BMF, 22.7.2022, IV A 3 - S 1910/22/10040 :010

Durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12. Juli 2022 (BGBl 2022 I S. 1142) wurden unter anderem die §§ 233, 233a, 238 und 239 AO geändert. Im Vordergrund steht dabei die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 8. Juli 2021, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, BGBl 2021 I S. 4303, geforderte rückwirkende Anpassung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019.

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt hierzu ergänzend zum AEAO zu § 233a ab sofort Folgendes:

 

1. Änderung des § 233 AO

1

In § 233 Satz 1 AO wurde klargestellt, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (vgl. § 37 AO) nur verzinst werden, soweit dies durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union vorgeschrieben ist.

2

§ 233 Satz 1 AO in der Fassung des Gesetzes vom 12. Juli 2022, a.a.O., (fortan: n.F.) gilt in allen Fällen, in denen Zinsen nach dem 21. Juli 2022 festgesetzt werden (Artikel 97 § 15 Absatz 13 EGAO).

 

2. Änderung des § 233a AO

 

2.1 Bestimmung der maßgebenden Karenzzeit (§ 233a Absatz 2 Satz 2 AO)

3

In § 233a Absatz 2 Satz 2 AO wurde klargestellt, dass bei der Entscheidung, ob die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwiegen, Kapitalerträge nach § 32d Absatz 1 und § 43 Absatz 5 EStG nicht zu berücksichtigen sind.

4

§ 233a Absatz 2 Satz 2 AO n.F. gilt in allen Fällen, in denen Zinsen nach dem 21. Juli 2022 festgesetzt werden (Artikel 97 § 15 Absatz 13 EGAO).

 

2.2 Reihenfolge der bei Berechnung von Erstattungszinsen maßgeblichen Zahlungen (§ 233a Absatz 3 Satz 4 und Absatz 5 Satz 4 AO)

5

Bei der Reihenfolge zu verzinsender Steuerzahlungen ist nach Nummer 23, 35, 53 und 56 des AEAO zu § 233a das „last in – first out”-Prinzip (LiFo-Prinzip) zugrunde zu legen. Diese langjährige Verwaltungspraxis wurde nun in § 233a Absatz 3 Satz 4 AO und für Änderungsfälle in § 233a Absatz 5 Satz 4 AO gesetzlich verankert.

6

§ 233a Absatz 3 Satz 4 und Absatz 5 Satz 4 AO n.F. gilt in allen Fällen, in denen Zinsen nach dem 21. Juli 2022 festgesetzt werden (Artikel 97 § 15 Absatz 13 EGAO).

 

2.3 Erlass von Nachzahlungszinsen bei freiwilligen Zahlungen (§ 233a Absatz 8 AO)

7

Die bislang in Nummer 70.1 des AEAO zu § 233a getroffene Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen bei „freiwilligen” Zahlungen wurde in § 233a Absatz 8 Satz 1 AO gesetzlich verankert. Wie Zahlungen sind auch andere „freiwillige” Leistungen vor Fälligkeit (z. B. bei Tilgung im Weg der Aufrechnung oder Verrechnung) zu berücksichtigen. § 233a Absatz 8 AO begründet wie bisher keinen eigenständigen Anspruch auf Erstattungszinsen.

8

Die Annahme freiwilliger Zahlungen und vergleichbarer Leistungen steht wie bisher im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts. Damit soll verhindert werden, dass das Finanzamt ohne sachliche Rechtfertigung der Zahlung oder Leistung als „Sparkasse” missbraucht werden kann. Anzunehmen sind aber wie bisher alle Zahlungen und Leistungen, die erkennbar zur Tilgung einer in naher Zukunft voraussichtlich fällig werdenden Steuerschuld geleistet werden; dazu gehören auch im Zusammenhang mit einer Außenprüfung aufgrund entsprechender Prüfungsfeststellungen geleistete Vorab-Zahlungen.

9

§ 233a Absatz 8 Satz 2 AO enthält eine Parallelregelung zu § 233a Absatz 3 Satz 4 AO für die Berechnung der nicht zu erhebenden Nachzahlungszinsen (Zuordnung von Zahlungen nach dem LiFo-Prinzip).

10

Nach § 233a Absatz 8 Satz 3 AO mindert sich der Zinserlass rückwirkend, wenn die dem Erlass zugrundeliegende Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach Maßgabe des § 233a Absatz 5 AO zugunsten des Steuerpflichtigen geändert wird.

11

§ 233a Absatz 8 Satz 4 AO stellt klar, dass eine abweichende Festsetzung oder ein Erlass von Nachzahlungszinsen aus anderen Gründen nach Maßgabe der §§ 163 und 227 AO zulässig bleibt.

12

§ 233a Absatz 8 AO ist in allen am 21. Juli 2022 anhängigen Verfahren sowie allen künftigen Verfahren anzuwenden (Artikel 97 § 15 Absatz 14 Satz 1 EGAO).

 

3. Änderung des § 238 AO

 

3.1 Zinssatz für die Verzinsung nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar (§ 238 Absatz 1a AO)

13

Zur Umsetzung des oben genannten BVerfG-Beschlusses vom 8. Juli 2021wurde der Zinssatz für die Verzinsung nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 in einem neuen Absatz 1a des § 238 AO eigenständig geregelt. Dabei wurde am Prinzip des einheitlichen und festen Zinssatzes festgehalten, zugleich aber auch eine regelmäßige Evaluation der Angemessenheit des Zinssatzes angeordnet (siehe unter 3.3).

14

Abweichend von dem für alle anderen Zinsen im Sinne des § 233 AO (insbesondere Stundungszinsen, Hinterziehungszinsen, Prozesszinsen und Aussetzungszinsen) unverändert geltenden Zinssatz nach § 238 Absatz 1 Satz 1 AO beträgt der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Ver...

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