Entscheidungsstichwort (Thema)

Umbau eines privaten Wohnhauses aufgrund Querschnittslähmung des Kindes: Einbaukosten für Rollstuhlaufzug und Bewegungsbad sind bei den Eltern als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig. Einkommensteuer 1973

 

Leitsatz (amtlich)

Die aus der Querschnittslähmung eines Angehörigen resultierenden Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines privaten Wohnhauses sind jedenfalls dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig, wenn die Umbaumaßnahmen zu keiner Werterhöhung des Wohnhauses führen und die Kosten damit auch als „außergewöhnlich” i.S.d. § 33 EStG zu qualifizieren sind.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tenor

I. Unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom 4. August 1976 und des Einkommensteuerbescheides 1973 vom 12. Mai 1976 wird die Einkommensteuerschuld 1973 auf … DM festgesetzt.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für den Einbau eines Rollstuhlaufzuges in Höhe von DM 16 457,19 und eines Wellenbewegungsbades in Höhe von DM 12 353,49 als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

Diese Aufwendungen sind den Klägern durch die Erkrankung ihres Sohnes entstanden. Er ist als Folge eines 1971 erlittenen Unfalls querschnittsgelähmt, 100 % körperbehindert und dauernd pflegebedürftig. Der Einbau des Rollstuhlaufzuges war erforderlich, weil sich die Wohnung der Kläger im Obergechoß ihres Grundstücks in … befindet. Das Wellenbewegungsbad haben die Kläger errichtet, weil ihr Sohn aufgrund ärztlicher Verordnung täglich 2 mal schwimmen muß. Das Bad befindet sich im Erdgeschoß. Der Sohn erreicht es von der Wohnung mit dem Aufzug.

Die Kläger machten die ihnen hierdurch entstandenen Aufwendungen in ihrer Einkommensteuererklärung für 1973 als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab. Es sah die Aufwendungen als Herstellungskosten des Gebäudes an und berücksichtigte sie bei der Veranlagung nur im Rahmen der AfA nach § 7 EStG.

Nach erfolglosem Einspruch verfolgen die Kläger mit der Klage ihr Begehren weiter. Sie machen geltend, daß die beiden Einrichtungen ausschließlich auf ihren Sohn zugeschnitten seien. Der Aufzug sei im Erdgeschoß nur über das Bad und im Obergeschoß nur über das Zimmer ihres Sohnes zu erreichen. Vom Hauseingang bzw. vom Flur der Wohnung sei er nicht zu betreten. Folglich habe der Einbau des Aufzugs zu keiner Werterhöhung des Gebäudes geführt. Das Bad sei geschaffen worden, weil ihr Sohn aufgrund ärztlicher Verordnung täglich 2 mal schwimmen müsse. Eine andere Möglichkeit als den Bau des Bades habe es nicht gegeben. Zwar hätte man … besuchen können. Der tägliche Transport Vermittags und nachmittags mit Begleitperson wäre jedoch zu kostspielig geworden, nachdem die AOK keinen Zuschuß mehr gewähre.

Die Kläger stellen den Antrag,

die Einspruchsentscheidung vom 4. August 1976 und den Einkommensteuerbescheid 1973 vom 12. Mai 1976 dahingehend an ändern daß die Aufwendungen für den Einbau des Fahrstuhls und des Schwimmbades als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es führt aus: Nach § 33 Abs. 2 EStG könnten Aufwendungen nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten oder Sonderausgaben seien. Die Fahrstuhlkosten stellten nachträgliche Herstellungskosten dar, weil der Fahrstuhl mit dem Gebäude verbunden und somit dessen Bestandteil geworden sei. Die Herstellungskosten eines Gebäudes könnten steuerlich aber nur im Wege der AfA berücksichtigt werden. Die AfA zahle gemäß § 9 Abs. 1 Ziffer 7 EStG zu den Werbungskosten und könne nach § 7 Abs. 4 Ziffer 2 EStG nur bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt werden. Der Einwand der Kläger, der Aufzug sei auf ihren Sohn zugeschnitten sei unerheblich. Es handele sich um einen normalen Aufzug, der von allen Familienmitgliedern benutzt werden könne. Ob dies tatsächlich geschehe, sei ohne Bedeutung. Die Aufwendungen für das Schwimmbad könnten ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Die Begründung sei dieselbe wie beim Fahrstuhl.

Der Berichterstatter des Senats hat das Anwesen der Kläger am 16. Oktober 1978 besichtigt. Auf den Aktenvermerk hierüber wird verwiesen (Prozeßakten, Bl. 18 f).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Außergewöhnliche Belastungen liegen nach § 33 EStG vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleichen Einkommens, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes entstehen und wenn mit diesen Aufwendungen keine Gegenwerte geschaffen oder erworben werden. Aufwendungen erwachsen dann zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die geltend gemachten Aufwendungen sind den Klägern zwangsläufig erwachsen. Die Kläger konnten sich ihnen aus tatsäch...

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