Rz. 336

Die Wertabgabe des Betriebs muss zu "betriebsfremden" Zwecken erfolgen. Der Gegenstand der Entnahme (einschl. Nutzungen und Leistungen) muss also den betrieblichen Bereich verlassen, wodurch der sachliche und/oder persönliche Zusammenhang mit dem Betrieb gelöst wird. Dabei ist der Begriff der "betriebsfremden Zwecke" der Oberbegriff, der die Entnahme für Zwecke des Stpfl., seinen Haushalt und andere betriebsfremde Zwecke umfasst.

Für die "betriebsfremden Zwecke" ist der Begriff des Betriebs von Bedeutung (vgl. auch Rz. 22). Hiernach entscheidet sich die Frage, ob die Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen einzelnen betrieblichen Betätigungen des Steuerpflichtigen Entnahmen mit der Folge der Gewinnrealisierung darstellen oder steuerneutral möglich sind. Grundsätzlich sind folgende Auffassungen vom Begriff des Betriebs möglich:

  • Weiter Betriebsbegriff: Zum Betrieb gehört das gesamte, für betriebliche Zwecke genutzte Vermögen des Stpfl., ohne Rücksicht, zu welchen organisatorisch selbstständigen Einheiten der einzelne Vermögensgegenstand gehört. Betriebsfremder Zweck ist daher gleichbedeutend mit privatem Zweck.
  • Mittlerer Betriebsbegriff: Der einheitliche Betrieb wird von allen Einheiten gebildet, die zu derselben Einkunftsart gehören und derselben Gewinnermittlungsart unterliegen.
  • Enger Betriebsbegriff: Betrieb ist die einzelne organisatorisch und wirtschaftlich abgegrenzte Einheit; dieser Begriff ist hier in Rz. 22 vertreten worden.
  • R 4.3 Abs. 2 EStR definiert die Entnahme als Vorgang, durch den ein Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen oder beruflichen in den privaten betriebs- oder berufsfremden Bereich übergeht. Damit wird offen gelassen, welcher Betriebsbegriff zugrunde zu legen ist; eine über den Gesetzestext hinausgehende Klärung des Begriffs der Entnahme ist hierdurch nicht zu gewinnen.
 

Rz. 337

Der BFH hatte in ständiger Rechtsprechung[1] den Begriff der "betriebsfremden Zwecke" nach dem Regelungsziel des Instituts der Entnahme ausgelegt (sog. "finaler Entnahmebegriff"; aufgegeben durch BFH v. 17.7.2008, I R 77/06, BStBl II 2009, 464, BFH/NV 2009, 464; vgl. Rz. 340, 341; Ditz, IStR 2009, 115; Kahle/Franke, IStR 2009, 406; Mitschke, FR 2008, 1144; Roser, DStR 2008, 2389; Prinz, DB 2009, 807; Schneider/Oepen, FR 2009, 22). Diesen Zweck des Entnahmetatbestands sieht die Rechtsprechung in der Erfassung der stillen Reserven bei Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus der steuerlichen Verstrickung. Als "Entnahme" wurde danach jeder Vorgang eingeordnet, der die spätere Erfassung der stillen Reserven verhindert; "betriebsfremder Zweck" ist danach jeder Zweck, durch den die Erfassung der stillen Reserven vereitelt wird.

Hiervon ausgehend hatte der BFH[2] ursprünglich den mittleren Betriebsbegriff vertreten, da bei Änderung der Gewinnermittlungsart oder der Einkunftsart die Gefahr besteht, dass stille Reserven der Besteuerung (einschließlich GewSt) entzogen werden (Beispiel: Strukturwandel von Gewerbebetrieb zu Land- und Forstwirtschaft); bei dem Ausscheiden aus der steuerlichen Verhaftung sollte Gewinnrealisierung durch Entnahme eintreten.

 

Rz. 338

Die neuere Rechtsprechung hat sich demgegenüber nicht auf einen bestimmten Betriebsbegriff festgelegt.[3] Sie ging bis zur Aufgabe der "finalen Entnahmetheorie" (vgl. Rz. 340) weiterhin von dem finalen Entnahmebegriff aus, wonach die Entnahme die Erfassung der stillen Reserven sicherstellen sollte. Bei einer Nutzungsentnahme hat es die Rspr.[4] für möglich gehalten, dass eine Entnahme bei Nutzungen des Wirtschaftsguts des einen Betriebs für Zwecke des anderen Betriebs vorliegt.

Bei der Prüfung, ob durch die Übertragung des Wirtschaftsguts von einem Betrieb in einen anderen Betrieb des Stpfl. die Gefahr der Entstrickung stiller Reserven entsteht, waren nur die unmittelbaren Folgen für die ESt zu berücksichtigen. Die Folgen bei der GewSt waren außer Acht zu lassen; bei der GewSt sei schon nach der gesetzlichen Regelung die Erfassung der stillen Reserven nicht lückenlos (z. B. bei der Aufgabe des Gewerbebetriebs), sodass die Anwendung des finalen Entnahmebegriffs auf die GewSt nicht gerechtfertigt sei.[5] Es waren auch nur die unmittelbaren Folgen für die ESt zu berücksichtigen, nicht dagegen, ob durch die Überführung des Wirtschaftsguts in der Zukunft weitere Handlungen ermöglicht wurden, die zu einer Entstrickung führen. Der BFH[6] hatte in einem Fall, in dem ein Wirtschaftsgut aus einem gewerblichen Betrieb in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG übertragen wurde, keine Entnahme gesehen, obwohl die Möglichkeit eines Übergangs zur Gewinnermittlung nach § 13a EStG bestand, wodurch die stillen Reserven der Besteuerung entzogen würden.

 

Rz. 339

Auch der finale Entnahmebegriff erforderte aber, dass der Tatbestand des § 4 Abs. 1 S. 2 EStG vorlag. Der finale Entnahmebegriff wurde also dadurch eingeschränkt, dass eine auf dem Entnahmewillen beruhende Entnahmehandlung (vgl. Rz. 317) vorliegen musste.

Dies geht auf den BFH[7] z...

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