfte nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten anerkannt werden. Dies würde im Wohnsitzstaat zu einer höheren Bemessungsgrundlage führen, während im Quellenstaat ein Abz...

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