• 2019

Unterlassen einer Abweichungsanfrage / Nichtanrufung des Großen Senats / § 11 Abs. 2 FGO / § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO

 

Nach § 11 Abs. 2 FGO entscheidet der Große Senat des BFH, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will. Eine Vorlage an den Großen Senat ist nach § 11 Abs. 3 S. 1 FGO nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält. Der V. Senat des BFH ist mit seinem Urteil v. 22.11.2018, V R 65/17 von der ständigen Rechtsprechung des XI. Senats des BFH abgewichen. Er hat die dort aufgeworfene Problematik ohne Abweichungsanfrage beim XI. Senat unter Änderung der Rechtsprechung entschieden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche rechtlichen und tatsächlichen Konsequenzen ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 und 3 Satz 1 FGO hat. Trotz Verletzung der Vorlagepflicht bleibt die getroffene Entscheidung wirksam. Sie berührt aber den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Garantie des gesetzlichen Richters. Geltend gemacht werden kann dies mit der Verfassungsbeschwerde oder der Wiederaufnahmeklage beim BFH. Die Nachprüfung der Einhaltung von § 11 Abs. 2 und 3 Satz 1 FGO im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde beschränkt sich auf eine Willkürkontrolle. Entsprechendes gilt auch bei einer Wiederaufnahmeklage. Willkür liegt vor, wenn sich dem Gericht die Notwendigkeit einer Vorlage hätte aufdrängen müssen. Dies dürfte vorliegend der Fall gewesen sein. Bleibt der XI. Senat bei seiner Rechtsprechung, muss er beim V. Senat anfragen und ggf. den Großen Senat anrufen. Entsprechendes gilt auch, wenn der V. Senat bei seiner Rechtsprechung bleibt. Frühere Fehlbeurteilungen hinsichtlich der Anfragepflicht suspendieren die Anfragepflicht nicht.

(so Lange, Unterlassen einer Abweichungsanfrage und Nichtanrufung des Großen Senats des BFH trotz Divergenz, UR 2019, 361)

Nichtvorlage beim EuGH / Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG / § 11 Abs. 2 FGO / § 11 Abs. 3 FGO

 

Der V. Senat des BFH ist mit seinem Urteil v. 22.11.2018, V R 65/17 von der ständigen Rechtsprechung des XI. Senats des BFH abgewichen. Er hat die dort aufgeworfene Problematik ohne Abweichungsanfrage (§ 11 Abs. 2 und 3 FGO) beim XI. Senat – obwohl diese erforderlich gewesen sein dürfte - unter Änderung der Rechtsprechung entschieden. Dies dürfte mit dem Grundsatz der Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nicht vereinbar sein. Des Weiteren dürfte hinsichtlich der obigen Problematik auch eine Vorlage an der EuGH erforderlich gewesen sein. Diese ist bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend. Auch insoweit dürfte ein Verstoß gegen den Grundsatz der Garantie des gesetzlichen Richters gegeben sein.

(so Stadie, Nichtanrufung des Großen Senats des BFH und Nichtvorlage beim EuGH zur Nichtunternehmerschaft einer Bruchteilsgemeinschaft, UR 2019, 529)

Nichtzulassungsbeschwerde/Regressfalle/§ 115 FGO

 

Der BFH entscheidet jährlich über etwa 1.200 Nichtzulassungsbeschwerden. Diese haben, soweit sie von Seiten des Stpfl. betrieben werden, nur zu einem geringen Anteil Erfolg. Die unterlegene Partei kann Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, wenn das FG die Revision gegen seine Entscheidung nicht zulässt. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung sind darzulegen. Die Rechtssache muss grundsätzliche Bedeutung haben oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung müssen ein korrigierendes Eingreifen des BFH notwendig machen. Gestützt werden kann die Nichtzulassungsbeschwerde auch auf einen entscheidungserheblichen Mangel des vor dem FG geführten vorinstanzlichen Verfahrens. Die Durchführung eines entsprechenden Verfahrens sollte nur nach einer eingehenden Prüfung der Erfolgsaussichten empfohlen werden. Auch ist eine fundierte Beschwerdebegründung zu erstellen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass aus den Zurückweisungsbeschlüssen des BFH vielfach auch für nicht sachkundige Mandanten die unzureichende Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde oder die defizitäre vorinstanzliche Prozessführung eindeutig zu erkennen sind. Dies kann entsprechende Schadensersatzansprüche zur Folge haben. Wird der Berater beauftragt, die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde ergebnisoffen zu prüfen, hat er von der Durchführung des Verfahrens abzuraten, wenn er dieses nicht für erfolgversprechend hält. Besteht der Mandant auf die Durchführung des Verfahrens, verliert der Berater seinen Vergütungsanspruch nicht, wenn er den Auftrag kündigt. Er ist nicht verpflichtet, einer entsprechenden Weisung des Mandanten zu folgen. Wurde das Mandat mit der Maßgabe erteilt und angenommen, die Nichtzulassungsbeschwerde auf jeden Fall durchzuführen, besteht grundsätzlich eine Durchführungspflicht. Eine Deckungszusage führt für den Berater nur dann zu einem Vertrauenstatbestand, wenn die Rechtsschutzversicherung über die mangelnden Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde informier...

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