Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Prozesskosten entstehen nicht zwangsläufig i.S. des § 33 EStG, soweit ein Schmerzensgeld eingeklagt wird, das - aufgrund der erzielten Einkünfte - nicht zur Beseitigung einer wirtschaftlichen Existenzbedrohung notwendig ist.

2) Die Kosten für einen Antrag, festzustellen, dass sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen sind, kann zwangsläufig i.S. des § 33 EStG sein.

Zur Höhe der berücksichtigungsfähigen Kosten.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 2, 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.08.2008; Aktenzeichen III R 50/06)

BFH (Urteil vom 27.08.2008; Aktenzeichen III R 50/06)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Prozesskosten sowie weitere Kosten im Zusammenhang mit einem Arzthaftungsprozess gem. § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als außergewöhnliche Belastungen (agB) zu berücksichtigen sind.

Die Klin. erzielte im Streitjahr 2000 als System-Ingenieur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 125.958 DM.

In ihrer ESt-Erklärung 2000 machte sie Prozesskosten für einen in zwei Instanzen geführten Arzthaftungsprozess in Höhe von 27.197,47 DM sowie Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel in Höhe von 695,12 DM als agB geltend. Zu den Einzelheiten wird auf Bl. 4 der ESt-Akte verwiesen.

Dem Arzthaftungsprozess lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 1993 erlitt die damals 32 jährige Klin. aufgrund eines Skiunfalls eine Kreuzband- und Innenbandverletzung am rechten Knie die operativ mit Verschraubung behandelt wurde. Nach Entfernung von zwei Schrauben im Mai 1993 trat eine bakterielle Infektion des rechten Kniegelenks auf, die im weiteren Verlauf zu einer Osteomyelitis (Knochenentzündung) und einer Gonarthrose (Arthrose im Kniegelenk) mit einer partiellen Kniegelenksversteifung und dem Ausweis eines Grades der Behinderung von 30 % führte. Zur Behandlung der erlittenen Verletzungen sowie zur Folgebehandlung befand sich die Klin. im Jahr 1993 insgesamt mehr als 15 Wochen in stationärer Behandlung in verschiedenen Krankenhäusern und wurde mehrfach operiert. Die Klin. war infolge der aufgetretenen Komplikationen fast eineinhalb Jahre erwerbsunfähig und konnte erst ab dem 01.07.1994 im Rahmen einer Wiedereingliederung stufenweise ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen.

Nach Darstellung der Klin. wurde sie bereits in den Jahren 1994 bis 1996 immer wieder von den behandelnden Ärzten darauf aufmerksam gemacht, dass die Infektion für sie zu einer ständigen Gesundheitsgefahr geworden sei, dass die Arthrose neben den unmittelbaren Folgen der Gehbehinderung im betroffenen Kniegelenk in der Zukunft zu einer vollständigen Versteifung des Kniegelenks bzw. zu einer Kniegelenksprothese führen werde und dass durch die eingetretene Infektion und der damit einhergehenden Osteomyelitis auch die Gefahr einer Amputation bestehe.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Diagnosen, Untersuchungen sowie medizinischen Behandlungen und Therapien wird auf die ärztlichen Berichte und Atteste Blatt 64 bis 90 der Gerichtsakte (GA) sowie auf das Gutachten des Prof. Dr. X vom 30.01.1999 in der beigezogenen Akte … des Landgerichts I (Bl. 67 bis 96 b) und auf das ebenfalls in dieser Akte befindliche Gutachten des Prof. Dr. C vom 22.02.2000 verwiesen.

Im Jahr 1998 erhob die Klin. vor dem Landgericht (LG) I unter dem Aktenzeichen (Az.) … Klage gegen den behandelnden Arzt wegen eines Behandlungsfehlers. Sie beantragte den Ersatz eines materiellen Schadens in Höhe von 41.989,85 DM, im Wesentlichen bestehend aus Fahrtkosten zu Ärzten und Krankengymnasten, den Eigenanteilen für Medikamente, Verdienstausfall sowie Aufwendungen für Hilfeleistungen von Familienangehörigen. Ferner begehrte die Klin. die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, das sie auf 60.000 DM bezifferte. Darüber hinaus stellte die Klin. den Antrag, festzustellen, dass der behandelnde Arzt ihr sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen habe. Den Streitwert dieses Feststellungsantrages bezifferte die Klin. auf 20.000 DM. Das LG I wies die Klage mit Urteil vom 28.12.1999 nach Beweisaufnahme – u.a. durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 30.01.1999 – ab, legte der Klin. die Kosten des Rechtsstreits auf und setzte den Streitwert auf 121.989,84 DM fest. Die Klin. legte gegen dieses Urteil vor dem Oberlandesgericht (OLG) IB Berufung ein, in der sie sich u.a. auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Prof. Dr. C vom 22.02.2000 berief. Das unter dem Az. … geführte Berufungsverfahren endete durch klageabweisendes Urteil vom 04.12.2000.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Zivilprozesses wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des LG I und des OLG IB (Az. … und …) verwiesen.

Im ESt-Bescheid 2000 vom 24.04.2002 erkannte der Bekl. lediglich die Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel in Höhe von 695,12 DM, nicht aber die Prozesskosten als agB an, da diese nicht zwangsläufig entstanden seien. Unter Berücksichtigung eines Gesamt...

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