Leitsatz

Aufwendungen für die Adoption eines Kindes sind keine außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 EStG.

 

Normenkette

§ 33 EStG

 

Sachverhalt

Die Eheleute K machten Aufwendungen für die Adoption eines Kindes (8.560 EUR) als außergewöhnliche Belastung geltend. Leibliche Kinder waren ihnen aus medizinischen Gründen (Sterilität) nicht möglich. Künstliche Befruchtungsmethoden lehnten sie aus ethischen und gesundheitlichen Gründen ab. Das FA und auch das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.10.2011, 6 K 1880/10, Haufe-Index 2879389, EFG 2012, 414) lehnten den Abzug dieser Aufwendungen als a.g.B. ab.

 

Entscheidung

Im Endergebnis bestätigte der BFH die Auffassung der Vorinstanz, hier keine außergewöhnlichen Belastungen anzunehmen.

 

Hinweis

1. Krankheitskosten, nämlich die Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen entstehen, um seine Krankheit zu heilen oder jedenfalls erträglich zu machen, werden als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 Abs. 1 EStG) berücksichtigt. Als Krankheit gilt auch eine organisch bedingte Sterilität als objektiv regelwidriger Körperzustand. Dementsprechend kann die heterologe Insemination durch ärztlichen Eingriff eine medizinische Maßnahme zur Beseitigung der unmittelbaren Krankheitsfolge der Kinderlosigkeit eines Paares sein. Dies gilt jedenfalls seit 2010, nachdem der Lohnsteuersenat die Rechtsprechung insoweit geändert hatte (dazu: BFH, Urteil vom 16.12.2010, VI R 43/10, BFH/NV 2011, 684, BFH/PR 2011, 177).

2. Daran schloss der nächste Schritt einer möglichen Rechtsentwicklung, nämlich, ob dann auch die Aufwendungen, die einem Paar dadurch entstanden waren, dass sie ein Kind adoptierten, um damit die Kinderlosigkeit zu beheben, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Dies hätte eine erneute Änderung der Rechtsprechung bedeutet (BFH, Urteil vom 13.3.1987, III R 301/84, BStBl II 1987, 495: "Aufwendungen … für die Adoption eines fremdländischen Kindes … sind keine … außergewöhnlichen Belastungen"). Diese wurde mit einer ersten Anfrage nach § 11 Abs. 3 FGO eingeleitet (vgl. dazu in diesem Verfahren: Vorlagebeschluss des Lohnsteuersenats vom 18.4.2013, VI R 60/11, BFH/NV 2013, 1725, BFH/PR 2013, 431 und Beschluss des Großen Senats vom 9.10.2014, GrS 1/13, BFH/NV 2015, 430, BFH/PR 2015, 138). Grundlage einer möglichen Rechtsprechungsänderung wäre gewesen, dass die Aufwendungen für eine Kinderadoption zwar nicht als Krankheitskosten zu qualifizieren sind. Adoptionskosten könnten jedoch aus anderen tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Denn Kinder zu haben, ist wohl ein zentraler Sinn des Lebens. Arterhaltung wurzelt in der Natur; auch in der des Menschen. Eine von der Rechtsgemeinschaft zu beachtende Zwangslage der Betroffenen ist daher nicht von vornherein zu verneinen. So hat es immerhin der Österreichische Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 6.7.2011, 2007/13/0150) auch mit Blick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kindern nicht ausgeschlossen, dass Adoptionskosten aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstehen können. Rechtsgrundlage dafür war § 34 der mit § 33 EStG vergleichbaren österreichischen Regelung zu den außergewöhnlichen Belastungen.

3. Im Endergebnis hat sich der BFH dann allerdings nicht zu einer dahingehenden Rechtsentwicklung entschlossen und die Frage, ob solche Aufwendungen wegen einer Zwangslage – als Folge der organisch bedingten Sterilität eines Partners – i.S.d. § 33 EStG zwangsläufig entstehen, verneint. Er begründet dies insbesondere aus der Perspektive des adoptierten Kindes selbst. Adoption diene primär der Fürsorge verlassener elternloser Kinder, also dem Wohl des Kindes (§ 1741 Abs. 1 BGB). Würde hingegen die Adoption einer medizinisch indizierten Heilbehandlung gleichgestellt, wäre das Kind Objekt und Mittel der Linderung einer Krankheit. Dies sei mit Art. 1 Abs. 1 und Abs. 3 GG unvereinbar (z.B. BFH, Beschluss vom 5.1.1990, III B 53/89, BFH/NV 1990, 430). Unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung beurteilt der BFH die Adoptionskosten daher weiterhin weder aus rechtlichen, sittlichen noch sonstigen tatsächlichen Gründen als zwangsläufig. Adoption sei eine freiwillige Entscheidung. Außergewöhnliche Belastungen seien aber Aufwendungen, die der Steuerpflichtige nicht individuell gestalten könne, auch wenn es um grundrechtlich geschützte Bereiche gehe (Verwirklichung des Kinderwunschs, Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.3.2015 – VI R 60/11

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