vorläufig nicht rechtskräftig

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VIII R 7/18)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung bestandskräftiger ESt-Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2a AO aufgrund nacherklärter Kapitaleinkünfte

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen der Änderung von Bescheiden nach § 173 Abs. 1 Nr. 2a AO.
  2. Werden nach bestandskräftig durchgeführter Steuerfestsetzung bisher nicht erklärte und dem Steuerabzug unterworfene Kapitalerträge nachträglich bekannt und wird in diesem Zusammenhang erstmals ein Antrag auf Günstigerprüfung gestellt, ist für die Frage, ob die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen nach § 173 Abs. 1 AO zu einer höheren oder niedriger Steuer führen, eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des Ergebnisses nach Günstigerprüfung durchzuführen.
  3. Ggf. ist bei dieser Gesamtbetrachtung ist auch die mit Abgeltungssteuerwirkung einbehaltene Kapitalertragsteuer einzubeziehen.
  4. Werden auch nicht dem inländischen Steuerabzug unterworfene Kapitalerträge nacherklärt, die auch ohne Antrag auf Günstigerprüfung zur Festsetzung der Steuer nach § 32d Abs. 1 EStG durch eine Erhöhung der tariflichen ESt führen, ist das Verschulden unbeachtlich.
  5. Die Kapitalerträge sind selbst dann steuererhöhende Tatsachen, wenn die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer nach der ZIV zu einer Steuererstattung führt. Eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung der Steueranrechnungsbeträge kommt nicht in Betracht.
 

Normenkette

AO § 173; EStG § 2 Abs. 6 S. 1, § 32d Abs. 1, 3, 6

 

Streitjahr(e)

2010, 2011, 2012

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.03.2021; Aktenzeichen VIII R 7/18)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2012 aufgrund nacherklärter Kapitaleinkünfte geändert werden können, wenn die nachträgliche Anrechnung der damit in Zusammenhang stehenden einbehaltenen Kapitalertragsteuern zuzüglich Solidaritätszuschlags und ausländischer Quellensteuer nach der ZIV insgesamt zu Steuererstattungen führen.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren neben geringfügigen Einkünften aus gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit auch Einkünfte aus Kapitalvermögen. In den eingereichten Einkommensteuererklärungen erklärte er

für den Veranlagungszeitraum 2010 Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 2.160 € nebst Kapitalertragsteuer in Höhe von 333,46 €, Solidaritätszuschlag in Höhe von 18,27 € und angerechnete ausländische Steuern in Höhe von 6,40 €,

für den Veranlagungszeitraum 2011 Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 2.160 € nebst Kapitalertragsteuer in Höhe von 501,21 €, Solidaritätszuschlag in Höhe von 27,54 € und angerechnete ausländische Steuern in Höhe von 6,64 €,

für den Veranlagungszeitraum 2012 Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 5.109 € nebst Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.071,04 €, Solidaritätszuschlag in Höhe von 58,84 € und angerechnete ausländische Steuern in Höhe von 6,02 €

und beantragte jeweils die Durchführung der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG.

Die Anwendung der Günstigerprüfung führte in den Streitjahren durch die Hinzurechnung der Kapitaleinkünfte zu den übrigen Einkünften und der Unterwerfung unter die tarifliche Einkommensteuer zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern, da insgesamt der steuerliche Grundfreibetrag in den Streitjahren auch unter Einbeziehung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht überschritten wurde.

Mit den Bescheiden für die Streitjahre 2010 bis 2012 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 26.01.2012, 28.02.2013 und 05.03.2014 unterwarf der Beklagte daher die Kapitaleinkünfte der tariflichen Einkommensteuer und setzte die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag jeweils mit 0 € fest. Dies führte in den Streitjahren zur Erstattung der anrechenbaren Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags in voller Höhe.

Nach Eintritt der Bestandskraft der streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erklärte der Kläger mit Schreiben vom 10.12.2014 gegenüber dem beklagten

Finanzamt unter anderem für diese Streitjahre - die nachfolgend dargestellten - bisher nicht erklärten Kapitalerträge, die teilweise dem inländischen Steuerabzug und teilweise nicht dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben, nach. Unter Beifügung der insoweit geänderten Anlagen KAP und unter Vorlage der Original-Steuerbescheinigungen beantragte der Kläger die Verrechnung der anrechenbaren Steuerabzugsbeträge (Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und anzurechnende Quellensteuern nach der ZIV) mit der persönlichen Einkommensteuer.

Zeile

VZ 2010

VZ 2011

7

Kapitalerträge, die dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben

4.668,67 €

8.335,13 €

15

Kapitalerträge, die nicht dem inländischen Steuerabzug unterlegen haben

7.384,44 €

6.783,15 €

16

In Zeile 15 enthaltene Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen

1.620,41 €

17

In Zeile 16 enthaltene Gewinne aus Aktienveräußerungen

1.620,03 €

49

Kapitalertragsteuer

1.165,30 €

2.081,99 €

50

Solidaritätszuschlag

62,03 €

114,44 €

52

...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Basic. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge