1 Systematische Einordnung

Zinsrichtlinie und Zinsabkommen, insbesondere das Zinsabkommen Deutschland-Schweiz, dienen der Verhinderung der Verlagerung von Kapitalvermögen in niedrig besteuernde Gebiete oder in Gebiete, in denen infolge des strikten Bankgeheimnisses unversteuertes Vermögen ("Schwarzgeld") angelegt werden kann.

Zur Vermeidung einer solchen missbräuchlichen Verlagerung von Kapitalvermögen zwischen Staaten der EU wurde die Zinsrichtlinie erlassen.[1]

Die EU hat mit der Schweiz und einigen anderen Finanzzentren, wie den Kanalinseln, Isle of Man, Anguilla, Aruba, Britische Jungferninseln, Cayman-Inseln, Montserrat, Niederländischen Antillen und den Turks- und Caicosinseln, entsprechende Verträge abgeschlossen. Die Vereinbarung mit der Schweiz wurde im Rahmen der Bilaterale-II-Verträge getroffen.[2] Als Gegenleistung für das Entgegenkommen der Schweiz bezüglich der Besteuerung von Zinserträgen hat die EU die Geltung der Mutter-Tochter-Richtlinie und der Zins- und Lizenzrichtlinie auf die Schweiz ausgedehnt.[3]

Da das EU-Zinsabkommen mit der Schweiz das Problem der Verlagerung von Kapitalvermögen nicht gänzlich löst, hat die Bundesrepublik ein eigenständiges Zinsabkommen mit der Schweiz abgeschlossen (international "Rubik-Agreement" genannt).[4] Dieses Abkommen ist wegen seiner Ablehnung durch den Deutschen Bundesrat nicht in Kraft getreten.

Zu nationalen Maßnahmen gegen niedrig besteuernde Gebiete vgl. "Steueroasen/nicht kooperierende Gebiete".

[1] Richtlinie 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABlEG L 157, 38 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch Richtlinie 2006/98/EG v. 20.12.2006, ABlEG L 363, 129 v. 20.12.2006.
[2] Abkommen zwischen der EG und der Schweizerischen Eidgenossenschaft v. 26.10.2004, ABlEG L 385, 30 v. 29.12.2004.
[3] Vgl. Art. 15 des Zinsabkommens Schweiz.
[4] BT-Drs. 17/10059.

2 Inhalt

2.1 Zinsrichtlinie

Die Zinsrichtlinie soll die effektive Besteuerung von Zinserträgen von natürlichen Personen sicherstellen, die in einem anderen EU-Staat als dem EU-Quellenstaat ansässig sind (vgl. "Ansässigkeit"). Dabei stellt die Richtlinie auf den wirtschaftlichen Eigentümer, nicht auf den Zahlungsempfänger, ab.

Die Richtlinie erlegt der Zahlstelle der Zinsen bestimmte Pflichten auf. Zahlstelle ist nach Art. 4 der Richtlinie jeder Wirtschaftsbeteiligte, der dem wirtschaftlichen Eigentümer Zinsen zahlt oder Zinszahlungen zu dessen Gunsten einzieht.

Die Zahlstelle der Zinsen muss die Identität des wirtschaftlichen Eigentümers anhand seiner Ausweispapiere ermitteln; anonyme Konten sind daher verboten. Ist der wirtschaftliche Eigentümer in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig als die Zahlstelle, muss diese der Finanzbehörde des Ansässigkeitsstaats des Eigentümers die in Art. 8 der Richtlinie aufgeführten Daten automatisch übermitteln. Statt der Auskunftserteilung können Belgien, Luxemburg und Österreich für einen Übergangszeitraum eine Quellensteuer auf die Zinsen von 35 % erheben. Davon fließen 75 % an den Ansässigkeitsstaat des Eigentümers der Zinseinkünfte, 25 % behält der Quellenstaat. Der Eigentümer kann diese Steuer in seinem Ansässigkeitsstaat anrechnen lassen. Luxemburg wird sich ab 2015 am Datenaustausch beteiligen.

§ 45e EStG ermächtigt die Bundesregierung zur Umsetzung der Zinsrichtlinie in Deutschland durch eine Rechtsverordnung. Dies ist durch die Zinsinformationsverordnung[1] geschehen. Hierzu ist ein umfangreiches BMF-Schreiben ergangen.[2] Meldeverpflichtungen bestehen für Wirtschaftsbeteiligte, die in Ausübung ihres Gewerbes, und nicht nur anlässlich der Gewerbeausübung, Zinsen zahlen oder einziehen. Betroffen von dieser Verpflichtung sind i. d. R. nur Banken und Kreditinstitute. Die Zahlung von Zinsen durch ein Unternehmen aus einem aus betrieblichen Gründen aufgenommenen Darlehen erfolgt nur anlässlich der Ausübung des Gewerbes, nicht "in" Ausübung, und unterliegt daher nicht der Meldepflicht. Meldepflicht kann aber darüber hinaus in Sonderfällen bestehen, z. B. für einen Rechtsanwalt für ein Anderkonto.[3]

[1] ZIV v. 26.1.2004, BStBl I 2004, 297.
[2] BMF v. 6.1.2005, IV C 1 – S 2000 – 363/04, BStBl I 2005, 29, Schreiben aufgehoben durch BMF v. 30.1.2008, IV C 1 – S 2402 – a/0, BStBl I 2008, 320; Änderungen durch BMF v. 20.9.2013, IV C 1 – S 2402-a/0 021, BStBl I 2013, 1182.
[3] Vgl. hierzu BMF v. 6.1.2005, IV C 1 – S 2000 – 363/04, Tz. 21ff., BStBl I 2005, 29; Schreiben aufgehoben durch BMF v. 30.1.2008, IV C 1 – S 2402 – a/0, BStBl I 2008, 320; Änderungen durch BMF v. 20.9.2013, IV C 1 – S 2402-a/0 021, BStBl I 2013, 1182.

2.2 Zinsabkommen der EU mit der Schweiz

In dem Zinsabkommen der EU mit der Schweiz verpflichtet sich diese, bei in der Schweiz niedergelassenen Zahlstellen eine Quellensteuer von 35 % auf Zinszahlungen an einen in der EU ansässigen Nutzungsberechtigten zu erheben. Die Einnahmen werden zu 75 % an den Ansässigkeitsstaat weitergeleitet, zu 25 % verbleiben sie der Schweiz. Der Quellensteuerabzug unterbleibt, wenn der Nutzungsberechtigte die Zahlstelle in der Schweiz ermächtigt, Auskunft an die Finanzbehörde des Ansässigkeitsstaats zu erteilen. Die Zahlstelle meldet dann die Zinszahlu...

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