Rz. 188

Der Begriff der sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG umfasst alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder 8 bis 11 EStG ergibt. Forderungen, die auf eine Sachleistung gerichtet sind, gehören nicht zu den sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG, auch dann nicht, wenn sie die Lieferung einer auf Geld gerichteten Forderung zum Gegenstand haben.[1] Keine Bedeutung für die Besteuerung hat die Rechtsnatur des zugrunde liegenden Kapitalüberlassungsverhältnisses. Eine sonstige Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG kann daher gesetzlicher oder vertraglicher und privat- oder öffentlichrechtlicher Natur sein.[2] Unerheblich ist auch, ob das Kapitalvermögen dem Schuldner freiwillig zur Nutzung überlassen wird.[3] Auch wenn dem Gläubiger das Kapitalvermögen gegen dessen Willen entzogen oder vorenthalten wird, liegt eine sonstige Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG vor.[4] Auf die von den Beteiligten vereinbarte Dauer der Kapitalüberlassung kommt es ebenfalls nicht an. Von einer sonstigen Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG ist daher auch dann auszugehen, wenn das Kapitalvermögen lediglich für eine kurze Zeit überlassen wird.[5] Keine Bedeutung für die Besteuerung hat ferner die rechtliche Wirksamkeit des zugrunde liegenden Kapitalüberlassungsverhältnisses. Eine sonstige Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG muss daher weder rechtlich wirksam zustande gekommen sein noch muss die rechtliche Wirksamkeit während der gesamten Dauer der Kapitalüberlassung fortbestehen.[6] Unerheblich ist auch, ob dem Gläubiger für die Überlassung des Kapitalvermögens eine Sicherheit bestellt wurde. Eine sonstige Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG liegt sowohl bei einer gesicherten als auch bei einer ungesicherten Kapitalüberlassung an den Schuldner vor.[7] Auf die von den Beteiligten vereinbarte Art und Weise der Erfüllung der Kapitalforderung kommt es ebenfalls nicht an. Von einer sonstigen Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG ist daher nicht nur bei einer Erfüllung durch eine einmalige Leistung, sondern auch bei einer Erfüllung auf Raten auszugehen.[8]

 

Rz. 188a

Die vorstehenden Grundsätze zur Auslegung des Begriffs der sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG, insbesondere zum Erfordernis einer auf eine Geldleistung gerichteten Forderung, hat der BFH in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen mehrfach bestätigt.

 
Hinweis

Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen

Bei Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen handelt es sich um börsenfähige Wertpapiere in Form einer nennwertlosen, in ihrer Laufzeit unbefristeten Inhaberschuldverschreibung. Die Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen gewähren ihrem Inhaber einen Anspruch auf Auslieferung einer bestimmten Menge an Gold, der unter Einhaltung einer Lieferfrist gegenüber der Bank geltend gemacht werden kann. Daneben besteht die Möglichkeit, die Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen an der Börse zu veräußern. Zur Besicherung und Erfüllbarkeit der Lieferansprüche sind die Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen i. d. R. durch Gold gedeckt. Denkbar ist aber auch, dass Gläubiger und Schuldner auf eine physische Deckung verzichten.

Der BFH hat in einer Reihe von Urteilen klargestellt, dass Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen keine sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 EStG sind, da es an einer auf eine Geldleistung gerichteten Forderung fehlt. Der Umstand, dass eine Vielzahl von Anlegern ihre Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen an der Börse veräußern, um die Kosten für eine Geltendmachung des Lieferanspruchs zu sparen, hat insofern keine Bedeutung, da es jedem Stpfl. freisteht, die für ihn günstigste Handlungsalternative zu wählen. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Schuldner verpflichtet ist, das ihm zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig zum Erwerb von Gold einzusetzen.[9] Im Ergebnis hat der BFH den Erwerb und die Einlösung oder den Verkauf von Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen wie den unmittelbaren Erwerb und unmittelbaren Verkauf von physischem Gold beurteilt. Er zieht daher u. E. zu Recht Parallelen zu privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Ob das gleichermaßen für Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen ohne physische Deckung gilt, konnte der BFH offen lassen. Indes mangelt es auch bei einer fehlenden physischen Deckung an einer auf eine Geldleistung gerichteten Forderung. Anderenfalls würde die Verwendung des Kapitals durch den Schuldner über die steuerliche Behandlung des Vorgangs beim Gläubiger entscheiden. Ob eine solche Auslegung mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang zu bringen ist, dürfte jedenfalls zweifelhaft sein, ist höch...

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