• 2019

Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO im Rahmen der Steuerfreistellung von Sanierungserträgen bei Altfällen / § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO / § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG / § 36 Abs. 2c Satz 3 GewStG

 

Nach § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG und § 36 Abs. 2c Satz 3 GewStG gilt die Steuerbefreiung für Sanierungserträge nach § 3a EStG bzw. § 7b GewStG auch für Sachverhalte, bei denen die Sanierungserträge infolge eines vor dem 9.2.2017 ausgesprochenen ganzen oder teilweisen Schuldenerlass entstanden sind (Alt-Fälle). Fraglich ist, ob eine Änderung der ESt- bzw. KSt-Festsetzung oder der Festsetzung des GewSt-Messbetrags in Fällen von deren Bestandskraft nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erreicht werden kann. Dies dürfte zu bejahen sein. Die Anwendung von § 3a EStG bzw. § 7b GewStG auf Alt-Fälle setzt einen entsprechenden Antrag voraus. Bei dem Antrag dürfte es sich auf Grund des Systemwechsels um ein rückwirkendes Ereignis handeln. Als zeitliche Grenze für die Antragstellung dürfte der Eintritt der Festsetzungsverjährung anzusehen sein. Im Übrigen dürfte dadurch, dass § 7b GewStG auch in Alt-Fällen gilt, in denen die Gemeinden die Durchführung von Billigkeitsmaßnahmen abgelehnt haben, bei Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in bestandskräftigen Fällen auch insoweit eine "Wiederaufrollung" möglich sein, da nunmehr bei entsprechender Antragstellung die Entscheidungen von der FinVerw zu treffen sind.

(so Hasbach, Steuerfreistellung von Sanierungserträgen bei "Alt-Fällen" - Ein Anwendungsfall von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, DB 2019, 871)

Rückabwicklung von Verträgen als rückwirkendes Ereignis / Wegfall der Geschäftsgrundlage / § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

 

Fraglich ist, ob durch schuldrechtliche Vereinbarungen Verträge mit steuerlicher Rückwirkung i. S. v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückabgewickelt werden können. Dies ist grundsätzlich zu verneinen. Derartige schuldrechtliche Vereinbarungen haben keine steuerliche Rückwirkung. Eine Ausnahme gilt in den Fällen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage i. S. v. § 313 BGB. Geschäftsgrundlage sind die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien, die zwar nicht Vertragsinhalt, aber dem Vertragsschluss von beiden Vertragsparteien zugrunde gelegt worden sind. Eine Geschäftsgrundlage in diesem Sinne kann auch ein gemeinsamer Irrtum über die steuerlichen Folgen des abgeschlossenen Vertrags sein. Sind die steuerlichen Folgen des abgeschlossenen Vertrags zur Vertragsgrundlage gemacht worden und wird der Vertrag wegen Nichteintritt dieser rückabgewickelt, liegt ein Anwendungsfall von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor.

(so Prokopp, Rückabwicklung von Verträgen als rückwirkendes Ereignis, NWB 2019, 2453)

Ausübung von steuerlichen Wahlrechten/Rückwirkendes Ereignis/§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

 

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausübung von Wahlrechten, die keiner gesetzlichen Befristung unterliegen, nur bis zur Bestandskraft möglich. Auch führt die Wahlrechtsausübung nicht zur Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Fraglich ist, ob dieser Auffassung zu folgen ist. Dies dürfte zu verneinen sein. Die Ausübung eines Wahlrechts stellt ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar. Geltung hat dies nicht nur für die erstmalige Ausübung eines Wahlrechts, sondern auch für dessen spätere Änderung. Von daher dürfte die Ausübung von Wahlrechten immer zur Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO führen. In Ausnahmefällen dürfte die Ausübung eines Wahlrechts auch die Anwendung von § 173 Abs. 1 AO zur Folge haben. Die zeitliche Grenze für die Ausübung gesetzlich unbefristeter Wahlrechte dürfte der Eintritt der Festsetzungsverjährung sein.

(so Heinen, Das Wahlrecht und die Bestandskraft - Zeit zum Umdenken, DStR 2020, 361)

• 2023

Rückwirkendes Ereignis / Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Austauschverträgen / § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

 

Rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO kann auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bei Austauschverträgen sein. Dabei sind unter Geschäftsgrundlage nicht zum Vertragsinhalt gehörende, bei Vertragsabschluss aber bestehende gemeinsame Vorstellungen der Vertragsparteien zu verstehen. Gleiches gilt für Vorstellungen des Vertragspartners, die dem Geschäftspartner erkennbar waren oder von ihm nicht beanstandet wurden. Auch ein gemeinschaftlicher Irrtum über die steuerlichen Folgen eines Austauschvertrags kann zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen. Eine Verpflichtung zur vorherigen Klärung der Anwendbarkeit von § 313 BGB durch die Zivilgerichte besteht nicht. Ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AO wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt allerdings nach Auffassung des BFH (Urteil v. 28.10.2009, IX R 17/09) nur dann in Betracht, wenn der Rechtsgrund für den Wegfall der Geschäftsgrundlage im ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt war. Was damit gemeint ist, ist nach Auffassung des Niedersächsischen FG (Urteil v. 5.1.2023, 9 K 162/21 - IX R 4/23) unklar. Nach Auffassung des Niedersächsisch...

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