1 Systematische Einordnung

Um ihre Untersuchungspflicht nach § 88 Abs. 1 AO erfüllen zu können, bedient sich die Finanzverwaltung der Mitwirkungspflichten des Stpfl. nach § 90 AO. Dabei begründet § 90 Abs. 1 S. 1 AO eine allgemeine Mitwirkungspflicht, die an anderen Stellen der AO konkretisiert wird. Aus völkerrechtlichen Gründen können deutsche Finanzbehörden im Ausland grundsätzlich keine Sachaufklärung durchführen, zumindest wenn sich der andere Staat nicht hiermit einverstanden erklärt. Aus diesem Grund konstatiert § 90 Abs. 2 AO erweiterte Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten, die diesen Nachteil ausgleichen sollen.[1] Die Regelungen gelten für Steuerausländer mit Inlandsbezug und Steuerinländer mit Auslandsbezug.

2 Inhalt

§ 90 Abs. 2 AO weitet die allgemeinen Mitwirkungspflichten des Beteiligten für den Fall aus, dass sich der Sachverhalt auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO erstreckt. Die Erweiterung schlägt sich in Sachaufklärungs-, Beweismittelbeschaffungs- und Beweisvorsorgepflichten sowie in der Möglichkeit nieder, unter bestimmten Umständen besondere Erklärungs- und Versicherungspflichten zu verlangen. Deutschland hat in zahlreichen neueren DBA eine sog. "große Auskunftsklausel" vereinbart oder gesonderte Rechts- und Amtshilfeabkommen abgeschlossen ("Auskunftsverkehr"). Ein Rückgriff auf ausl. Behörden kann aber erst erfolgen, wenn die inl. Sachaufklärungsmaßnahmen – einschließlich der Nutzung des § 90 Abs. 2 AO – nicht zum Ziel geführt haben bzw. keinen Erfolg versprechen. Die gilt auch in den Fällen der EU-Amtshilferichtlinie.[1]

Nach § 90 Abs. 2 AO hat der Beteiligte den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel nicht nur zu benennen, sondern auch zu beschaffen. Ggf. ist ein ausl. Zeuge zu stellen, ohne dass es hierfür einer Ladung durch das FG bedarf.[2] Ferner hat der Stpfl. durch entsprechende Vertragsgestaltung dafür vorzusorgen, dass er entsprechende Beweismittel beschaffen kann. Außerdem muss er Unterlagen eines Dritten vorlegen, auf deren Überlassung er zwar keinen Rechtsanspruch hat, die er sich aber tatsächlich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann.[3] Erhöhte Mitwirkungspflichten bestehen u. a. bei der Ermittlung von im Ausland entstandenen Aufwendungen, z. B. Anschaffungskosten[4], bei der Darlehensgewährung oder Provisionszahlung an einen im Ausland ansässigen Empfänger[5], hinsichtlich der Beibringung von Bankbelegen bei einem im Ausland geführten Konto[6] und beim Abzug von im Rahmen von Geschäftsbeziehungen zu einem ausl. Finanzmakler getätigten Provisionszahlungen als Betriebsausgaben.[7]

Nach § 90 Abs. 2 S. 2 AO hat der Stpfl. alle für ihn bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies gilt auch, wenn es sich dabei um Geschäftsgeheimnisse handelt, deren Mitteilung nach ausl. Recht strafbar ist, aber eine Bestrafung nicht tatsächlich droht. Ferner muss Beweisvorsorge getroffen werden, um diese erhöhten Mitwirkungspflichten erfüllen zu können. Dies kann z. B. durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen geschehen. Bei einer Außenprüfung gelten – wie im Inlandsfall – die ergänzenden Bestimmungen des § 200 Abs. 1 AO. Insoweit bestehen keine Besonderheiten. Außerdem ist auf die Regelungen zum Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO zu verweisen.

[1] Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG, ABl. EU 2011, L 64/1.
[2] Der BFH hat hierin keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht gesehen; BFH v. 12.2.2010, VIII B 192/09, BFH/NV 2010, 833; BFH v. 15.12.2005, IX B 131/05, BFH/NV 2006, 904.
[4] BFH v. 19.3.1996, VIII R 15/94, BStBl II 1996, 312.
[7] BFH v. 25.11.1986, VIII R 189/85, BFH/NV 1987, 486; zu weiteren Fällen Rätke, in Klein, AO, 2012, § 90 AO Rz. 23.

3 Praxisfragen

Häufig ist streitig, wo die Grenzen für die erweiterten Mitwirkungspflichten liegen. Dies kann nur im jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Hierbei kommt es darauf an, welche Maßnahmen der Finanzbehörde und dem Stpfl. möglich sind. Weitere Grenzen bilden die Grundsätze der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit.

Mitwirkungspflichtig ist grundsätzlich jeder Beteiligte i. S. v. § 78 AO. Voraussetzung für eine Heranziehung durch die Finanzverwaltung ist jedoch, dass diese zur Aufklärung eines steuererheblichen Sachverhalts notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar ist. Insoweit sieht das Gesetz kein Mitwirkungsverweigerungsrecht vor, sodass ein Beteiligter u. U. auch ihn belastende Tatsachen mitteilen muss.

4 Beratungshinweise

Die Regelung führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Vielmehr gilt auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die objekti...

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