In turbulenten, von Komplexität und Unsicherheit geprägten Zeiten ist es ratsam, die Bearbeitung der Kanzleistrategie nicht alle paar Jahre als Projekt durchzuführen, sondern in einem kontinuierlichen Fokus zu halten und langfristig in den Alltag und das Handeln der Kanzlei zu integrieren. Das spricht mehr für einen Prozess als für ein Projekt. Und wenn die akute Belastung in der Kanzlei für längere Zeit hoch ist, sollte bei operativen Entscheidungen die Auswirkung auf die Zukunft zumindest mitbedacht werden.

Im Folgenden wird ein idealtypischer Strategieprozess auf Basis der sog. Strategieschleife (R. Nagel) beschrieben. Dieser Prozess bildet die komplette Strategie ab, mit der die Zukunft und Entwicklung der Kanzlei geplant werden kann. Er ist insofern idealtypisch, weil in der Praxis häufig einzelne Teile davon ablaufen. Deshalb ist dieser Prozess auch integrativ für andere Führungs- und Managementprozesse eines Kanzleimanagementsystems zu sehen und somit die wesentliche Grundlage für eine systematische und strukturierte Kanzleientwicklung. Die Zielsetzung dieses Prozesses ist es, dass die Kanzlei ausgehend von einer umfassenden internen und externen Analyse verschiedene Entwicklungsszenarien für die Zukunft entwickelt, eine Entscheidung für die angestrebte Entwicklung trifft und auf Basis dieser Entscheidung die strategische Positionierung vornimmt sowie alle notwendigen Entwicklungsschritte plant und in einen Umsetzungsprozess überführt.

Angesichts des wohl in vielen Kanzleien alltagsüblichen Drucks des Tagesgeschäfts, der generellen Prägung des Arbeitsalltags von Steuerberatern durch Besprechung mit Mitarbeitern und Mandanten sowie den üblichen unvorhergesehenen und unvermeidbaren Aktivitäten ist es ratsam, die Strategieplanung der Kanzlei in einer bewussten Auszeit vorzunehmen. Das können 2 Tage im Jahr sein, oder auch 2 Stunden alle 14 Tage. Und dabei geht es nicht um eine einmalige Sonderaktion, sondern darum, wichtige strategische Eckpunkte einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen, damit die Kanzlei auf der Höhe bleibt, auch wenn unvorhergesehene und überraschende Entwicklungen das strategische Umfeld der Kanzlei völlig verändern.

 
Hinweis

Kleinere Kanzleien müssen mit ihren Ressourcen besonders haushalten

Der hier vorgeschlagene Strategieprozess, die einzelnen Bestandteile und die angesprochenen Tools sind als idealtypische Vorschläge und als Auswahl, die ergänzt werden kann, zu sehen. In der Praxis werden einzelne Teilbereiche der Strategieschleife in unterschiedlichen Zeiterfolgen und unterschiedlicher Intensität bearbeitet werden – das trifft insbesondere auf kleine Kanzleien zu, in denen wenig Kapazität auf Führungsebene für Strategiearbeit vorhanden ist.

Natürlich ist es sinnvoll, die einzelnen Schritte des Strategieprozesses in der richtigen Reihenfolge zu durchlaufen. Dennoch kann es sein, dass sich erst in der Detailplanung wichtige grundlegende Erkenntnisse bilden, auf deren Basis ggf. die Strategie angepasst wird. Das ist keinesfalls problematisch, sondern liegt in der Natur der Sache.

Die Schleifenform symbolisiert das Auftauchen aus dem operativen Fluss des Tagesgeschäfts in eine strategische Perspektive, aus der man bestimmte Zusammenhänge anders beobachten und leichter neue Ansätze entwickeln kann als in den Zwängen des Alltags. Die Schleifenform verdeutlicht auch, dass man wieder in den operativen Fluss einschwenken muss. Sie ist der Versuch, die eingeschlossenen Tagesroutinen im Sinne der definierten Strategie zu beeinflussen und strategiekonform umzulenken. Der rote Faden dieser Reflexionsschleife umfasst die folgenden einzelnen Denkschritte:

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(c) Haufe Redaktion

3.1 Strategische Analyse und Entwicklung von Zukunftsoptionen

Im ersten Drittel der Strategieschleife, das die Phasen strategischer Optionen sowie Entscheidungen zwischen Strategieoptionen beinhaltet, geht es zunächst darum, das "Hier und Jetzt" der Kanzlei und ihres relevanten Umfelds sowie plausible Annahmen über mögliche zukünftige Entwicklungen wahrzunehmen, zu erkennen und zu analysieren. Dann wird in den wichtigsten Eckpunkten entschieden, in welche Richtung die Zukunftsreise der Kanzlei gehen soll. Je nach Volatilität des wirtschaftlichen Umfelds der Kanzlei sollte dieser Bereich jährlich bis quartalsweise mit Aufmerksamkeit bedacht werden.

3.1.1 Strategische Analyse

Die strategische Analyse dient dem Zweck, den strategischen Handlungsbedarf Ihrer Kanzlei aus verschiedenen Blickwinkeln zu konkretisieren und die eigenen persönlichen Annahmen über Märkte, Mandanten, relevante Technologien und Geschäftsmodelle in der Steuerberatung intensiv zu hinterfragen.

Es geht darum, zunächst den Wahrnehmungshorizont zu erweitern – deutlich über die Perspektiven des Tagesgeschäfts hinaus. 3 Blickrichtungen sind für eine gründliche Analyse, unabhängig vom Umfang und der Intensität der Nutzung der Analyseinstrumente, einzunehmen:

  1. Außenperspektiven Mandanten, Wettbewerber, Branchendynamik, Marktpotenziale, andere relevante Marktteilnehmer)
  2. Zukunftsperspektiven (Defin...

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