Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung aus drohender Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Bestimmung oder behördlicher Anordnung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die gegen Erhalt einer Einmalzahlung durch den Verzicht auf eine vertragliche Verpflichtung eines Vertragspartners entstandene Eigenverpflichtung stellt weder eine passivierungsfähige Verbindlichkeit dar noch berechtigt sie zur Bildung einer (Aufwands-)Rückstellung. Führt der Verzicht auf eine vertragliche Verpflichtung überdies zu einer möglichen Inanspruchnahme als öffentlich-rechtlicher Zustandsstörer, kommt die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nur in Betracht, wenn sich eine Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder behördlicher Anordnung konkretisiert hat.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB §§ 247, 249 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.11.2003; Aktenzeichen I R 77/01)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin berechtigt ist, eine Verbindlichkeit zu passivieren bzw. eine Rückstellung in Höhe von 20,8 Mio. DM zu bilden.

Die mit Gesellschaftsvertrag vom 2. November 1989 gegründete Klägerin ist ein Tochterunternehmen der ... AG, die sich mit der Verwaltung und Veräußerung von Grundstücken befasst.

Mit Kaufvertrag vom 17. November 1989 erwarb die Klägerin das Gelände der ehemaligen V GmbH in C zum Kaufpreis von insgesamt 40.922.325,00 DM. Zu diesem Zeitpunkt waren die Altlastensituation der Immobilie sowie die sich daraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen dem Grunde und der Höhe nach weitgehend ungeklärt. So hatte bereits die Verkäuferin im Jahr 1988 durch den Gutachter Dr. ... Voruntersuchungen anstellen lassen, die auf Verunreinigungen des Untergrundes durch Kohlenwasserstoffe hinwiesen. Diesbezüglich fanden schon in den Jahren 1988 und 1990 Besprechungen mit den zuständigen Vertretern des staatlichen Amtes für Wasser- und Abfallwirtschaft in H statt. Hierbei forderten diese die Klärung der Grundwassersituation des Grundstücksgeländes in C. Jedoch ergingen weder in den dem Streitjahr vorangegangenen Jahren noch im Streitjahr noch in den Folgejahren behördliche Anordnungen, die V bzw. die Klägerin verpflichteten, Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Der Altlastsituation trugen die Klägerin und V Rechnung, indem sie in § 6 des Kaufvertrages vom 17. November 1989 folgende mit „Abriss und Entsorgungsmassnahmen“ überschriebene Vereinbarung trafen:

„Die Verkäuferin wird nach Stilllegung der ...produktion (voraussichtlich bis Ende 1990) auf eigene Kosten alle Gebäude und Fabrikationsanlagen, die aus dem als Anlage beigefügten Plan ... zu entnehmen sind, bis zu 30 cm unter umliegendem Bodenniveau abreißen, verschrotten und entsorgen.

Das Eigentum an dem Bauschutt, Schrott, an den Anlagen, Maschinen und Maschinenteilen steht der Verkäuferin zu.

Soweit für den Abriss und die Entsorgung Dritten oder Behörden gegenüber eine Zustimmungserklärung des Grundstückseigentümers erforderlich ist, gilt diese von der Käuferin als erteilt.

Die Abrissmaßnahmen sollen bis ca. Ende 1993 durchgeführt werden.

Die Verkäuferin hat darüber hinaus den Gutachter beauftragt, einen Untersuchungsplan für das gesamte Werksgelände aufzustellen und aufgrund der durchgeführten Untersuchungen ein evtl. notwendiges Sanierungskonzept zu erstellen. Ziel der Sanierung ist das Erlangen einer behördlichen Erklärung, dass einer weiteren industriellen Nutzung der Grundstücke nichts im Wege steht. Die Verkäuferin verpflichtet sich der Käuferin gegenüber, die evtl. notwendigen Sanierungsarbeiten durchzuführen und eine entsprechende Erklärung der zuständigen Behörde zu erwirken.“

Mit Kaufvertrag vom ... 1991 verkaufte die Klägerin den Südteil des Geländes sowie Wohngrundstücke zum Kaufpreis von insgesamt 33 Mio. DM an die Fa. E. Daneben veräußerte sie im Jahr 1991 weitere Wohngrundstücke an Dritte zu Kaufpreisen von insgesamt 1.618.320,00 DM. Mit Vereinbarung vom gleichen Tag löste die Fa. V die auf den Südteil des Grundstücks entfallende Sanierungsverpflichtung durch eine Ausgleichszahlung in Höhe von 8,5 Mio. DM an E ab.

Am 18. November 1991 erstellte Dr. ... das abschließende Gutachten über den nördlichen Grundstücksteil. Hierin schätzte er die Sanierungskosten auf ca. 20,8 Mio. Auf das Gutachten wird verwiesen.

Am ... Dezember 1992 vereinbarten die Klägerin und V, dass nicht V - wie in § 6 des Vertrages vom 17. November 1989 zivilrechtlich vereinbart - die Sanierung des Nordteils von ca. 8 ha durchführen solle, sondern dass unter Berücksichtigung des Umstandes, dass mit dem Eigentumserwerb durch die Klägerin deren öffentlich-rechtliche Zustandsstörerhaftung kraft Gesetzes neu begründet worden sei, sie die Sanierung des Nordteils übernehmen und die Überwachung der Deponie L durchführen solle. Zur Durchführung dieser Maßnahmen erhielt die Klägerin von V 20,8 Mio. DM. Auf die Vereinbarung vom 22. Dezember 1992 wird verwiesen.

In ihrer Buchführung hatte die Klägerin den Grundstückskauf...

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