Leitsatz

1. Bei einem Windpark stellt einerseits jede einzelne Windkraftanlage einschließlich des dazugehörigen Transformators sowie der verbindenden Verkabelung, andererseits die externe Verkabelung sowie die Zuwegung im Regelfall ein jeweils eigenständiges Wirtschaftsgut dar (Bestätigung des BFH-Urteils vom 14.4.2011, IV R 46/09, BFH/NV 2011, 1232, BFH/PR 2011, 300, Haufe-Index 2690976). Der Beginn der Abschreibung ist für jedes Wirtschaftsgut eigenständig zu prüfen.

2. Die Abschreibung der Windkraftanlage kann zwar schon vor deren Inbetriebnahme beginnen. Im Falle ihrer Anschaffung ist jedoch erforderlich, dass (Eigen‐)Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen und dieser damit das wirtschaftliche Eigentum an der Windkraftanlage erlangt.

3. Sind am Bilanzstichtag nicht alle Einzelkriterien erfüllt, bedarf es einer wertenden Beurteilung anhand der Verteilung von Chancen und Risiken, die aus dem zu bilanzierenden Vermögensgegenstand erwachsen. Danach setzt die Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums aber jedenfalls dann den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs voraus, wenn der Verkäufer (Werklieferer) eine technische Anlage zu übereignen hat, die vom Erwerber erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 EStG 1997/2002; § 39 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Windkraftwerkunternehmen in der Rechtsform einer GmbH, hatte 2000 einen Kaufvertrag mit einer anderen GmbH über den Erwerb von zwei Windkraftanlagen (WKA) geschlossen. Nach § 2 des Kaufvertrags (KV) war die S GmbH zur Lieferung von zwei "betriebsfertigen und betriebsfähigen" WKA ... frei Baustelle einschließlich Kraneinsatz, Montage und Inbetriebnahme am Standort sowie von zwei mit dem Energieversorgungsunternehmen abgestimmten Trafostationen einschließlich der Niederspannungsverkabelungen zu den WKA verpflichtet. Der Kaufpreis in Höhe von insgesamt 5,3 Mio. DM (netto) wurde nach § 4 KV ratenweise fällig: zu 10 % bei Vorliegen der vorbehaltlosen Finanzierungszusage und des vorbehaltlosen Kaufvertrags, zu 85 % bei Errichtung der jeweiligen WKA und zu 5 % nach Abschluss des Probebetriebs. Der Probebetrieb sollte mit der ersten Hauptinspektion enden und zusammen mit dieser sollte "die Abnahme der Anlage durch den Käufer erfolgen" (§ 4 Nr. 1.3 KV). Hierbei war die ordnungsgemäße Funktion der WKA von den Vertragsparteien zu prüfen und ein Abnahmeprotokoll zu erstellen, in das im Falle der uneingeschränkten Betriebsfähigkeit der WKA auch die Maßnahmen und Fristen zur Behebung etwaiger Mängel und die Höhe eines Teilrückbehalts der dritten Kaufpreisrate einzutragen waren (§ 4 Nr. 2 KV). Nach Beendigung der Abnahme sollte die Gefahr auf den Käufer übergehen (§ 13 KV). Nach § 7 KV hatte die Klägerin rechtzeitig die Anlagenfundamente zu erstellen (Nr. 3 f.), für eine feste Zuwegung zu den Fundamenten (Nr. 7) sowie vor Beginn der Montagearbeiten für die Netzanbindung, d.h. die Herstellung eines Stromanschlusses (Mittelspannung) "bis zu den Endverschlüssen der (von der Verkäuferin gelieferten) Trafostationen (zu sorgen), sodass die jeweilige WKA unmittelbar nach Aufstellung in Betrieb genommen werden (konnte)" (Nr. 6). Nach § 17 Nr. 1 Satz 2 KV bedurften Änderungen und Ergänzungen des Vertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Die WKA wurden im Dezember 2000 auf dem von der Klägerin gemieteten Grund und Boden errichtet. Die WKA wurden vor Ort überprüft, und die Klägerin ging davon aus, dass die Anlagen Ende Januar ans Netz gehen könnten. Zugleich wurde von der Klägerin der Auftrag zur Verlegung eines Erdkabels (Mittelspannung) von den Trafostationen der WKA zur Stromübergabestation erteilt. Anschließend wurde am 8.2.2001 erstmals Strom in das Netz des Energieversorgungsunternehmens eingespeist.

Nach den von den Vertretern beider Vertragsparteien unterzeichneten "Inbetriebnahme- und Abnahmeprotokollen" vom 16.5.2001 sind die Windenergieanlagen im März 2001 erfolgreich in Betrieb genommen worden. Nach einem weiteren Protokoll vom 16.5.2001 ("Abnahmeprotokoll") ging die "Verfügungsgewalt" über die WKA "mit heutiger Wirkung" sowie die "Beweisführungspflicht eines mangelhaften Produkts (auf die Klägerin) über"; der vertraglich vereinbarte Probebetrieb sei abgeschlossen.

Am 22.12.2000 war der Klägerin eine Schlussrechnung erteilt worden. Daraufhin leistete die Klägerin, die zuvor (30.10.2000/14.12.2000) bereits Abschlagszahlungen erbracht hatte, am 2.2.2001 weitere Zahlungen. Die Restzahlung (= 5 % des Bruttokaufpreises), die mit Abschluss des Probebetriebs fällig wurde, ist von der Klägerin im Jahre 2001 erbracht worden.

Die Klägerin ging zunächst von einer einheitlichen "Gesamtanlage" (WKA einschließlich Zuwegung, externer Verkabelung sowie Übergabestation) aus und schrieb diese erstmals im Streitjahr 2000 gem. § 7 Abs. 2 EStG mit 25 % ihrer Anschaffungs- und Herstellungskosten ab.

Das FA lehnte das ab: Das wirtschaftliche Eigentum sei erst mit der Abnahme der Anlagen im M...

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